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Das Totenschiff von B. Traven - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Das Totenschiff 


von B. Traven 

Gesprochen von: Nicolas Batthyany
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 10 Std. und 57 Min.



‹Ich geh‘ nicht mit. Ich bin ein freier Amerikaner, ich werde mich beschweren.›

‹Ha!›, schrie einer höhnisch herüber. ‹Sie sind kein Amerikaner. Beweisen Sie es doch. Haben Sie eine Seemannskarte? Haben Sie einen Pass? Nichts haben Sie. Und wer keinen Pass hat, ist niemand.›


Der amerikanische Seemann Gales verpasst in den Kneipen Antwerpens nach einer Liebesnacht sein Schiff, auf dem sich sein einziges Identitätsdokument, seine Seemannskarte, befindet – und er ist pleite; seine Heuer befindet sich an Bord. Die niederländische Polizei greift ihn auf und müsste ihn eigentlich für Jahre einsperren. Doch sie schieben ihn über die Grenze zu den Belgiern ab, drücken ihm ein paar Gulden in die Hand. Und auch dort wird er aufgegriffen und es geht hin und her über mehrere Stationen, die über Frankreich nach Spanien führen, und man hat letztendlich stets ein Herz für den Mann. So schafft es Gales immer wieder, abzuhauen, nimmt sich vor, sich nach Barcelona durchzuschlagen. 


Ich war nicht geboren, hatte keine Seemannskarte, konnte nie im Leben einen Pass bekommen, und jeder konnte mit mir machen, was er wollte, denn ich war ja niemand, war offiziell gar nicht auf der Welt, konnte infolgedessen auch nicht vermisst werden.


Ohne Seemannskarte darf ihn kein Schiff anheuern. Doch es gibt Skipper von Schmugglerschiffen, denen ist das egal, weil sie dringend Personal suchen. Ein ordentlicher Matrose würde auf solch einem Schiff nicht anheuern. Was bleibt Gale schon übrig … Und so landet er irgendwann auf der «Yorikke», die mit illegaler Ladung und schräger Besatzung über das Meer fährt. Gales erhält als Neuling die unterste Position an Bord, arbeitet nun unter höllischen Arbeitsbedingungen als Kohlenschlepper – und der hat obendrein eine Menge Nebenjobs zu erledigen. Die Yorikke schmuggelt Waffen. Legt das Schiff an, darf niemand von Bord gehen; denn keiner der Matrosen besitzt Papiere. Sklavenarbeit und Sklavenhaltung – die Frage ist, ob Gale jemals diesen Kreislauf durchbrechen kann. Denn es kommt noch schlimmer.


Es fahren viele Totenschiffe auf den sieben Meeren, weil es viele Tote gibt. Nie gab es so viel Tote, seit der große Krieg für wahre Freiheit und echte Demokratie gewonnen wurde. Tyrannen und Despoten wurden besiegt, und der Sieger wurde das Zeitalter einer größeren Tyrannei, das Zeitalter der Landesflagge, das Zeitalter des Staates und seiner Lakaien.


B. Traven ist das Pseudonym eines deutschen Schriftstellers, der zwischen 1882 und 1969 gelebt hat. 1924 floh B.Traven aus politischen Gründen nach Mexiko und schrieb dort unter Pseudonym zwölf Bücher und zahlreiche Erzählungen. Viele davon wurden - genau wie «Das Totenschiff» - auch verfilmt. Dies ist die Neuauflage des Klassikers. Ein Abenteuerroman der unromantischen Sorte, denn wie man weiß, ist das Leben auf See kein Zuckerschlecken. Dass, was Gales hier widerfährt, ist unmenschlich. Doch der Mensch ist anpassungsfähig, man kann sich so ziemlich mit allem arrangieren … Aber es beginnt ja mit dem Amtsschimmel. Auf seiner Odyssee besucht Galen diverse Konsuln, bittet um neue Papiere. Da soll er doch erstmal beweisen, dass er wirklich Amerikaner sei! Papiere vorlegen oder mit einem guten Leumund vorsprechen. Die Gesetze schreiben vor, ihn für lange Zeit einzusperren, ein einem Fall droht ihm sogar die Todesstrafe – nur, weil er keine Identitätspapiere vorlegen kann. Ein Niemand, ein Straftäter. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf der Yorikke zu fahren, ausgenutzt und ausgebeutet, ein Leben am Rande der Gesellschaft. Letztendlich ist der Roman eine Gesellschaftskritik, eine Kritik am Kapitalismus, der Ausbeutung der Arbeiterklasse und der Bürokratie. Sehr gut beschreibt der Autor die Arbeit an Deck der damals modernen Dampfschiffe, die harte Arbeit an Bord, ebenso die absurde Bürokratie um das, was man eine Identität nennt. Stilistisch ein beeindruckendes Werk, das trotz seines Alters immer noch aktuell ist. Ein Klassiker, den es sich lohnt, zu lesen!


Lied eines amerikanischen Seemanns


Mädel, heul doch nicht so sehr,

Wart auf mich am Jackson Square

Im sonn´gen New Orleans,

Im lieben Louisiana.


Mein Mädel glaubt, ich lieg´im Meer,

Sie steht nicht mehr am Jackson Square

Im sonn´gen New Orleans,

Im lieben Louisiana.


Doch ich lieg´nicht an einem Riff,

Ich fahre auf dem Totenschiff

So fern vom sonn´gen New Orleans,

So fern vom lieben Louisiana.

(B. Traven)


B. Traven (1882–1969), war bis 1915 unter dem Pseudonym Ret Marut als Schauspieler und Regisseur in Norddeutschland tätig. Es folgte der Umzug nach München, wo er 1917 die radikal-anarchistische Zeitschrift ›Der Ziegelbrenner‹ gründete und sich an der bayerischen Räteregierung beteiligte, die 1919 gestürzt wurde. Es gibt heute Hinweise, dass er der uneheliche Sohn des AEG-Gründers Emil Rathenau und damit der Halbbruder von Walther Rathenau war, der 1922 als deutscher Außenminister ermordet wurde. Nach seiner Flucht nach Mexiko 1924 schrieb er unter dem Namen B. Traven 12 Bücher (darunter sein wohl bekanntester Roman ›Das Totenschiff‹) und zahlreiche Erzählungen, die in Deutschland Bestseller waren und in mehr als 40 Sprachen veröffentlicht und weltweit über 30 Millionen Mal verkauft wurden. Der Schatz der Sierra Madre‹  (1927), (verfilmt mit Humphrey Bogart und Walter Huston, 1948), Der Busch (1928) und Die Rebellion der Gehenkten (1936),  ›Das Totenschiff‹ (Deutschland 1959) und ›Macario‹ (Mexiko 1960). 1951 wurde er mexikanischer Staatsbürger, heiratete 1957 Rosa Elena Luján, seine Übersetzerin und Agentin, und starb am 26. März 1969 in Mexiko-Stadt.



Das Totenschiff
Gesprochen von: Nicolas Batthyany
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 10 Std. und 57 Min.
Abenteuerroman, Klassiker
Diogenes Verlag, Audible, 2023
Diogenes Verlag, Hardcover Leinen, 416 Seiten, 2023


 


Zeitgenössische Literatur

Hier verbirgt sich manche Perle der Literatur. Ich lese auch mal einen Bestseller, natürlich, aber mein Blick ruht  immer auf den kleinen Verlagen, auf den freien Verlagen. Sie trauen sich was - und diese Werke sind in der Regel besser als der Mainstream der meistgekauften Bücher …
Zeitgenössische Romane

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