Direkt zum Hauptbereich

Bleich wie der Mond von Luca Ventura - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Bleich wie der Mond 


von Luca Ventura

Der Capri-Krimi



Der Anfang: 

Der Mond war bleich und schien so hell, dass er mit seinem Licht den Weg beleuchtete, die Scala Fenicia, die jahrhundertelang die einzige Verbindung zwischen den beiden Ortschaften Capri und Anacapri gewesen war. Die Luft schmeckte salzig, duftete nach Pinien, und das Rauschen des Meeres war nur ein Flüstern.


In der Nacht spazierte er über die Insel, beglückt vom Pinienduft und von einer frohen Nachricht. Doch nun liegt er tot im Bottich seiner Molkerei. Nino Castaldo war berühmt für seinen handgezogenen Mozzarella aus reiner Büffelmilch, der beste Mozzarella weit und breit – der Welt, wie man sagt. Seine über 30 Jahre jüngere Ehefrau Stella gibt vor, ihn innig zu lieben – aber passt das wirklich zusammen? Ihre Familie, Künstler, scheinen nicht so gut mit dem Schwiegersohn verbandelt gewesen zu sein. Und was ist Cousin Bruno, der den Laden nun erben wird. Hatte er sich mit Nino überworfen, weil der geldgierige Bruno lieber in die Massenproduktion wechseln will? Enrico Rizzi und Antonia Cirillo ermitteln …


Der Bottich war mit Wasser gefüllt und die Oberfläche spiegelglatt. Der Mann darin hatte den Kopf in den Nacken gelegt und durchstach mit der Nase die Wasseroberfläche. Die Spitze ragte um wenige Millimeter bis zu den Nasenlöchern heraus. Die Augen waren geschlossen, die Lippen farblos, und die weißen Haare schwammen, wie vom kahlen Schädel losgelöst, um die hohe Stirn herum. So ruhig und friedlich lag der Mann da, und so unwirklich war das Bild, dass Rizzi für einen Moment dachte, er würde das alles hier träumen.


Die kampanischen Tierschützer geraten Rizzi und Cirillo bei ihren Ermittlungen ins Visier, sie prangern die Mozzarellaproduktion an und hatten bereits Anschläge gegen die Produktionsstätte verübt. Ein spannender Plot mit überraschenden Wendungen und ein sympathisches Ermittlungsteam: Rizzi, ein süditalienischer Macho und Cirillo, eine gestandene Norditalienerin, grimmig, weil sie nach Capri strafversetzt wurde, liest dem Kollegen oft die Leviten. Neben Familie und Angestellten, die in den Verdacht geraten, bringt Luca Ventura das Problem des Mozzarellas mit ein, ein wichtiger Wirtschaftssektor der Region. Sehr interessant ist die Beschreibung, wie der Käse hergestellt wird. Gewaltbereite Tierschützer, die für eine artgerechte Tierhaltung kämpfen, und der Verdacht taucht auf, dass die Büffel mit Hormonen gespritzt zu mehr Milchproduktion gebracht werden sollen. Jeder hatte seine Gründe, Nino um die Ecke zu bringen. «Auf Capri gibt es den besten kampanischen Büffelmozzarella zu kaufen, und in der Sonne gedeihen die süßesten Tomaten und aromatischer Basilikum». Süffig geschrieben, mit der Sonne Capris und dem Blick aufs Meer im Gepäck ist dies ein unterhaltsamer italienischer Krimi. Gemütliche Capresen, Klüngelei, Korruption, viel Emotion und ein ausschweifender Blick auf die Landschaft – Süditalien pur. Ein bisschen weniger Klischee in den Figuren hätte mir besser gefallen. Ein glaubwürdiger Plot, der das Tempo zum Ende aufnimmt, sehr atmosphärisch. Empfehlung!


Ich habe mal gehört: Zehn Liter Büffelmilch ist der durchschnittliche Ertrag an einem Tag, während eine Milchkuh dreißig Liter gibt. Ich vertraue euch Italienern da einfach nicht. Wenn es Hormone im Mozzarella gibt und sie über das Essen in den menschlichen Organismus gelangen, ist das nicht gesund.


Luca Ventura ist ein Pseudonym. Der Autor lebt am Golf von Neapel, wo er derzeit am nächsten Fall der Capri-Serie um den Inselpolizisten Enrico Rizzi und dessen norditalienische Kollegin Antonia Cirillo schreibt. 





Luca Ventura
Bleich wie der Mond
Der Capri-Krimi
Krimi, Kriminalroman, Kriminalliteratur, italienische Literatur, Capri, Italien
Taschenbuch, 304 Seiten
Diogenes Verlag, 2023






Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Zappenduster von Hubertus Becker

Wahres aus der Unterwelt Kurzgeschichten aus der Unterwelt: »Alle Autoren haben mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht.« 13 Geschichten von 6 verschiedenen Autor*innen. Diverse Schreibstile, vermischte Themen, aber das Zentralthema ist Kriminalität. Knastgeschichten, Strafvollzug, die Erzählungen haben mir unterschiedlich gut gefallen – zwei davon haben mich beeindruckt, die von Sabine Theißen und Ingo Flam. Weiter zur Rezension:  Zappenduster von Hubertus Becker 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension -MENSCH!: Eine Zeitreise durch unsere Evolution von Susan Schädlich, Michael Stang und Bea Davies

  Die Entstehungsgeschichte der Menschheit als spannende Comic-Sachgeschichte präsentiert – lehrreich und humorvoll verpackt! Woher kommen wir? Wer waren unsere Vorfahren? Und ab wann lernten sie, mit Werkzeugen umzugehen? Diese Graphic Novel nimmt uns mit auf eine Zeitreise durch die Evolution der Menschen, indem wir ihnen sozusagen hautnah begegnen. Wissenschaft meets Comic, Historische Fiction – Sachkinderbuch ab 10 Jahren, über die Evolution der Menschen – klasse gemacht! Empfehlung auch als Unterrichtsmaterial! Weiter zur Rezension:    MENSCH!: Eine Zeitreise durch unsere Evolution von Susan Schädlich, Michael Stang und Bea Davies

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Rezension - Spanischer Totentanz von Catalina Ferrera

Der erste Barcelona-Krimi, »Spanische Delikatessen«, von Calina Ferrera hatte mir als Hörbuch gefallen: leichte Story mit Lokalkolorit, feiner Humor, spannende Geschichte. Leider konnte mich der zweite Band nicht überzeugen. Weder Spannung noch ein Gefühl für die Stadt kam auf. Touristische Beschreibungen und Restaurantbesuche lähmen eine durchschaubare Kriminalgeschichte, die die Mossos d’Esquadra auf den Cementiri de Montjuïc und die Zona Alta führt. Weiter zur Rezension:    Spanischer Totentanz von Calina Ferrera

Rezension - In der Ferne von Hernan Diaz

  Anfang der 1850er Jahre, Håkan Söderström lebt zu einer Zeit in Schweden, in der die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Auszuwandern ins gelobte Land Amerika scheint eine Chance. So schickt der Vater die ältesten Jungen los. Zusammen mit seinem großen Bruder Linus steigt Håkan auf das Schiff nach England. Von dort soll es nach Nujårk, New York, weitergehen, doch im Hafen von Portsmouth verlieren sich die Brüder. Håkan fragt sich durch: Amerika! Doch der Bruder erscheint nicht auf dem Schiff – denn Håkan sitzt auf dem nach Buenos Aires. Das kapiert er zu spät, steigt in San Francisco aus. New York ist sein Ziel. Fest entschlossen, den Bruder zu finden, macht er sich zu Fuß auf den Weg, entgegen dem Strom der Glückssucher und Banditen, die nach Westen drängen. Sprachlich ausgefeilt, eine spannender, berührender Anti-Western, ein Drama mit einem feinen Ende. Die Epoche der Besiedlung Amerikas, Kaliforniens, wird hautnah eingefangen. Empfehlung! Weiter zur Rezension:  In der Ferne v

Rezension - Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

  Aram Mattioli erzählt zum ersten Mal den langanhaltenden Widerstand der First Peoples in den USA - vom First Universal Races Congress (1911) über die Red Power-Ära und die Besetzung von Wounded Knee (1973) bis hin zu den Protesten gegen die Kolumbus-Feierlichkeiten (1992). Die American Indians waren dabei nie nur passive Opfer, sondern stellten sich dem übermächtigen Staat sowohl friedlich als auch militant entgegen.  Schwer verdaulich, wie die Native Americans noch im 20. Jahrhundert entrechtet und diskriminiert wurden. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

Rezension - Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

  Ein herrlich spaßiger, spannender Kinderkrimi! Mit Papa und seiner neuen Flamme in die Berge zum Wandern oder zu Oma Lore. Keine Frage! Bei der fetzigen Lore ist es immer lustig. Jetzt sitzt Pia aber seit über einer Stunde auf dem Bahnhof, ohne dass Oma sie abgeholt hat. Sehr seltsam. Omas Haus ist nicht weit entfernt; und so macht sich Pia mit ihrem Rollkoffer auf den Weg. Niemand öffnet die Tür! Durch ein offenes Fenster gelangt sie hinein. Doch Oma bleibt verschwunden. Die Detektivarbeit beginnt … Ein Pageturner, ein Kinderroman, eine waschechte Heldenreise, ein rasanter Abenteuerroman und nervenkitzelnder Kinderkrimi ab 8-10 Jahren. Unbedingt lesen!  Weiter zur Rezension:   Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

Rezension - Young Agents: Operation «Boss» von Andreas Schlüter

Offiziell gibt es sie gar nicht. Jeder Insider würde ihre Existenz leugnen. Und doch leben sie unter uns: Die Young Agents, europäische, jugendliche Geheimagenten, ausgebildet an einer EU-Agentenschule, fast unsichtbar, denn wer achtet schon auf Kinder? Sie sind im Alter zwischen 11 und 14 Jahren, leben bei ihren Familien und gehen ganz normal zur Schule. Der zwölfjährige Billy, ein Agent aus Deutschland, ist der Icherzähler dieser Geschichte. Gleich am Anfang erklärt er, man soll sich das nicht so vorstellen wie bei 007, James Bond, denn wir befinden uns ja in der Realität. Aber genau das ist es letztendlich! Ein Plotaufbau nach James Bond, eine Heldenreise in drei Akten, beginnend mit einem nervenzerreißenden Intro, in dem der Agent hoher Gefahr ausgesetzt wird – sehr spannend geschrieben  – und mit Action pur geht es weiter, Seite für Seite. Ein Pagemaker zum Entspannen für Jugendliche ab 11 Jahren. Mir fehlte ein wenig Ruhe und Atmosphäre. Wer auf American-Hero-Storys steht, fü

Rezension - Unser Deutschlandmärchen von Dincer Gücyeter

  Eine türkische Familiengeschichte, die mit der Urgroßmutter und der Großmutter einleitend beginnt. Die nächste Generation wandert nach Deutschland aus – das gelobte Land, wo Milch und Honig fließt. Der Traum, den viele «Gastarbeiter» träumten: Arbeiten, viel Geld verdienen, nach Hause zurückkehren und ein Haus bauen. Und dann wurden aus den Gästen Einwohner. In Deutschland die Türken – in der Türkei die Deutschen – entwurzelt, nirgendwo wirklich zu Hause. Eine Familie, die sich bemüht hat, sich zu integrieren. Ein Zwiegespräch zwischen Sohn und Mutter – zwei völlig verschiedene Generationen, aber auch eine Abrechnung mit der deutschen Gesellschaft und eine mit dem Heimatland und dem Machismo, mit der Erniedrigung der Frauen. Ein hervorragender Gesellschaftsroman, ein Bildungsroman über Migration, Rassismus und Misogynie – meine Empfehlung! Weiter zur Rezension:     Unser Deutschlandmärchen von Dincer Gücyeter