Rezension
von Sabine Ibing
Abgefahren
von Dirk Pope
Der Anfang: Viorel ist lustlos, phlegmatisch und dick. Als seine Mutter eines Tages tot am Küchentisch sitzt, ist er starr vor Trauer.
Das Buch ist völlig abgefahren, durchgeknallt, der Titel berechtigt, denn auch der siebzehnjährige Viorel ist abgefahren, mit dem Opel Corsa seiner Mutter, die Verstorbene eingewickelt in einen Schlafsack im Kofferraum verstaut. Er will ihrem Wunsch entsprechen, sie in ihrer Heimat Rumänien begraben.
Viorel ist fett, einer der nur herumliegt und frisst, nichts zustande bringt. Sogar nach drei Fahrstunden war es ihm zu anstrengend den Führerschein zu machen. Eines Tages sitzt die Mutter tot am Küchentisch, einfach ohne Ankündigung aus dem Leben gegangen. Wie soll der Junge ohne sie sein Leben meistern? In seiner Trauer packt er die Mutter kurzerhand in den Kofferraum, 300 Euro finden sich im Haus, die er einsteckt, das muss reichen. Ohne Führerschein, ohne Ausweis (den Reisepass von der Mutter hat er dabei), Adresse vom Onkel in der Tasche, ein wenig hat er Angst, erwischt zu werden. Das Roadmovie beginnt. Rumänien, Transsylvanien, Vampire, Autoräuberbanden, zwielichte Typen, Ceausescus Militär, wer weiß, was dort im fremden Land auf ihn lauert. Er muss nur durchkommen bis zum Onkel, der wird weiterhelfen. Zwischendurch nimmt er einen Anhalter auf, der sich beschwert, weil es im Auto stinkt. Die Mutter - der Mann verständnisvoll - dann ist ja gut. Ein Mann, der selbst wie ein Vampir aussieht, von Untoten redet, der auch Abhilfe gegen den Geruch weiß: Man stopfe dem Toten Watte in den Hals, der Geruch kommt aus dem Mund. Viorel nimmt seinen Socken, das tut es auch. Dummerweise stirbt später auch der Anhalter, ein Unglück. Zwei Leichen im Auto. Aber das ist noch lange nicht alles …
Soll er die Blutung stoppen? Wie? Und wozu? Viorel erscheint es wenig sinnvoll, das Loch im Brustbereich zu versorgen, damit es auf der anderen Seite weiter herausfließt. Doch das Blut wird weniger. Es versiegt.
Noch ein Unglück – der Onkel ist längst verstorben. Nun geht es von Transsylvanien weiter ans Schwarze Meer, zum Geburtsort der Mutter. In diesem fremden Land sind die Menschen erstaunlich nett und hilfsbereit, verlangen nicht mal Geld dafür (herrlich …), dem Land von Virorels Vorfahren, dass er so gar nicht kennt. Und kein Mensch schert sich drum, wie er aussieht.
Bis weit hinter den Horizont zeigt sich die grenzenlose Einfallslosigkeit der Natur. Es ist die Region der Abwechslungsarmut, Auffangbecken des visuellen Stumpfsinns.
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