Direkt zum Hauptbereich

Wer denkt sich die Wörter aus? von Brigitte Schniggenfittig, Jörg Wagner und Dieter Gilfert - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Wer denkt sich die Wörter aus? 


von Brigitte Schniggenfittig, Jörg Wagner und Dieter Gilfert 


Um zu kommunizieren, benutzt der Mensch seine Fähigkeit zu sprechen. Aus Lauten entstanden Wörter. Ein Wort ist eine genaue Bezeichnung für ein Ding, eine Tätigkeit usw. Die Sprache ist das Instrument der menschlichen Verständigung. Aber wer denkt sich diese Begriffe aus? Was machen wir mit Sprache? Und was macht sie mit uns? Warum verändert sich Sprache? Und wozu ist Grammatik gut? Auf diese und andere Fragen gibt das Kindersachbuch erste Antworten: Wer bestimmt, was die Wörter bedeuten? Warum sterben manche von ihnen aus oder wechseln den Sinngehalt? Gibt es eigentlich für alles ein Wort?










Aus Lauten werden Wörter, die in einer bestimmten Ordnung stehen; aus nur 40 Lauten. Aus Wörtern entstehen Sätze. Wichtige Wörter und Beispiele werden im Text in blauen Buchstaben gedruckt, Fachwörter in Grün, Bedeutungen in Rot. An der Seite gibt es Verweise: + eine zusätzliche Info, # für den Hinweis auf einen literarischen Text, & für Anregungen, Raten, Ausprobieren, eine Schleife für Verweise im Buch. Auf jeder der textreichen Seite finden wir somit eine Menge Zusatzinformation. Alles beginnt mit Lauten, fünf Laute: A-E-D-L-N, aus denen sich Wörter bauen lassen. Aus einem Wort lassen sich grammatikalisch andere Wörter ableiten. Fisch: fischen, Fischer, Fischerin.


Deutsch ist, wenn es knackt und blökt.


Wir landen bei den Lautmalereien, Wörter, die Geräusche definieren. Eine Sprache setzt sich aus Lauten zusammen und wir erfahren, dass Deutsch in fremden Ohren hart und kompliziert klingt. Selbstlaute, Mitlaute, Knacklaute werden erklärt. Aber wer denkt sich die Wörter aus? Ein neues Ding, eine neues Wort – oder eine Schriftstellerin, die Pippi das Wort «Spunk» erfinden lässt. Ein neues Wort ist gefunden. Nur wird es sich durchsetzen, ins Wörterbuch Einzug finden? Irgendwann im Laufe der Geschichte sagt ein Mensch etwas zu einem Ding und die Gemeinschaft einigt sich, dieses Wort zu benützen. Ein Ding oder Verb kann viele Wörter implizieren. Ein Pferd kann man auch Gaul nennen, einen Hund auch Köter. Bloß die zweite Bezeichnung hat eine eher abwertende Bedeutung. Kindlich und kindisch haben im Grunde einen ähnlichen Tenor, doch differenziert ist das Letztere eine abschätziger Sinngehalt. Es gibt Dinge, für die haben wir keine Worte. Und andere Wörter wechseln in der Geschichte ihre Bedeutung. Denn Sprache ist lebendig, entwickelt sich weiter fort. Und darum fallen auch manche Wörter irgendwann unter den Tisch. Hier ist als Beispiel die Magenschaft genannt (direkte Verwandte) – ich kannte das Wort nicht. Vaters Verwandte nannte man Schwermagen, die der Mutter Kunkelmagen; Oheim und Muhme sind vielleicht manchem aus Märchen im Gedächtnis. Hier geht es noch sehr detailliert in alte Stammbücher hinein. Ein Kapitel, das sicher bessere Beispiele hergegeben hätte. Es gibt Wörter, die haben mehrere Bedeutsamkeiten, wie der Hahn. Einige werden gleich gesprochen, werden aber nach je Bedeutung anders geschrieben, Esche und Äsche, oder sich wechseln das Geschlecht: der Tau, das Tau; oder wir sprechen sie mit unterschiedlicher Betonung: umfahren. Für Begriffe gibt es oft mehrer Namen, was auch regional bedingt sein kann oder man verhüllt sie durch Umschreibungen, weil sie unangenehm sind. Wörter, die man nach dem Erfinder des Gegenstands benennt, das Röntgengerät z.B. Und woher stammen die Nachnamen und Ortsnamen? Klar, den Schimpfwörtern ist auch ein Kapitel gewidmet. Wörter gehen auf Wanderschaft – die Adaption von Begriffen aus Fremdsprachen. Die Gurke ist ein Wanderbursche. Sie wanderte vom Altpersischen ins Griechische, von dort ins Polnische, wo sie als «ogurek» schon Ähnlichkeit mit dem Wort Gurke bekam, das vor 500 Jahren bei uns einwanderte. Aber auch deutsche Wörter fassen im Ausland Fuß. 



Zwischen den Kapiteln werden Sprachspiele angeboten. Dies Buch soll Kinder für Sprache sensibilisieren, aber auch unterhaltsam sein. Dieses Sachbuch hat einen hohen intellektuellen Anspruch, theoretisiert mir an manchen Stellen ein wenig. Der unterhaltende Faktor ist mir für ein Kinderbuch ein wenig kurz gekommen, trotz der eingestreuten Spiele. Ein Buch, das man nicht in einem Rutsch lesen wird, das viel Information über Sprache gibt und ziemlich textlastig ist. Aufgelockert wird das Ganze durch kleine Grafiken von Dieter Gilfert. Es ist kein Sachbuch für jedes Kind, man muss schon Interesse für Sprache mitbringen. Was mir fehlt, sind Kapitel zu Jugendsprache und Denglisch, eben Sprache, mit der Kinder leben. Der Mirabilis Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 10 Jahren. Dem würde ich nur bedingt zustimmen, eher ab 12 Jahre hochstufen auf Grund der Textlastigkeit der Sachtexte, inklusive dem Anspruch, der Trockenheit der Präsentation. Interessant ist das Kinderbuch mit Sicherheit für Deutschlehrer. Grundsätzlich gefällt mir das Buch, aber in der Tiefe ist es mir zu vollgestopft, zu theoretisch. Hörbeispiele zum Buch und weiterführende Informationen, Anregungen und Spiele gibt es unter www.sprachfutter.de. Zudem sind zwei Folgebände bereits in Planung!



Brigitte Schniggenfittig, geb. 1960, studierte Sprach- und Übersetzungswissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Sie arbeitet als Dolmetscherin und Übersetzerin und lehrt seit 1985 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zur deutschen und zur polnischen Sprache.

Dr. Jörg Wagner, geb. 1965, absolvierte ein Lehrer-Studium für die Fächer Deutsch und Englisch an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Im Anschluss promovierte er in Angewandter Sprachwissenschaft. Seit 1993 lehrt er Sprachwissenschaft am Germanistischen Institut der Universität Halle.

Dieter Gilfert, geb. 1953 in Landsberg/Saalkreis, studierte Malerei und Grafik an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein (heute: Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle). Von 1976 bis 1978 war er künstlerischer Mitarbeiter am Institut für Architekturemaille Burg Giebichenstein, seit 1978 arbeitet er freischaffend als Maler und Grafiker in Halle (Saale).



Brigitte Schniggenfittig, Jörg Wagner, Dieter Gilfert 
Wer denkt sich die Wörter aus?
Kindersachbuch, Schul- & Bildungsmaterial, Deutsch, Grammatik,  Semantik
Gebunden, 112 Seiten, 20 x 24.9 cm
Mirabilis Verlag, 2021
Lesealter: ab 10 Jahre und älter





Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Das Nest von Sophie Morton-Thomas

  Ein Küstenort in Großbritannien, wo das Marschland auf den Ozean trifft, wo Vögel die bessere Gesellschaft sind, lebt Fran eine ereignislose Routine. Sich um den Campingplatz kümmern, der mit Mobilheimen ausgestattet ist, ihren Sohn von der Schule abholen, Abendessen kochen. Mit Dom, ihrem Mann, läuft es nicht mehr so, ihre Schwester lebt mit ihrer Familie in einem Wagen, zahlt keine Miete, dem Schwager hatte sie den Entzug finanziert und jetzt trinkt er wieder, hat keine Arbeit. Freude findet Fran nur an den verschiedenen Vogelarten, die sie am Strand beobachten kann; sie hat auch ein Häuschen zur Beobachtung finanziert. Und nun entdeckt sie ein Nest mit einer seltenen Vogelart, hofft, dass die Jungen ausschlüpfen werden. Und verschwindet die Lehrerin … Ein leiser Thriller. Weiter zur Rezension:    Das Nest von Sophie Morton-Thomashttps

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Rezension - Dunkle Sühne von Karin Slaughter

  Gesprochen von NinaPetri  Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 19 Stunden und 55 Minuten  Willkommen in North Falls - einer kleinen Stadt, in der jeder jeden kennt. Das glauben zumindest alle. Bis zum großen Feuerwerk am 4. Juli . Als in dieser Nacht zwei Teenager-Mädchen verschwinden, ist die Stadt in Aufruhr. Für Deputy Emmy Clifton wird der Fall zur Bewährungsprobe – beruflich und persönlich, ihr Vater ist der Sheriff der Kleinstadt. Eines der vermissten Mädchen ist die Tochter ihrer besten Freundin, und Emmy weiß, dass sie sie nach Hause bringen muss, um eine alte Schuld zu begleichen. Doch je tiefer Emmy in die Ermittlungen eintaucht, desto stärker wird ihr bewusst, dass hinter den vertrauten Gesichtern der Kleinstadt dunkle Abgründe lauern. Ein klasse Auftakt für eine Serie,  Copkrimi , Whodunnit , ein düsterer, stimmungsvoller literarischer Krimi aus den ländlichen Südstaaten, gut aufgebaute Charaktere, toxische Männlichkeit , Spannung, Familiendramen, Wendun...

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Interview mit Christina Clemm von Sabine Ibing

  © Sibylle Baier, Antje Kunstmann Verlag Christina Clemm arbeitet als Strafverteidigerin und als Nebenklagevertreterin von Opfern sexualisierter und rassistisch motivierter Gewalt. Deutschlands bekannteste Fachanwältin für Straf- und Familienrecht in Berlin und war Mitglied der Expertenkommission zur Reform des Sexualstrafrechts des BMJV, Aktivistin und politisch aktiv für Geflüchtete und von Gewalt Betroffene. Nach den neuesten Zahlen des BKA ist jede dritte Frau in Deutschland von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. In ihrem Buch «AktenEinsicht – Geschichten von Frauen und Gewalt» nimmt sie uns mit auf eine Reise in die Gerichtssäle der Republik, an die Tatorte, in die Tatgeschehen. Mit  «Gegen Frauenhass» zeigt sie die Mechanismen patriarchaler Gewalt und fordert, dass sich endlich etwas ändert. Hier mein Interview mit Christina Clemm. Weiter:   Interview mit Christina Clemm von Sabine Ibing

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck  

Rezension - A GOOD GIRL’S GUIDE TO MURDER von Holly Jackson

Ein überraschend guter Jugendkrimi ab 14 Jahren! Für ein Schulprojekt will Pippa, genannt Pip, den Vermisstenfall «Andie Bell» rekonstruieren, wobei sie die Bedeutung der Printmedien und Social Media untersuchen will. Andie Bell war fünf Jahre zuvor in einer Nacht verschwunden. Ihr Freund Sal Singh wurde verdächtigt, denn es gabt einige Spuren, die zu ihm führten, die Medien fuhren sich auf ihn ein. Sal Singh hatt kurz darauf Suizid begonnen, sich an einem Baum aufgehängt. Für den gesamten kleinen Ort und für die Polizei war die Sache klar: Andie ist ermordet worden, Sal bringt sich um und gesteht somit den Mord. Pip will genau wissen, was damals geschah. Weiter zur Rezension:  A GOOD GIRL’S GUIDE TO MURDER von Holly Jackson

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri