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Das Labyrinth des Fauns von Guillermo del Toro, Cornelia Funke - Rezension

Rezension 

von Sabine Ibing




Das Labyrinth des Fauns 

von Guillermo del Toro, Cornelia Funke


Der Anfang: Es war einmal ein Wald, im Norden Spaniens, so alt, dass er Geschichten erzählen konnte, die längst vergangen und von den Menschen vergessen waren. Die Bäume an ankerten so tief in der moosbedeckten Erde, dass sie die Gebeine der Toten mit ihren Wurzeln umfassten, während sie die Äste nach den Sternen streckten.

Cornelia Funke ist als Kinderbuchautorin weltweit bekannt. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass der erfolgreiche mexikanische Filmemacher Guillermo del Toro mit einer Idee sich an Funke wandte. Sein oscarprämierter Fantasy-Streifen »Pans Labyrinth« existierte zwar als Drehbuch, es gab aber keine Buchvorlage, wie so oft bei Filmen. Er fragte Funke, ob sie nicht den Roman dazu schreiben wolle. Unmöglich!, dachte die Autorin. Wie sollte sie dieses grandiose Opus - auch noch seit Jahren ihr Lieblingsfilm - in einen Roman umsetzen? Aber nichts ist unmöglich, und darum sagte sie zu. Soweit die Vorgeschichte. Der Stoff ist ein Märchen auf der einen Ebene, eine reale Geschichte im realen Leben, die miteinander verwoben werden, es geht um die faschistische Franco-Zeit in Spanien, um die Grausamkeit von Diktatoren.



Die junge Ofelia ist 1944 mit ihrer hochschwangeren Mutter unterwegs zu ihrem Stiefvater nach Galicien. Ihr eigener Vater war ein Schneider, der verstorben ist und die Mutter hatte neu geheiratet. Die hübsche Frau wurde von einem hochrangigen Offizier des spanischen Diktators Franco geheiratet, Capitán Vidal, und der möchte natürlich seinen Sohn, der bald geboren wird, bei sich haben. Die Frau ist ihm völlig egal, auch Ofelia. Und darum ist es ihm auch egal, dass seine Frau, die unter der Schwangerschaft leidet, den beschwerlichen Weg gar nicht hätte auf sich nehmen dürfen. In einem dunklen Wald, kurz vor dem Ziel, macht die Reisegesellschaft  Rast. Libellenartige Wesen flattern vor Ofelia herum, locken Sie an einen Ort. Fast zerfallene Skulpturen ziehen sie magisch an.




Das Mehl, dass die Mühle malte, färbte sich jedes Mal schwarz, wenn der Todestag der Hexe sich jährte, und da sogar seine Katzen einen weiten Bogen um das Mehl machten, warf Javier, der Müller, es in den Wald.

In einem Subplot mit Backstory erfahren die Leser in 10 kleinen Kapitel die Geschichte einer Prinzessin aus einem unterirdischen Reich, von einem König und einer Königin, die noch immer nach ihrer Tochter Moanna suchen: Ofelia. Capitán Vidal wohnt in einer alten Mühle, die auch ihre eigene Geschichte hat. Er ist ein brutaler Mann, tötet jeden, der sich ihm entgegenstellt, sich dem faschistischen Regime nicht unterordnet. Noch immer sucht er nach einigen Widerständlern, die sich im Wald verstecken. Auch in der Mühle gibt es Menschen, die den Partisanen heimlich behilflich sind. Kaum dort angekommen lernt Ofelia die fliegenden Wesen kennen: drei Feen. Sie führen sie zum Faun, der Ofelia drei Aufgaben gibt. Löst sie diese, kann sie zurück in das unterirdische Reich zu ihren richtigen Eltern. Immer weiter erforscht Ofelia das magische Reich, das nicht nur schöne Dinge zu bieten hat.

Vidal befreite die Pistole aus seinem Griff und legte erneut an. Diesmal presste der Junge die Hand gegen den Lauf, doch die Kugel schlug mühelos durch das Fleisch und Knochen. Vidal schoss ihm eine weitere Kugel in den rebellischen Kopf.

Das Buch ist nicht schlecht, aber es gehört nicht zu den besten Romanen von Cornelia Funke. Ihre Aufgabe war schwierig und sie hat sie sicher auch gut gelöst. An vielen Stellen wirkt mir die Geschichte zu plakativ, ist nicht tiefgründig genug. Das liegt sicher an der Filmvorlage. Dem Leser stellt sich die Frage, in welchem Land er leben mag, ob Widerstand gegen eine brutale Obrigkeit einen Sinn hat. Was ist man bereit, für die Freiheit zu opfern? Denkt man einen Schritt weiter, so kann man auch zu dem Schluss kommen, dass die Fantasywelt für Ofelia nur in ihrem Kopf besteht. Sie ist traumatisiert durch die Entscheidung ihrer Mutter, diesen brutalen Mann zu heiraten, erlebt das Grausame um sich herum, in einer Welt, in der Frauen nichts zu sagen haben, zu Gebärmaschinen und Handlangern degradiert werden. In ihren märchenhaften Träumen verarbeitet sie das Geschehen aus der Realität. Die Illustrationen von Allen Williams haben mir gut gefallen, Bleistiftzeichnungen, die an den Film anlehnen. Der Fischer Verlag hat eine Altersangabe von 14 Jahren angegeben. Vorsichtshalber, den es gibt einige brutale Szenen. Man muss hier von Kind zu Kind entscheiden. Wer damit klarkommt, für den ist der Roman ab 12 Jahre geeignet. Grimms- Märchen gehören auch nicht zu den fluffigen Geschichten.

Cornelia Funke, geboren 1958, zählt zu den international erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren. Das US-Magazin »Time« wählte sie zu einem der 100 einflussreichsten Menschen des Jahres 2005, das ZDF kürte sie 2007 zu einer der 50 »Besten Deutschen Frauen«. Für ihre Bücher wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Cornelia Funke lebt in Malibu, Kalifornien. Guillermo del Toro wurde 1964 in Guadalajara, Mexiko, geboren. Er ist Filmregisseur, Drehbuchautor, Produzent und Romanautor und erhielt für sein Schaffen unzählige Preise. Mit Werken wie »Pans Labyrinth« zählt er zu den bekanntesten und erfolgreichsten Regisseuren der Welt. Für seinen Film »The Shape of Water. Das Flüstern des Wassers« erhielt er 2018 zwei Oscars.

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