Rezension
von Sabine Ibing
Die Pflanzen und ihre Rechte
von Stefano Mancuso
Eine Charta zur Erhaltung unserer Natur
Pflanzen entfalten sich seit 2 Milliarden Jahren auf der Erde. Sie haben den Blauen Planeten in eine Grüne Insel umgewandelt. Pflanzen können ohne den Menschen existieren, aber der Mensch nicht ohne sie. Leider vernichtet der Mensch immer mehr Lebensraum der Pflanzen, richtet mit Monokultur Umweltschäden an oder bringt Kurioses (Schädliches) durch Umverpflanzung zustande. Höchste Zeit, den Pflanzen Rechte einzuräumen, denn sie garantieren unser Überleben, sagt Stefano Mancuso. Eine neue geochronologische Epoche ist angebrochen: Anthropozän (aus dem Altgriechischen aus Mensch und neu zusammengesetzt) das Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Manescus Bruder ist Jurist, hatte ihm geraten, das Buch nicht mit juristischen Artikeln zu besetzen, doch der Autor hielt daran fest, der als begeisterter Botaniker sicher auch gleichzeitig als Philosoph zu sehen ist. Es geht ihm sicher nicht ernsthaft um eine Pflanzenrechtscharta, sondern um einen allumfassenden Blick auf die Natur, die Zusammenhänge zwischen allen Lebewesen auf der Erde, ihren Einfluss auf die Atmosphäre. Es ist ein Plädoyer für das Leben. Wer Bücher von Manescu bereits gelesen hat, weiß, wie mitreißend er schreibt, wie gut verständlich, übergreifend und humorig. Das ist ihm mit diesem Buch wieder gelungen.
Verheerende Folgen durch Einmischung des Menschen in die Natur
Artikel 2 – Die Nation der Pflanzen garantiert die unveräußerlichen Rechte der natürlichen Gemeinschaften und erkennt sie als Gesellschaften an, die auf den Beziehungen zwischen den Organismen basieren, aus denen sie sich zusammensetzen.
Jedes Kapitels beginnt mit einem Artikel. Das klingt zunächst einmal ziemlich theoretisch. Die Erklärung dazu ist aber lehrreich, amüsant, obwohl die Thematik sehr ernst ist; es geht um den Eingriff des Menschen in die Natur. Australien ist immer das beste Beispiel, ein Kontinent, auf dem der Mensch mit Einschleppung von Kaninchen und Brombeeren verheerende Einschnitte in die Natur erwirkte. Hier wird als Beispiel das von den Spaniern lang gehütete Geheimnis um das Färben mit Karmesinrot berichtet, das über die Züchtung der Cochenilleschildlaus gewonnen wird, die auf Kakteengewächsen lebt. Über einen Verrat wurde das Geheimnis gelüftet, und so gelangte die Kaktusfeige nach Australien: die Läuse mochten das Klima nicht, starben. Jedoch dem Kaktus gefiel es und er breitete sich wie Unkraut aus, landwirtschaftliche Fläche verdarb. Viel später fand sich zur Bekämpfung die Kaktusmotte, die Abhilfe schaffte, die aber infolge in anderen Teilen der Welt biologisches Chaos anrichtete. Auch wird Mao zedongs Entscheidung in China erwähnt, Spatzen auszurotten, da diese Nutzpflanzen abpickten. Dieser Beschluss führte zu einer Hungersnot «die vermutlich 20 bis 40 Millionen Menschen das Leben kostete», da die Vögel Insekten fraßen; Wanzen und Heuschreckenschwärme sich mangels ihrer Feinde vermehrten; sie ließen sich die Feldfrüchte schmecken.
Das Ungleichgewicht wird immer deutlicher
Mit etwas herumzuspielen, dessen Funktionsweise man nicht kennt, ist äußerst gefährlich, denn die Folgen sind unvorhersehbar. Die Kraft der ökologischen Gemeinschaften ist ein Motor des Lebens auf der Erde.
Bereits in seinem Buch «Die unglaubliche Reise der Pflanzen» hat Stefano Manusco beschrieben, wie Pflanzen sich verschiedene Art und Weise fortbewegen, Lebewesen, denen man nachsagt, sie seien sesshaft. Hierzu einiges in Artikel 7, in dem die Erderwärmung erwähnt wird, Wetterphänomene, Olivenbäume, die einen Monat früher blühen als zuvor, Baumarten, die höher gelegene Regionen vordringen, wie Rotbuchen und Steineichen in Katalonien, Pflanzen die aussterben, weil ihnen durch Dürre die Lebensgrundlage entzogen wurde. Neben Darwins Evolutionstheorie, dem Gesetz des Stärkeren, wird auch eine andere These Darwins erwähnt: Die am besten angepassten Spezies wird überleben.
Wertvoller Beitrag zur Umweltpolitik
Wo eine Pflanze überleben kann, sollte auch eine wachsen.
Stefano Mancuso stellt die These auf, dass wir den Anstieg der CO2-Konzentration nur dann in den Griff bekommen, wenn wir die Begrünung forcieren: Begrünung von Flächen zwischen Häusern, Dächer, Balkone, Fassaden usw. Pflanzen sind der Moter der Erde und sie sind Teamplayer. Verschiedene Arten bilden Symbiosen, um miteinander zu überleben, Pflanzen und Tiere formen Symbiosen, haben aufeinander Einfluss, bilden Ökosysteme. Dieses Buch ist ein wertvoller Beitrag zur Umweltpolitik, da es in der Thematik allumfassend ist, den Blick auf das Ganze setzt. Und das in dem bekannten Plauderton von Stefano Mancuso, dessen Begeisterung für die Pflanzenwelt auf den Leser umspringt.
Stefano Mancuso, geboren 1965, ist Professor für Pflanzenkunde und einer der führenden Autoren des «Nature Writing». Mancuso forscht und lehrt an der Universität Florenz, leitet das Laboratorio Internazionale di Neurobiologia Vegetale. Mit zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen gilt er international als der führende Pflanzenforscher. Sein Buch «Die Intelligenz der Pflanzen» stand monatelang auf der Bestsellerliste.
Die Pflanzen und ihre Rechte
Eine Charta zur Erhaltung unserer Natur
Originaltitel: La nazione delle piante
Aus dem Italienischen übersetzt von Andreas Thomsen
Sachbuch, Natur, Evolution, Pflanzenschutz, Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Botanik und Pflanzenwissenschaften, Anthropozäm, Klimawandel
Gebunden, 160 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen
Klett-Cotta, 2021
Die Welt der Pflanzen von Stefano Mancuso
Die unglaubliche Reise der Pflanzen von Stefano Mancuso
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