Rezension
von Sabine Ibing
Das Plapperküken
von Janie Bynum
Die Illustrationen haben mich begeistert. Farbenfreudige Zeichnungen im Aquarellstil, digital nachbearbeitet, lustig in der Darstellung, machen das Buch zum Hingucker. Aber damit ist die Begeisterung auch schon am Ende. Das Küken hat wahnsinnig viel zu erzählen und plappert pausenlos: Piep, Piep, Piep. Bereits die erste Seite zeigt, dass dieses Kind allen auf den Wecker fällt: «Mach, dass es aufhört!» Die gesamte Familie ist genervt. Mama und Papa sind beschäftigt, die große Schwester steckt lieber die Nase in ein Buch. An diesem Punkt ist beim Leser der Frust angestaut. Ja, dieses Kind hat viel zu erzählen, aber niemand nimmt sich ihm an und lässt sich auf das Küken ein, nimmt es ernst. Kleine Kinder plappern viel und gern. Und wenn man sie verstummen lassen will, ihnen kein Selbstvertrauen mitgeben will, dann handelt man genau so. Diesen Frust (ohne Lösung) im Bilderbuch darzustellen, ist absolut kontraproduktiv.
Das Küken buddelt im Garten und findet ein riesiges Ei, schleppt es nach Hause. Endlich redet jemand mit dem Kind: man schimpft es aus, das sei ein fremdes Ei, hat nichts im Haus zu suchen. Also bringt das brave Küken das runde Ding zurück in den Garten, beschützt es und wärmt es, bis zum späten Abend. Die Eltern tragen das eingeschlafene Küken ins Bett. Endlich kein Pips mehr. Am nächsten Morgen rennt es zum Ei – und hier ist jemand ausgeschlüpft. Eine kleine Schildkröte. Der neue Freund ist allerdings stumm. Macht ja nichts, das Küken plappert für drei. Und die Moral von der Geschicht? Mir fällt keine ein. Gut, das Küken hat endlich jemanden gefunden, den es bepiepsen kann. Einen Stummen. Einseitige Kommunikation. Der Anfang vom Buch hat mich enttäuscht, das Ende entsetzt. Die (Er)Lösung der Familie, die sich nicht mit dem Plapperküken beschäftigen mag, wird auf einen stummen Zuhörer übertragen. Das Bilderbuch wird für Kinder ab 4 Jahren empfohlen. Auch das hat mich verwirrt. Die Zeichnungen sind einfach strukturiert, außer Piep, Piep, Piep ist der Text sehr reduziert, die Problematik des Kleinkinds wird beschrieben, ein typisches Bilderbuch für 2-3 Jahre.
Janie Bynum wuchs in Texas auf. Ihr Kunststudium hat sie an der Universität Nord-Texas absolviert. Inspiration zieht sie aus Reisen und ihrem Interesse an fremden Kulturen. Sie hat mehrere Kinderbücher geschrieben und illustriert, wobei sie eine Mischtechnik verwendet, u. a. mit Wasserfarbe und digitalen Verfahren. Janie Bynum lebt in einem über hundert Jahre alten Haus in Michigan.
Das Plapperküken
Bilderbuch, Kinderbuch
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Elisa Martins
Hardcover, 21,5 x 25,8 cm, 40 Seiten
Altersempfehlung ab 4 Jahren (von mir 2-3 Jahre)
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