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Der Kuss des Kaisers von Christine Neumeyer - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Der Kuss des Kaisers 


von Christine Neumeyer


Der Anfang:

K. u. k. Amtssekretär Josef Krzizek war im Auftrag Seiner Majestät, des Kaisers von Österreich unterwegs. Er musste den Erwerb des neuen Gemäldes von Gustav Klimt, »Der Kuss«, in die Wege leiten, bevor Seine Hoheit, Thronfolger Franz Ferdinand von einer Ungarnreise nach Wien zurückkehrte.


Wien 1908. In der Modernen Galerie des Schlosses Belvedere wird eine Ausstellung vorbereitet, zu der Amtssekretär Josef Krzizek mit Gustav Klimt den Ankauf des Bildes «Kuss» verhandelt – er muss es erwerben, koste es, was es wolle, sonst bekommt er Ärger mit dem Kaiser. Erna Kührer arbeitet in diesem Haus als Reinigungskraft. Die Stelle hat ihr der Krzizek besorgt, ebenso die hübsche Wohnung in der besseren Gegend – dafür muss sie sich ihm hin und wieder in der Galerie hingeben. Es hilft ja nichts – sie hat drei Kinder und einen kranken, arbeitslosen Mann durchzufüttern. Dann steht auch noch Daniel vor der Tür, ihr Ältester, der vor längerer Zeit abgehauen war. Ein Raufbold und Taugenichts – aber ihr Sohn, den sie schweren Herzens wieder aufnimmt. Und als im oberen Schloss des Belvedere die Dienerschaft an Durchfall erkrankt, bekommt Erna die Chance, Fürstin Sophie zur Hand zu gehen im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. 


Eine Leiche ohne Kopf


Fünfundzwanzigtausend Kronen, Brosch. Ich weiß nicht, wie ich das Bild versichern soll, trau mich dem Klimt nicht zu sagen, dass unsere Räumlichkeiten in der Nacht unbewacht sind. Unsere Mittel reichen nicht für einen Nachtwächter.


Ein paar Wochen später stehen Polizeiagent Pospischil und Forensiker Dr. Leopold Frisch vor einem Problem: Im Schlossgarten liegt eine zerstückelte Leiche beziehungsweise die Stücken im Brunnen versenkt. Dem Toten fehlt ihm der Kopf. Die Polizisten sollen unter dem Radar ermitteln, niemanden aufschrecken, es darf keinen Skandal geben, denn das Schloss Belvedere ist die Residenz des Thronfolgers Franz Ferdinand. Welches Motiv steckt hinter einer derart brutalen Tat? Etwas Politisches? Wer mag dieser Mann sein? Frisch verlässt sich auf seine moderne Kriminaltechnik und Pospischil auf seine Nase und auf die des Hundes, der ihm zugelaufen ist.


Ein stimmiger historischer Krimi mit Atmosphäre


Vorschriften sind selbstverständlich ernst zu nehmen. Manchmal sind sie schlicht und einfach nur kontraproduktiv.


Ein Krimi mit viel Wiener Flair aus der Kaiserzeit. Atmosphärisch gibt er das Leben der armen Leute wieder, bzw. das Treiben der hochnäsigen Gesellschaft, das Nebeneinander der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Kaiser und Thronfolger harmonieren nicht, zwei völlig verschiedene Charaktere. Und wo wir bei Charakteren sind, auch hier weiß Christine Neumeyer ihre Protagonisten fein aufzublättern. Selbst in der Sprache trifft sie den Ton der Zeit. Ein stimmiger historischer Krimi mit einem Ende, mit dem kein Leser rechnen wird. Empfehlung!


Christine Neumeyer, 1965 in Wien geboren, ist Schriftstellerin und Organisationsassistentin der Universität Wien. Als Obfrau der Region Österreich im Netzwerk der Mörderischen Schwestern verwirklicht sie seit 2017 gemeinsam mit österreichischen Autorinnen Projekte zur Förderung der von Frauen geschriebenen Kriminalliteratur. Sie schreibt und veröffentlicht seit vielen Jahren historische Romane und Kriminalromane sowie Kurzgeschichten. Eine Milieustudie, wie sie ein Krimi verdient; der Tote wird erst nach ca. 100 Seiten aufgefunden und es braucht noch ein paar mehr, bis er identifiziert ist – ein Protagonist, der dem Lesesenden nicht ganz unbekannt ist bis hierhin. 



Christine Neumeyer
Der Kuss des Kaisers
Polizeiagent Johann Pospischil-Reihe (2)
Krimi, Kriminalroman, Kriminalliteratur, Historischer Krimi, Wien, Whodunnit, Mysterykrimi, Österreichische Literatur
Kartoniert, 274 Seiten
Picus Verlag



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Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
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Im Prinzip bin ich an aller historischer Literatur interessiert. Manche Leute behaupten ja, historisch seien Bücher erst ab Mittelalter.  Historisch - das Wort besagt es ja: alles ab gestern - aber nur was von historischem Wert ist. Was findet ihr bei mir nicht? Schmonzetten in mittelalterlichen Gewändern. Das mag ganz nett sein, hat für mich jedoch keine historische Relevanz.  Hier gibt es Romane und Sachbücher mit echtem historischen Hintergrund.
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