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Die Stadt, das Geld und der Tod von Frank Göhre - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Die Stadt, das Geld und der Tod 


von Frank Göhre


Der Anfang: 

In den frühen Morgenstunden des 19. März, drei Tage vor Ostern, wird im Eimsbütteler Park am Weiher die Leiche eines Jugendlichen entdeckt.

Sie liegt am Wegrand.

Wie hingestürzt. Die Arme weit nach vorn gestreckt.

Das Gesicht in einer Pfütze. Im Dreck.

Auf der Jeansjacke Taubenschiss. Ein Sneaker ist über die Ferse gerutscht.


Clankriminalität in Hamburg. Eine Gangsterstory, Korruption, Verbandelung mit der feinen Hamburger Gesellschaft. Ein Sprachstil im Konzentrat, fast im journalistischen Stil, Puzzleteile setzen sich zum großen Ganzen zusammen. Ende der Achtziger muss Ivo aus den Karpaten fliehen, er hat einen Mann ermordet, die Familienehre zu retten. Dumm gelaufen, es war ein Gerücht, nichts dran an der Sache. Sein Cousin, der im Rotlichtmilieu agiert, hilft ihm, nach Hamburg zu entkommen, wo Cousin Nicolai Radu sich gerade versucht, sich im Kiez zu etablieren. 


Das Extrakt einer Clangeschichte


Nicolai bewohnt mit seiner Frau Hanna, geborene Pietsch, Chauffeur und Hauspersonal eine dreigeschossige Jugendstilvilla am Harvestehuder Weg. Baujahr 1911. Fünfhundertachtzig Quadratmeter Wohnfläche mit Einliegerwohnung und Garten.

Der Kaufpreis nicht bekannt.


Der Kriminalroman setzt ein paar Jahre später an. Ivo kommt aus dem Knast. Während seiner Zeit in «Santa Fu» ist sein Sohn gestorben – Drogen. Nun möchte Ivo wissen, was passiert ist und andererseits macht er sich Vorwürfe, weil er sich nach der Scheidung nie um sein Kind gekümmert hatte. Der Noir-Thriller teilt sich in zwei Stränge: Die Geschichte des Aufstiegs der Radu-Familie und der Clan im Jetzt, der langsam ins Trudeln gerät. Der rumänischstämmige Immobilienunternehmer Nicolai, einstige Kiezgröße, hat ein Imperium aufgebaut, in eine Kaffeegroßhändlerfamilie eingeheiratet, steht sich gut mit Politikern, einem Sternekoch, einem Chefredakteur, einem Bankdirektor und einem Rechtsanwalt: Hamburger Pfeffersäcke – sie alle stehen auf seiner Gehaltsliste. Eine feine Gesellschaft entblättert sich. Eine Gangsterstory, ein spannender Noir-Kriminalroman, die Geschichte des Habgiers. Der Stil, distanziert, verknappt, teils im Aufzählungsmodus, in kurzen Vignetten. Frank Göhre hält die Kamera in die Szene, zoomt hinein. Klappe; nächste Szene. Auf 159 Seiten lesen wir das Extrakt einer Clangeschichte, punktuelle Stationen, der Thrill liegt unter der Oberfläche, steigert sich bis zum Showdown. Eine eigene erfrischende Art, eine Kriminalgeschichte zu erzählen. Empfehlung!


Frank Göhre, aufgewachsen im Ruhrgebiet, lebt in Hamburg. Der Autor der der legendären »Kiez Trilogie« wurde dreimal mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, zuletzt für seinen Krimi »Verdammte Liebe Amsterdam« (2020), für den er auch den Stuttgarter Krimipreis 2021 erhielt. Frank Göhre gab das Gesamtwerk des Schweizer Autors Friedrich Glauser neu heraus und schrieb seinen Lebensroman »Mo«. Gemeinsam mit Alf Mayer veröffentlichte er Bücher über Ed McBain und Elmore Leonard. Zu seinen Drehbucharbeiten zählen »Abwärts« und »St. Pauli Nacht« (Deutscher Drehbuchpreis, verfilmt von Sönke Wortmann). 



Frank Göhre
Die Stadt, das Geld und der Tod
Kriminalroman, Noir-Thriller, Hamburger Kiez, Clankriminalität, Gangsterstory
Taschenbuch, 159 Seiten
CulturBooks, 2021





Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

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