Direkt zum Hauptbereich

Der Fuchs von Frederick Forsyth - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing


von Frederick Forsyth 

Der Fuchs 

von Frederick Forsyth

Sprecher: Walter KreyeUngekürztes Hörbuch, Spieldauer: 10 Std. und 9 Min.


Frederick Forsyth hatte ich bisher immer gern gelesen – aber dies ist so ziemlich der langweiligste Thriller, den ich jemals in der Hand hatte. Eigentlich ist dieser Roman ein Lehrbeispiel dafür, wie man aus einer guten Grundidee ein schlechtes Buch machen kann. Thriller steht auf dem Deckel – ich musste mich nach einer Weile des Einhörens vergewissern, ob ich falsch gelesen hätte, denn ich dachte, ich wäre in einem Sachbuch über Edward Snowden und andere Whistleblower gelandet – pulvertrocken wird hier doziert, völlig ohne Charme – das ein gutes Sachbuch ja haben sollte. Oh Verzeihung – wir befinden uns ja in einem Thriller! Irgendwann kommt Handlung hinein.

Ein Autist als hochbegabter Hacker

Ich probiere die Grundstory : Ein junger Autist namens Luke Jennings ist hochbegabt in mathematischen Prozessen und hackt sich durch hochgeheime staatliche amerikanische Firewalls bis in die NSA. Schon wieder ein Autist, mit Aspergersyndrom, der informatische Höchstakrobatik leistet – gleich voll in die Klischeekiste gelangt.  Der Junge – die Eltern – werden vor die Alternative gestellt: eine Anklage vor Gericht erwartet sie, oder sie übersiedeln nach Amerika – Luke soll für den Geheimdienst arbeiten.

Sachinformation an der falschen Stelle

Forsyth erklärt mir hier ausgiebig Malware und Trojaner – nee, denke ich, das hätte ich nie gewusst! Aber dort, wo es wirklich interessant wird, wo es mal hineingeht in die Informatik, erfährt man: Es hat geklappt, Luke hat in kürzester Zeit den Air Gap über im Netz überwunden. Aha. Prima. Da kratzt man sich am Kopf. Zwei Systeme, weit voneinander entfernt, durch rein gar nichts miteinander verknüpft, wie kann man hier durch das Netz Informationen fließen lassen? Man könnte das Buch von Edward Snowden lesen, er hat genau beschrieben, wie es funktioniert, eben nicht rein durch das Internet. Ich habe nicht viel Ahnung von Informatik, aber so viel verstehe ich, hier wird eine Menge Blödsinn erzählt. Und dort, wo man sich als Autor einlesen, informieren müsste, machen die Protagonisten das einfach schnell mal. Alles ist hochgeheim, klar, da darf man nichts verraten, auch nicht der Autor. Früher war Forsyth einmal sehr differenziert in wichtigen Punkten. Heute hat man den Eindruck, er versteht die ganze Technik, die Verknüpfungen nicht mehr – redet lieber von vollbracht oder geheim.

Schwarz-Weiß in Superlative

Und nun kommen wir zum nächsten Desaster: Forsyth schreibt im Grimmsmärchen Stil. Von der ersten Seite an ist klar, wer gut und wer böse ist: Der US-Geheimdienst, britische Verbündete und der Mossad sind die Guten, alle anderen die Bösen. Snowden ist ein ganz böser Verräter, ein Staatsfeind. Schwarz-Weiß, in einer Welt der Grautöne. Die Übelsten sind Russland, Iran und Nordkorea. Na, wer hätte das gedacht. Im Iran hackt sich Luke in die tiefsten Geheimnisse, legt Urananreicherungsanlagen lahm, hetzt die Bevölkerung in Korea zum Umsturz auf … Putin persönlich (sein Namen wird natürlich nicht benannt) ist hinter dem siebzehnjährigen Luke her, dem Fuchs, denn er ließ ein hochmodernes russisches Kriegsschiff vor der Küste von GB auf Grund laufen. Viele böse Mächte möchten den Fuchs erlegen. Halali!

Das hört sich ach Action an – nach einer mit faden Charakteren, alles bekannt und man weiß, wie es ausgeht. Wenn die Sache wenigsten spannend geschrieben wäre, könnte man sagen: eine bäng-bäng Story zur Unterhaltung. Aber nicht einmal Spannung hat das Buch zu bieten. Erzählende Fragmente aneinandergesetzt, es fehlt der Erzählfluss, eine Linie. Zwischendrin platziert sich breit die Sachebene mit Erklärungen. Spätestens ab der Mitte war die Sympathie heraus, hab öfter mal gespult. Keine Empfehlung für den oberfaden Thriller.

Frederick Forsyth, geboren 1938 in Ashford/Kent, studierte in Granada, Spanien. Nachdem Forsyth mit 19 Jahren jüngster Pilot der Royal Air Force war, arbeitete er als Reporter für die Eastern Daily Presse in Norfolk und wurde Korrespondent der Agentur Reuters. Er berichtete zunächst aus Paris und später aus Ostdeutschland und der Tschechoslowakei. 1965 ging Forsyth als Reporter zur BBC. Seine Erfahrungen aus dem Journalismus verarbeitete er in Romanen. Mit «Der Schakal» gelang ihm auch als Romanautor der internationale Durchbruch.


Frederick Forsyth
Der Fuchs
Thriller
Sprecher: Walter Kreye
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 10 Std. und 9 Min.,
Audible, 2019
C. Bertelsmann Verlag
Hardcover 320 Seiten

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Zappenduster von Hubertus Becker

Wahres aus der Unterwelt Kurzgeschichten aus der Unterwelt: »Alle Autoren haben mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht.« 13 Geschichten von 6 verschiedenen Autor*innen. Diverse Schreibstile, vermischte Themen, aber das Zentralthema ist Kriminalität. Knastgeschichten, Strafvollzug, die Erzählungen haben mir unterschiedlich gut gefallen – zwei davon haben mich beeindruckt, die von Sabine Theißen und Ingo Flam. Weiter zur Rezension:  Zappenduster von Hubertus Becker 

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Rezension - Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli

  Eine witzige Geschichte über ein starkes Mädchen, das Verantwortung für ihre Umwelt übernimmt. Eines Tages kommt Juli aus dem Haus und der Baum ist weg. Wo mag er geblieben sein? Doch als Juli nach Hause kommt, liegt er in ihrem Bett: «Kein Bock mehr!» Den Baum hat es erwischt: Burnout. Kein Wunder, dass er so viel arbeiten muss, denn er ist der einzige Baum weit und breit. Aber wo soll die Amsel denn nun ihr Nest bauen? Und wo soll die Fledermaus schlafen? Kein Problem, meint Juli, der Baum brauchte sicher nur mal eine Pause. Und so lange kann sie ja für die Tiere da sein … Humorvolles Bilderbuch mit Tiefgang ab 3 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

  Kemi, Brittany-Rae und Muna: drei Frauen leben in Schweden – drei völlig unterschiedliche Lebenswelten; eins haben sie gemeinsam: Sie sind schwarz und nicht in Schweden geboren. Ihre Ausgangssituationen können kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem beginnen sich ihre Leben auf unerwartete Weise zu überschneiden – in Stockholm, einer als liberal geltenden Stadt. «In allen Spiegeln ist sie Schwarz» erzählt die schwierigen Themen Migration, Rassismus, Sexismus und Identität mit Leichtigkeit; obwohl nichts komplexer ist als dieser Themenbereich. Spannender zeitgenössischer Roman. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

Kreativ - Kunst - Zeichnen - Lesen - Künstler - Was gibt es Neues?

Kreativ - Kunst - Zeichnen - Lesen - Künstler - Was gibt es Neues? Große Kunst wird gekauft und verkauft, sie kommt unter den Hammer und wird vorn und hinten versichert. Kleine Kunst ist kein Produkt. Sie ist eine Haltung. Eine Lebensform. Große Kunst wird von ausgebildeten Künstlern und Experten geschaffen. Kleine Kunst wird von Buchhaltern geschaffen, von Landwirten, Vollzeitmüttern am Cafétisch, auf dem Parkplatz in der Waschküche.  (Danny Gregory) Das Farbenbuch von Stefan Muntwyler, Juraj Lipscher und Hanspeter Schneider Als ich dieses Kraftpaket von Buch in den Händen hielt, war ich zunächst einmal platt. Wer dieses Sachbuch hat, benötigt keine Hanteln mehr! Aber Spaß beiseite, wer dieses Buch gelesen hat, hat auch keine Fragen mehr zum Thema Farben. Farben werden aus Pigmenten hergestellt, soweit bekannt. Die beiden Herausgeber sind der Kunstmaler Stefan Muntwyler und der Chemiker Juraj Lipscher, beide lebenslange Farbspezialisten, und dies ist ein Kompendium der P

Rezension - Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

  Aram Mattioli erzählt zum ersten Mal den langanhaltenden Widerstand der First Peoples in den USA - vom First Universal Races Congress (1911) über die Red Power-Ära und die Besetzung von Wounded Knee (1973) bis hin zu den Protesten gegen die Kolumbus-Feierlichkeiten (1992). Die American Indians waren dabei nie nur passive Opfer, sondern stellten sich dem übermächtigen Staat sowohl friedlich als auch militant entgegen.  Schwer verdaulich, wie die Native Americans noch im 20. Jahrhundert entrechtet und diskriminiert wurden. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

Rezension - Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Dieses witzig-gruslige Jugendbuch, bzw., schlicht Comic, nimmt eine über 100 Jahre alten Geschichte von John Kendrick Bangs auf. Die Comic-Zeichnerin Barbara Yelini interpretiert die Story neu mit wundervollen Wasserbildern. Ein wundervoller Comic für Jugendliche, die nicht sehr lesebegeistert sind. Zur Rezension:    Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Rezension - In der Ferne von Hernan Diaz

  Anfang der 1850er Jahre, Håkan Söderström lebt zu einer Zeit in Schweden, in der die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Auszuwandern ins gelobte Land Amerika scheint eine Chance. So schickt der Vater die ältesten Jungen los. Zusammen mit seinem großen Bruder Linus steigt Håkan auf das Schiff nach England. Von dort soll es nach Nujårk, New York, weitergehen, doch im Hafen von Portsmouth verlieren sich die Brüder. Håkan fragt sich durch: Amerika! Doch der Bruder erscheint nicht auf dem Schiff – denn Håkan sitzt auf dem nach Buenos Aires. Das kapiert er zu spät, steigt in San Francisco aus. New York ist sein Ziel. Fest entschlossen, den Bruder zu finden, macht er sich zu Fuß auf den Weg, entgegen dem Strom der Glückssucher und Banditen, die nach Westen drängen. Sprachlich ausgefeilt, eine spannender, berührender Anti-Western, ein Drama mit einem feinen Ende. Die Epoche der Besiedlung Amerikas, Kaliforniens, wird hautnah eingefangen. Empfehlung! Weiter zur Rezension:  In der Ferne v

Rezension - Meine geniale Freundin von Chiara Lagani und Mara Cerri nach Elena Ferrante

Die Neapolitanische Saga Band 1 Ein moderner Klassiker als Graphic Novel umgesetzt – ich war gespannt, da Elena Ferrante sehr ausführlich in ihrer Tetralogie nicht nur die Freundschaft zwischen Elena und Lila beschreibt, sondern gleichzeitig ein Sittengemälde der Zeit wiedergibt, soziale und politische Strukturen aufnimmt, die Übernahme der Camorra in Neapel beschreibt. Wenn ich das zusammenziehe, ist der Comic missglückt. Denn der bezieht sich wirklich nur auf einen wesentlichen Kern: auf die Beziehung zwischen Elena und Lila, zwei Lebensläufe, die gemeinsam beginnen, aber auseinanderdriften. Zeichnerisch ist das Buch sehr gelungen.  Weiter zur Rezension:    Meine geniale Freundin von Chiara Lagani und Mara Cerri nach Elena Ferrante