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Der Billabongkönig von Matthias Kröner und Mina Braun - Rezension

Rezension


von Sabine Ibing



Der Billabongkönig 


von Matthias Kröner und Mina Braun


Als Billabong bezeichnen die australischen Ureinwohner ein Wasserloch oder einen Seitenarm eines Flusses. Hier lauern die Krokodile, die Billabongkönige. Einer von ihnen ist Ben; er bestimmt als Herrscher über seinen Sumpf. Basta. Der Ärger beginnt mit den Zahnschmerzen. Ben hat nämlich ungeheuere Angst vor dem Zahnarzt. Die Krokodilwächter dienen den Krokodilen als Zahnbürste, die Tiere leben in einer Symbiose. Sie sind Zahnbürste und Zahnarzt in einem. Nur Ben machte halt den Mund nicht auf. Au Backe! Irgendwann waren die Schmerzen unerträglich – doch wohin waren bloß die ganzen Krokodilwächter verschwunden? 




Einen Praktizierenden findet er noch: Kaukasius Grätenzieher II., Ihro Exzellenz von Stolzhausen-Stammberg. Als Ben endlich bei ihm ankommt, es ist ein weiter Weg, will der ihn nicht gleich behandeln: Feierabend. Außerdem ist Ben nicht krankenversichert und hat kein Geld dabei. Der Billabongkönig braucht so etwas nicht. Oder? Er gibt sein Wort, das ist viel mehr wert. In seiner Not schließt Ben mit dem arroganten Typ einen schriftlichen Vertrag: Kaukasius hat einen Wunsch frei – egal was es ist, Ben muss ihn erfüllen. Die Unterschrift ist schnell gegeben, wenn damit endlich die Zahnschmerzen verschwinden.


Was machst du, wenn es kein Ja und kein Nein gibt? Kein Richtig und Falsch. Sein Wort kann man nicht einfach brechen.

Ben geht es wieder gut, als Kaukasius seinen Wunsch bei ihm einlöst, der allerdngs Bens moralischen Kompass erzittern lässt. Er soll Roger, einen Krokodilwächter, auffressen, ein Rotkehlchen, der ärgste Konkurrent, der nebenbei gesagt, ziemlich entfernt in fremden Ländern wohnt. Ben windet sich wie ein Aal – Mord, das ist im Wunschpaket nicht eingeschlossen. Außerdem gibt es das ungeschriebene Gesetz, welches besagt, dass Krokodilswächter nicht gefressen werden dürfen, man lebt ja in Symbiose. Kaukasius hält ihm den Vertrag vor die Nase. Vertrag ist Vertrag! So macht sich Ben schweren Herzens auf den gefährlichen Weg auf die andere Seite der Welt. Auf seiner Reise lernt er eine Menge Tiere kennen.


Laut Paragraf 77, Absatz d Spalte 9 im Gesetzbuch der Tiere. Da steht es schwarz auf weiß: ‹Wer gegebene Wünsche nicht einhält und den Anordnungen des Wunschbevollmächtigten verweigert, muss mit einer Gefängnisstrafe von zwanzig Jahren rechnen.›



Wird er Roger zum Frühstück vertilgen? Der entpuppt sich nämlich als sehr netter und hilfsbereiter Typ. Ben ist kein Mörder; er schwimmt reinen Herzens zurück – was soll ihm schon passieren, er ist ja der Billabongkönig. Doch Kaukasius kann diese Schande nicht auf sich sitzen lassen, hat schon vorgesorgt. Mithilfe von fremden Krokodilen, nimmt er Ben gefangen, sperrt ihn ein. Er kommt vor Gericht. Das Ganze ist Teil eines geplanten Handstreichs mit Machtübernahme. Gesetz ist Gesetz, darüber kann sich auch kein König erheben. Ein ausgeklügelter Plan, Teil eines geplanten Handstreichs mit Machtübernahme. Und wo bleiben die anderen Tiere, die Ben so ergeben waren? Die folgen dem Richterspruch. Dumm gelaufen für Ben. Hätte er nicht doch dieses Rotkehlchen fressen sollen? Kaukasius erklärt ihm, dass er nun der Billabongkönig sei, Ben habe schlicht das Machtbewusstsein gefehlt. Die Sterne scheinen Bens letzten Verbündeten zu sein ... traurig erkennt er, dass er vielleicht nicht so beliebt war, wie er dachte. Hat Ben eine Chance, dem Knast zu entweichen? Oder gibt es doch versteckten Widerstand gegen die neuen Machthaber, die rigoros regieren? Eine fabelhafte Erzählung über Machtmissbrauch, darüber, was ein gutes Leben ausmacht und wie man aus einer vertrackten Situation wieder herauskommt, wenn man sich selbst treu bleibt. 



Interessant gestaltet ist der Stil der Geschichte. Neben dem Erzähler sitzt Ben, der ihm immer hineinredet – die Zeilen sind in Rot gedruckt. Ben versucht, sich zu entschuldigen, gibt ständig seinen Senf dazu; und so entsteht nebensächlich ein Gespräch zwischen Ben und dem Erzähler, was sehr humorvoll ist. Der Dialog ist ein Schlagaustausch über Moral. Das Ende ist überraschend ... Ein Kinderbuch mit Anspruch, über das man gemeinsam lesen, mit dem Kind diskutieren sollte. Die spannende Fabel ist sehr humorvoll – besonders durch den Dialog. Machtverhältnisse, Machtübernahme, Diktatur und Demokratie, Gesetz contra Moral, zu seinen Werten stehen – das alles ist Thema und passt gerade jetzt in die Zeit! Die Illustrationen von Mina Braun in warmen Naturfarben geben dem Buch einen optischen Kick. In den Ecken oder als Randgestaltung begleiten die Grafiken visuell das Geschehen, in der Machart computeranimiert, wirken sie teilweise wie Collagen. Der Beltz & Gelberg Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 8 Jahren – das ist für mich grenzwertig, passt bei dem einen anderen Kind – ich tendiere eher zu ab 10/11 Jahren. Das Buch ist anspruchsvoll, spricht philosophische Denkmodelle an, es ist politisch, moralisch, sicher auch für Jugendliche interessant. Der Geheimtipp, unbedingt lesen! Gut als Unterrichtsmaterial zum Thema Macht und Moral, Demokratie und Werte.


Matthias Kröner, geboren 1977 in Nürnberg, lebt und arbeitet seit 2007 als Autor, Journalist, Redakteur, Herausgeber und Lyriker in der Nähe von Lübeck. Er schreibt regelmäßig für den Bayerischen Rundfunk und erhielt mehrfach Auszeichnungen für seine Prosa, Lyrik und Essayistik. Der Billabongkönig ist sein kinderliterarisches Debüt.


Mina Braun ist bildende Künstlerin und Illustratorin von Büchern, Drucken und Karten. Sie liebt es, ihre Zeit in Druckwerkstätten zu verbringen, was sich auch in ihren Bildern zeigt, die an Siebdrucke erinnern. Ihre Ausbildung erhielt sie an der Kunstakademie Kassel sowie am Edinburgh College of Art. Nach Jahren in Großbritannien lebt und arbeitet sie seit 2015 in Berlin.



Matthias Kröner, Mina Braun 
Der Billabongkönig
Kinderbuch, Kinderroman, Fabel, politische Aufklärung, Philosophie, Konfliktlösung, Kinder- und Jugendliteratur, Unterrichtsmaterial
Hardcover, 165 Seiten
Beltz & Gelberg, 2022
Altersempfehlung: ab 10/11 Jahren von mir (ab 8 Jahren vom Verlag)



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Kinder- und Jugendbücher - 11 bis13 Jahre






Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
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