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Die Brücke von Taylor Adams - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing





Die Brücke 

von Taylor Adams


Lena fährt zu diesem Ort, sucht den Polizisten auf, der ihre Schwester gefunden hatte. Drei Monate zuvor stürzte sich ihre Zwillingsschwester Cambry von einer abgelegenen Brücke in Magma Springs, Montana, in den Tod. Das behauptet zumindest der Polizist, der sie fand. Doch Lena hat Zweifel an dieser Version. Was verschweigt der Cop? Mit dem Auto ihrer toten Schwester machte sich Lena auf den Weg zur Brücke, um die Wahrheit herauszufinden, den Polizisten Corporal Raymond R. Raycevic in die Mangel zu nehmen – denn so ganz kann seine Geschichte nicht stimmen. 


Lena zieht ein As nach dem anderen aus dem Ärmel

Um es kurz zu machen, die Story hat grundsätzlich Potential – doch Taylor Adams benötigt 40 Seiten, um eine Szene zu darzustellen, die die meisten Schriftsteller auf eine Seite bringen. An wenigen Stellen macht es Spaß, so intensive und ausufernde Beschreibungen zu lesen; hier treibt es die Spannung hoch. Doch zu neunzig Prozent ist dieser Stil eher langweilig. Lena und Raycevic stehen an der Brücke – ein Frage- und Antwortspiel. Ein Kammerspiel über 400 Seiten. Es beginnt stimmungsvoll, schnell ist man drin in der Geschichte. Lena fragt und fragt, Raycevic gibt Antwort, Lena fragt tiefer und tiefer, persönlicher – und irgendwann fängt Raycevic an, sich zu verstricken. Was anfangs als Trauerverarbeitung zu beginnen scheint, entwickelt sich zu einem eiskalten Kalkül: Lena hat sich intensiv vorbereitet, und sie zieht ein As nach dem anderen aus dem Ärmel. 

Gute Idee - kaputtgewalzt

In kurzen Zwischenkapiteln, «Cambrys Geschichte», präsentiert die tote Schwester ihre Version. Ein weiterer Kniff, um die Handlung aufzublasen und weitere Wiederholungen einzuschieben. Ein Widerspruch: Lena weiß durch die letzte Nachricht vom Telefon ihrer Schwester, dass Raycevic nicht die Wahrheit sagt – und doch fragt sie sich immer wieder, ob sie ihm trauen kann oder nicht. Trotz der Intensität der Szenen bleiben dem Lesenden die Protagonist:innen fern, statisch, nicht fassbar. 300 Seiten weniger wären mehr gewesen.



Taylor Adams ist Filmregisseur und Autor. Sein Thriller »No Exit« war international ein großer Erfolg und wurde 2022 verfilmt. Adams lebt im Bundesstaat Washington.

Taylor Adams
Die Brücke
Originaltitel: Hairpin Bridge, 2021 
Aus dem amerikanischen Englisch von Robert Brack
Thriller, Amerikanische Literatur 
Taschenbuch, 416 Seiten
Heyne Verlag, 2024




Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

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