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Berghau von Angelika Waldis - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Berghau 


von Angelika Waldis


Der Anfang:

Etwas stürzte ein.

Der Boden zitterte.

Amai griff nach Erwins Arm, der zitterte auch.

Sie blieben stehen. Auch das blonde Gras links und rechts des Wegs zitterte, zitterte wild. Und die Wacholderstauden und der alte Holzzaun. Nur am Himmel tat sich nichts. Der war blank und blau, straff zwischen die Felsen gespannt.

Sie standen und lauschten. Aus einem dumpfen Poltern wurde ein Dröhnen und Krachen, durchsetzt von giftigem Pfeifen, dann folgte ein rutschhaftes Rumpeln und ein Knallen wie Feuerwerk und dann Stille.


Der Boden zittert. Ein Grollen. Etwas stürzt ein. Aus einem dumpfen Poltern werden ein Dröhnen und Krachen, ein Rumpeln und Knallen. Dann: Stille. An einem strahlenden Montagmorgen im Juli ist durch einen Felssturz ein kleines Wandergebiet vom Rest der Welt abgeschnitten. Ein paar Wanderer sind hier unterwegs. Amai und Erwin flüchten zu einer sehr kleinen Schankwirtschaft, eine abgelegene Berghütte an der Seilbahn, die Wanderern Getränke und eine Brotzeit bietet. Der Wirt hat montags geschlossen, nimmt das Paar nur unwillig auf, er hat bereits zwei Japanerinnen hereingelassen, weil die eine schwere Verletzung am Bein abbekommen hat. Die Freundin vom Wirt drängt ihn, nicht herzlos zu sein. Direkt neben seinem Haus ist der Fels abgerutscht, hat die Hütte mit dem Vorrat und den Toiletten mit in den Abgrund genommen, die Pfeiler der Seilbahn sind abgeknickt. Eine Gruppe von zwei Männern und einer Frau trifft kurz danach ein, später ein junger Mann, der gerade seine zwei Freunde verloren hat, die direkt hinter ihm mit dem Berg in die Tiefe fielen.


Und das jetzt, der Berghau war kaputt, und das ganze Wandergebiet würde man wohl sperren. Sein Vater hatte ihn gewarnt. Sepp, vergiss den Blödsinn, die Nauenflanke rutscht seit Langem, hast ja gehört, was die Klimafritzen im Gemeindehaus verzapft haben.


Für zwei Tage und zwei Nächte sind unterschiedliche Menschen auf engstem Raum eingeschlossen. Der grüne Aktivist Erwin legt sich mit dem Klimaleugner Wolf an, der Wirt Sepp trägt eine innere Aggressivität in sich, die zu ständiger Unruhe führt. Arne liebt Lara, die davon nichts weiß, denn sie ist die Lebenspartnerin von seinem Freund Wolf. Bei Amai prickelt die Haut, wenn sie den archaischen Sepp ansieht, riecht. Und dessen Freundin hat innerlich bereits mit Sepp und diesem trostlosen Berg gekündigt. Sie haben nur das an Nahrungsmitteln zur Verfügung, was sich in ihren Rucksäcken befindet. Zu Trinken gibt es genug – nur kein Wasser. Sie müssen auf dem harten Boden schlafen. Weiß man unten, dass hier oben Leute abgeschnitten sind? Werden sie einen Hubschrauber schicken? Ein Abstieg ins Dorf scheint unmöglich, da der Weg abgerutscht ist – doch einer von ihnen wird es wagen. Wird es schaffen? 


Unterschiedliche Charaktere auf einem Haufen. Man kann hier nicht ewig ausharren ohne Nahrungsmittel – es ist Zeit zu handeln. So die einen. Man wird uns suchen und herkommen, so die anderen. Eine Situation, die nicht einfach ist, die Nerven blank legt und Aggression fördert. Man hätte mehr draus machen können … Die Profile der Protagonist:innen sind mir nicht gut genug ausgearbeitet, wabern an der Oberfläche mit viel Klischee. Männer, die sich die Hörner stoßen müssen, konkurrierende Frauen und die eine die auf das Kampfmännchen und seine Hormone steht. Und dieser Primitivling war früher einmal Metzger – was sonst. Kolonialistisch werden die Japanerinnen beschrieben: Zwei hilflose zwergwüchsige Frauen, die wie Kinder aussehen. Kommen in Straßenkleidung den Berg hoch (Sind das nicht die Chinesen? – Die Japaner sind eigentlich ein gut ausgerüstetes Wandervolk). Die eine wimmert, schreit wie am Spieß, nervt die anderen damit. Klar, sie hat einen schmerzhaften, komplizierten Beinbruch, fiebert. Und da ist niemand, der auch nur ansatzweise weiß, wie man mit einem Bruch umgeht? Drum lässt man das schreiende Etwas in der Ecke liegen, meckert, sie soll still sein. Die Asiatinnen werden für mich als dümmliche Tussis beschrieben. Was das Klima mit dem Bergrutsch zu tun hat, wird leider auch nur kurz angerissen. Da ging mir die Hutschnur hoch. Ja, es ist zu lesen das Buch, sprachlich auf jeden Fall. Und leider wird im Klappentext der Ausgang der Geschichte in Einzelheiten beschrieben, was ebenfalls die Spannung nimmt. Inhaltlich hatte mir der Roman zu wenig zu bieten, auch die Spannung war nur mäßig in den Konflikten gesetzt – insgesamt gutes Mittelmaß. 


Angelika Waldis, 1940 in Luzern geboren, hat einige Semester Anglistik und Germanistik an der Universität Zürich studiert. Der Titel ihrer ersten und letzten Seminararbeit: »Poetic diction in the eighteenth century«. Weil sie lieber über das Hier und Jetzt schreiben wollte, schlug sie eine journalistische Laufbahn ein. Zusammen mit ihrem Ehemann Otmar Bucher gründete sie die mehrfach ausgezeichnete Jugendzeitschrift Spick. Waldis schrieb für die Jugend und, wenn sie noch Zeit hatte, für die Schublade. Mit sechzig hörte sie mit der Zeitschrift auf - und schrieb endlich ihr erstes Buch. Ihre Romane und Kurzgeschichten für Erwachsene wurden mehrfach ausgezeichnet; »Ich komme mit« war 2019 das Lieblingsbuch des Deutschschweizer Buchhandels und erhielt den ZKB Schillerpreis 2019. Angelika Waldis hat einen Sohn, eine Tochter und drei Enkelkinder. Sie lebt in der Nähe von Zürich.



Angelika Waldis 
Berghau
Zeitgenössische Literatur, Schweizer Literatur
Hardcover, 176 Seiten
Atlantis Literatur; 1. Edition Verlag, 2023



Zeitgenössische Literatur

Hier verbirgt sich manche Perle der Literatur. Ich lese auch mal einen Bestseller, natürlich, aber mein Blick ruht  immer auf den kleinen Verlagen, auf den freien Verlagen. Sie trauen sich was - und diese Werke sind in der Regel besser als der Mainstream der meistgekauften Bücher …
Zeitgenössische Romane

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