Frauen zählen
Sichtbarkeit der von Frauen verfassten Literatur in Medien
Frauen lesen viel mehr Bücher als Männer. Laut einer Studie kauften in 2015 zwei Drittel aller Frauen in Deutschland und zumindest mehr als die Hälfte der Männer mindestens ein Buch. Interessant sei zu erwähnen, dass die Frauen, die Bücher kaufen, sie auch lesen, Männer hingegen viel seltener, bei ihnen füllt sich manchmal nur das Bücherregal. 43 Prozent der Frauen lesen mehrmals in der Woche oder täglich und lediglich 26 Prozent der Männer greift wöchentlich zum Buch. (Quelle: Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse, 2013)
So wäre es im Umkehrschluss zu erwarten, dass Bücher, die von Schriftstellerinnen auf den Markt kommen, gut präsentiert werden. Es gibt genügend Schriftstellerinnen, es ist ja nicht so, dass Männer mehr Bücher schreiben als Frauen. Blättert man durch das Feuilleton der großen Zeitschriften, schaut sich TV-Kultur- und Buchsendungen an, hat man mit bloßem Auge allerdings die Vermutung, es würden viel mehr Bücher von Männern besprochen. Subjektive Wahrnehmung kann trügen.
Jury bereits im Vorfeld männerlastig
Das Jahresdurchschnittseinkommen für Schriftsteller liegt bei 19.523 Euro, für Schriftstellerinnen bei 14.604 Euro. Bei gleicher Arbeit weniger Lohn. (Quelle: Statistik der Künstlersozialkasse)
Karin Graf, sie führt die bekannte Literatur- und Medienagentur »Graf & Graf«, erklärte, das Autorinnen von Verlagen in der Regel ein niedrigeres Honorar angeboten wird, als den männlichen Kollegen, Männer kommen häufiger als Frauen mit einer Hardcoverausgabe auf den Buchmarkt.
Ob Nobelpreis, Pulitzer-Preis, Prix Goncourt, Deutscher Buchpreis, Georg-Büchner-Preis, Bachmann-Preis, deutscher Krimipreis usw., die Männer liegen statistisch immer weit vorn. Meistens ist im Vorfeld die Jury bereits männerlastig.
Erhalten Männer mehr Raum als Frauen im Feuilleton?
Wir wollten unserer subjektiven Wahrnehmung auf den Grund gehen und zählen, wie Medien Frauen präsentieren. Wer sind die JournalistInnen, Männer oder Frauen? Wen besprechen sie, Bücher von Männern oder Frauen? Wie lang sind die Beiträge? Bekommen Männer mehr Raum als Frauen, ist das wirklich wahr? Viele engagierte Frauen zählten im März dieses Jahres, in diesem Monat findet regelmäßig die Buchmesse in Leipzig statt, und so ist mit vielen Beiträgen zu rechnen. Das Ergebnis war zu erwarten. Eine Behauptung aus dem Bauch heraus ist aber etwas anderes als eine wissenschaftliche Studie, die Fakten belegt. Schriftstellerinnen werden von den Medien nur halb wahrgenommen. Männer sind überproportional vertreten, bei den JournalistInnen und bei den AutorInnen, die vorgestellt werden. Es ist an der Zeit aufzustehen! Medien, insbesondere die öffentlichen Medien haben den Auftrag, alle Bevölkerungsschichten gleichberechtigt zu präsentieren. Da fragt man sich, warum »Frau« nur halb wahrgenommen wird, die Hälfte aller Menschen auf der Welt sind Frauen. Ich freue mich, ein kleines Rädchen in diesem Zählwerk gewesen zu sein, mein Dankeschön geht an alle fleißigen Helferinnen, die diese Studie möglich gemacht haben.
Hier die ersten Ergebnisse zur Studie #frauenzählen
»Das Projekt #frauenzählen setzt sich mit verschiedenen angestrebten Studien zum Ziel, einen umfassenden Datenreport zu generieren, wie etwa Sichtbarkeit von Autorinnen in der Literaturkritik, aber auch bei der Vergabe von Literaturpreisen, in Verlagsprogrammen, in schulischen Lehrmaterialien, in Jurys oder Stipendien. Die Studie erfolgte in Zusammenarbeit mit mehreren Verbänden und der Universität Rostock.«
Hier die ersten Ergebnisse einer empirischen Studie, in der die Sichtbarkeit der von Frauen verfassten Literatur in Medien untersucht wird. Nun ist es offiziell: auf zwei Männer kommt eine Frau, wenn es darum geht ein Werk zu besprechen und würdigen.
Hier das Wichtigste der Studie, Dank an die vielen fleißigen Zählerinnen die mit großem Engagement mitgewirkt haben:
Executive Summary
Im Verlauf des Monats März 2018 wurden 2036 Rezensionen aus 69 deutschen Medien (Print, Hörfunk und TV) statistisch erhoben und sozialwissenschaftlich ausgewertet. Die Auswahl der Medien erfolgte im Sinne eines repräsentativen Abbilds des deutschen Journalismus. Die Auswertung zeigt, dass die Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb in deutlicher Weise hinter der von Männern rangiert. Die Hauptergebnisse in kurzer Zusammenfassung:
1. Auf zwei Männer kommt eine Frau.
In allen Medien, mit Ausnahme von Frauenzeitschriften, werden männliche Autoren häufiger und ausführlicher besprochen: Zwei Drittel der besprochenen Bücher sind von Männern verfasst worden. Dieses Verhältnis von „2 zu 1“ trifft auf alle Mediengattungen zu.
2. Männer schreiben mehr über Männer. Und Frauen? Meistens auch.
Die Kritiken werden überwiegend, im Verhältnis 4 zu 3, von Männern verfasst. Männer besprechen darüber hinaus vor allem Männer: Drei Viertel aller von Männern besprochenen Werke sind von Autoren verfasst worden. Frauen dagegen besprechen Autorinnen wie Autoren tendenziell in eher ähnlichen Häufigkeit.
3. Sachbuch und Krimigenre: Auf besprochene 5 Autoren kommt 1 Autorin.
Die überproportionale Aufmerksamkeit, die Autoren durch Kritiker erfahren, besteht in nahezu allen Literaturgenres: Im Bereich Sachbuch ist lediglich jedes fünfte durch einen Mann rezensierte Buch von einer Autorin verfasst. In der Kriminalliteratur ist der Unterschied am größten: Nicht nur, dass mit 76% mehr Autoren als Autorinnen vorgestellt werden; es rezensierten zudem 82% Männer am liebsten Männer in diesem Genre.
4. Mehr Raum für Männer, die über Männer schreiben.
Die von Männern verfassten Besprechungen sind deutlich ausführlicher als die von Frauen. Zudem räumen Kritiker auch den Werken von Autoren einen größeren Raum ein. Damit erhöht sich die Sichtbarkeit von Autoren zusätzlich. Auch hier ist ein deutliches Ungleichgewicht im Krimibereich festzustellen.
5. Mehr Sichtbarkeit im TV für Männer – nur im Radio sind Frauen unüberhörbar.
Für den TV-Bereich lässt sich eine eklatant größere Sichtbarkeit von Autoren feststellen: Während die Werke von Frauen im Durchschnitt 580 Sekunden lang besprochen wurden, betrug die Länge bei Autoren 931 Sekunden. Im Radiobereich dagegen wurden Autorinnen zwar seltener, aber dafür etwas länger besprochen.
Fazit: Autoren und Kritiker dominieren den literarischen Rezensionsbetrieb:
Zwei Drittel aller Rezensionen würdigen die Werke von Autoren, Männer schreiben weit überwiegend über Männer und ihnen steht ein deutlich größerer Raum für Kritiken zur Verfügung. Einzig das Kinder- und Jugendbuchgenre erscheint als ausgeglichenes Genre; die als intellektuell oder „maskulin“ empfundenen Genres wie Sachbuch und Kriminalliteratur werden von Autoren wie Kritikern vereinnahmt.
Wer es genau wissen will, hier der Link zu dem Projekt #frauenzählen
Frauen in Kultur und Medien - Deutscher Kulturrat
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