Rezension
von Sabine Ibing
Alwina und Nelli
von Heribert Schulmeyer
Ein Kinderbilderbuch? Ja – auch. Dies ist eine gezeichnete Sommergeschichte, und wer etwas für Aquarellmalerei übrig hat, wird sich in dieses Buch verlieben. Das Bilderbuch beginnt und endet mit Skizzen: Ein Maler macht Urlaub am Meer und zeichnet, was er sieht. Daraus entsteht später ein Bilderbuch mit wundervollen Aquarellen. Nicht nur für Kinder. Alwina, von fülliger Gestalt, hat sich ein Zimmer mit Meeresblick bestellt. Im Hotel angekommen entschuldigt man sich: Zimmer ja, Meeresblick nein. Meeresblick muss sein, denkt Alwina und geht auf die Suche, landet bei Madame Coutard im Petersilienzimmer. Nelli ist wütend, denn ihre Eltern haben sie in den Ferien zur Tante geschickt, die sich nur um Feriengäste kümmert – keine Minute um Nelli. Zwei einsame Herzen begegnen sich morgens im Badezimmer und eine dicke Freundschaft wird sich entwickeln.
Die Bilder von Heribert Schulmeyer sind ausdrucksstark, berühren. Im impressionistischen Stil gezeichnet erinnern sie in der Farbgebung an Paul Cézanne, Claude Monet, Peder Severin Krøyer und Joaquin Sorolla y Bastida. Blau- und Grüntöne herrschen vor, Erddtöne. Eigentlich erzählen die Bilder die Geschichte ohne Worte, stecken voller Emotion, geben den Figuren Charakter, den Situationen Energie. Farbenprächtige Aquarelle lösen sofort Urlaubsstimmung beim Betrachten aus, man spürt die leichte Brise, das Wasser auf der Haut, hört das Plätschern der Wellen, Möwen kreischen. Die Zeichnungen sind wie ein Fotobuch angelegt, Schnappschüsse aus dem Urlaub. Die kurzen Textfragmente sind lediglich Zuckerwerk obendrauf. Die Texte stecken voller Selbstironie. Nelli kann schaukeln, Alwina, im mittleren Alter, hat daran kein Interesse mehr. »Dafür war Alwina gut im Wasser. ›Das kommt vom Fett‹, sagte sie.« Kinder hat sie nicht, weil sie noch nicht den richtigen Mann gefunden hat, erzählt sie Nelli, »schwierig für eine dicke Frau«. Nelli hat die Lösung parat: abnehmen. »Das ist noch schwieriger«, lautet die Antwort darauf. Die Beiden schwimmen, sammeln Muscheln, fahren mit den Boot, gehen in die Eisdiele. Sie haben viel Spaß miteinander. Doch irgendwann kommt der Abschied. Und der fällt schwer. Und mir fiel es schwer, mich von diesem Buch zu trennen! Ich werde es sicher noch zig Mal durchblättern.
Freundschaft ist immer möglich, auch wenn zwei Generationen dazwischenliegen. Man muss sich nur auf einander einlassen. Einiges unterscheidet, anderes hat man gemeinsam. Der Atlantis Verlag gibt eine Altersangabe von 4 - 6 Jahre an – soweit in Ordnung, aber Kunstliebhaber allen Alters werden von diesem Buch begeistert sein.
Heribert Schulmeyer geboren 1954, lebt in Köln und hat seit Jugendtagen Comics gezeichnet. Aber seine Vorliebe für einen klassisch feinen Strich und seine Lust, für alle Altersgruppen mit subtilem Humor zu zeichnen, führte immer mehr zu Anfragen von Kinderbuchverlagen. Er hat verspielte Kleinplastiken geschaffen und an Trickfilmen mitgezeichnet (u.a. für »Die Sendung mit der Maus«). Doch in den letzten Jahren hat er sich vor allem einen Namen gemacht mit Zeichnungen zu erfolgreichen Kinderbüchern.
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