Direkt zum Hauptbereich

Toskana in meiner Küche von Cettina Vicenzino - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Toskana in meiner Küche 


von Cettina Vicenzino



Die Toskana ist eine der schönsten und damit liebsten Urlaubsregionen in Italien – zumindest aus unserer Sicht hier nördlich der Alpen. Als waschechte Sizilianierin war Cettina Vicenzino diese Liebe und Faszination für eine Region immer etwas unbegreiflich. Nun begibt sie sich selbst auf Spurensuche und erkundet, warum die Toskana als (kulinarische) Reisedestination schlechthin gilt. Sie fragt sich dabei: Was ist wirklich toskanisch, was bedeutet es, ein echter Toskaner, eine echte Toskanerin zu sein? Und was wird eigentlich wirklich in der Toskana gekocht und gegessen?




Aber die Autorin hat nicht nur Rezepte mitgebracht – wobei sie Wert darauf legt, dass dies Werk als Lesebuch zu werten ist, weil man Rezepte besser «mit dem Zusammenhang der restlichen Buchseiten versteht». Und die Rezepte verstehen sich nicht grundsätzlich traditionell – nämlich ohne Kindheitserinnerung – ein Spaziergang durch die Küchen der heutigen Toskana. Gerichte, die man hier und dort ähnlich gegessen hat, nachgekocht, ein wenig variiert, Originalrezepte, die die Autorin erhalten hat. Es ist ein Spiegel der heutigen Toskana. Dazu präsentiert sie uns spannende Geschichten und Porträts interessanter Menschen von Köch*innen, einer Winzerin, bis hin zum Eismann, Fotos mit Eindrücken zu Land und Menschen, Tradition. 70 Rezepte umrundet von Wissenswertem, Kuriosem und Humorigem. Wer hat das Tiramisu erfunden? Als Tipp: die «zuppa inglese» spielte dabei eine Rolle ... Klassiker wie Panzanella; Aqua cotta; Pappardelle; Gnudi toscani, die Spinat-Ricotta-Knödel; Bohneneintopf mit Salsiccia und Mangold; Schiacciata all´olio, ein toskanisches Fladenbrot mit Olivenöl; oder Bistecca alla Fiorentina; Pici mit Knoblauch-Tomatensauce; – aber auch weniger Bekanntes wie Kastanienküchlein mit süßsauren roten Zwiebeln; «Tonno del Chianti», sozusagen ein Fake-Thunfisch, nämlich eine gekochte, in Öl eingelegte Schweinekeule. Ein wiederentdecktes Rezept aus der Zeit, als es noch keinen Kühlschrank gab und das Fleisch konserviert werden musste.



Kaum ein Gericht kommt in der Toskana ohne Brot und Tomaten aus.



Gleich zu Anfang präsentiert uns die Autorin es einige Brot- und Crostinirezepte: Crostini mit Bohnen, Lardo und Salbei; Crostini mit Artischocken-Ziegenkäsecreme und Steinpilzen. Und weil das Brot nur einmal wöchentlich gebacken wurde, gibt es eine Menge Rezepte, in denen Brot, je nach Trockenheitsgrad, verwendet wurde. Brot und diverse Fladen, nicht die Pasta ist der Klassiker! Auch in der Toskana herrscht das sogenannte Arme-Leute-Essen vor. Die Polpete in Tomatensoße werden aus altbackenem Brot, Pecorino, Eiern und eingelegten Tomaten hergestellt, eine andere aus Canelli-Bohnen und Emmerkörnern. Zum «Testaroli con Spezzationo di Cinghiale», Wildschweingulasch, gibt es Testaroli, kleine Fladen, ein Rezept aus Lunigiana, die man verfeinert auch als Antipasti servieren kann. Toskanisches Fladenbrot mit Olivenöl oder süßes Traubenbrot mit Rosmarin, es gibt interessante Brotrezepte. Es folgen Tomatenrezepte. Auch Bohnen gehören zu den Grundnahrungsmitteln: Suppen, Antipasti und leckere Kichererbsenfladen. Valeria, eine Sterneköchin kommt hier zu Wort. Später erfahren wir etwas über Monica, eine Schäferin, die bei Luca Produkte aus Schafs- und Ziegenmilch herstellt. Emmer, eine der ältesten Getreidesorten, wird auch Zweikorn genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Weizen. In der Toskana wird mit dem Mehl viel gebacken, aber auch in Eintöpfen sind Emmerkörner als sättigende Einlage willkommen. Es gibt eine Menge fleischlose Rezepte!



Scarpaccia, übersetzt, alter, zertretener Schuh, ist ein Ofenpfannkuchen, der aus Zucchini, Mehl, Milch und Eiern hergestellt wird; ein bäurisches Gericht aus dem Raum Lucca, das man salzig wie süß zubereiten kann. Das Ganze wird im Ofen gebacken und ist ein wunderbar leichtes Essen. Pasta ist rar in der Toskana, ein wenig Spaghetti, traditionell Pici, Strigoli und Pappardelle, die Käse-Tortelli mit Ricotta-Pecorino-Füllung will man gleich ausprobieren. Die Herstellung der Pici per Hand, man könnte sie als dicke Spaghetti bezeichnen, ist eine aufwendige Sache, wie man sieht. Und wir erfahren, es ist eine Traditionsnudel aus dem Raum Siena, die bis zu den Etruskern zurückführt. Es gibt natürlich auch Fischgerichte, Fischeintopf aus Livorno; Tintenfisch in Gemüsesauce; Klippfisch in Sesamkruste und am Ende etwas Süßes: Vanille-Eis mit Safran, Orange und Pinienkernen; Torta della Nonna; Tiramisu (das Original) mit Vin-Santo-Creme und Cantucci. Alles in allem ist dieses Buch, ich will es nicht Kochbuch nennen, sehr lesenswert. Denn neben den Rezepten gibt es eine Menge Erstaunliches und Wissenswertes zu erfahren, das sehr humorvoll präsentiert. Cettina Vicenzino macht keinen Hehl daraus, dass sie die Verehrung der Toskana skeptisch betrachtet, sie forscht, probiert aus, geht den Dingen auf den Grund. Genau das, dieser kleine Sarkasmus, macht das Buch so liebenswert. Einfache Gerichte – doch so geschmackvoll. Weniger ist oft eben mehr. Neben den Rezepten gibt es Fotos dieser Toskanareise von Land und Leuten. Absolut empfehlenswert! Zum Ende gibt es ein Register nach Hauptzutaten gegliedert und eine Adressenliste.



Cettina Vicenzino ist eine renommierte italienische Kochbuchautorin. Ihre Eltern betrieben ein italienisches Restaurant, in dem sie von klein auf mit in der Küche stand. Sie gilt als Expertin für die italienische Küche und ist bekannt dafür, Rezepte mit kulturhistorischen Zusammenhängen zu erklären. Ihre Kenntnisse hat sie auf zahlreichen Reisen durch alle Regionen Italiens angesammelt. Für ihr Buch «ITALIA» erhielt sie als Erstplatzierte den ‹Gourmand World Cookbook Award› als bestes italienisches Kochbuch der Welt. Heute arbeitet sie als Kochbuchautorin, Fotografin, Rezeptentwicklerin und Foodstylistin.


Cettina Vicenzino 
Toskana in meiner Küche
Kochbuch, Toskana, Reiseliteratur, Sachbuch, Italien, Kulinarisches, Rezepte
Fester Einband mit Farbschnitt und Lesebändchen, 240 Seiten, über 350 farbige Fotos, 189 x 246 mm: Dorling Kindersley Verlag, 2021


Kulinarische Bücher 

Kochbücher, Backbücher und alles rund um Lebensmittel findet sich kompakt auf dieser Seite. Auch Genussromane, soweit ich welche lese. Schleckermäulchen also hierher klicken:

Sachbücher

Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.
Sachbücher

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Das Totenschiff von B. Traven

  Gesprochen von: Nicolas Batthyany Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 10 Std. und 57 Min. Der amerikanische Seemann Gales verpasst in den Kneipen Antwerpens nach einer Liebesnacht sein Schiff, auf dem sich sein einziges Identitätsdokument, seine Seemannskarte, befindet – und er ist pleite; seine Heuer befindet sich an Bord. Die niederländische Polizei greift ihn auf und müsste ihn eigentlich für Jahre einsperren. Doch sie schieben ihn über die Grenze zu den Belgiern ab. Eine Abschiebe-Odyssee beginnt. Ohne Seemannskarte darf ihn kein Schiff anheuern. Doch es gibt Skipper von Schmugglerschiffen, denen ist das egal, weil sie dringend Personal suchen. Man nennt sie Totenschiffe … Ein spannender Abenteuerroman mit Gesellschaftskritik – ein Klassiker, den es sich lohnt zu lesen. Weiter zur Rezension:    Das Totenschiff von B. Traven 

Rezension - Vielleicht von Kobi Yamada und Gabriella Barouch

Die Welt steht derzeit ein wenig still. Zeit zum Reden mit der ganzen Familie. Zunächst wundert man sich, ein Bilderbuch für Kinder von 4 - 8 Jahren, sehr textreduziert. Aber es ist kein Buch zum Vorlesen, sondern eins zum miteinander reden, eins, über sich selbst nachzudenken. Wer bin ich und was kann ich, was sind meine Stärken, was werde ich später einmal machen? Jeder Mensch ist einzigartig und jeder Mensch besitzt besondere Fähigkeiten. Um selbst reflektieren zu können, braucht es eine gewisse Reife. «Vielleicht werde ich einmal etwas erfinden!» Was könnte man erfinden? «Vielleicht werde ich einmal Leute begeistern!» Der Fantasie ist freien Lauf gesetzt. Ausprobieren, scheitern lernen, weitermachen. Ein feines Buch zur Stärkung von Selbstbewusstsein. Weiter zur Rezension:    Vielleicht von Kobi Yamada und Gabriella Barouch

Rezension - WAS IST WAS Dinosaurier und andere Urzeittiere von Dr. Manfred Baur

  Dieses Sachkinderbuch mit großen Illustrationen liefert alle wichtigen und spannenden Fakten rund um Dinosaurier und andere Urzeittiere. Wie konnten die Dinosaurier, Meeressaurier und Flugsaurier zu so vielfältigen Tiergruppen werden und das Erdmittelalter beherrschen? Das Buch beschäftigt sich mit den Anfängen der Dinosaurier und legt den Schwerpunkt auf das Mesozoikum, also die Zeitspanne von Trias bis Kreide. Ein feines, umfangreiches Kinderbuch ab 8 Jahren für Dinofans. Weiter zur Rezension:    WAS IST WAS Dinosaurier und andere Urzeittiere von Dr. Manfred Baur 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Die wichtigsten Kinder- und Jugendpreise in 2023

Die wichtigsten Kinder- und Jugendpreise in 2023   Fast komplett! Die meisten Preise für dieses Jahr sind vergeben. Jedes Jahr erscheinen ca. 8.000 Titel auf dem deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchmarkt. Wir würden gern alle Bücher lesen ... In den Massen geht manches Juwel unter, leider.  Die Jugendbuchpreise helfen uns, die Perlen herauszufischen. Es gibt eine  Menge Auszeichnungen, auch Monatspreise, zu viel, um alles aufzuzählen. Für mich sind dies die wichtigsten Preise und damit Jahresgewinner!  Deutscher Jugendliteraturpreis, IBBY Honour List, Hans-Christian-Andersen-Preis, Josef Guggenmos-Preis, James Krüss Preis für internationale Kinder- und Jugendliteratur, Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher, Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis, Kinder- und Jugendbuchpreis Österreich, Serafina-Preis, Deutscher Kinderbuchpreis usw. Weiter zu den Preisen:  Die wichtigsten Kinder- und Jugendpreise in 2023

Rezension - Das geheime Leben der Bäume von Peter Wohlleben, Benjamin Flao, Fred Bernard

  Der Weltbesteller, der den Blick auf die Bäume verändert hat, gibt es jetzt als Graphic Novel. Peter Wohlleben hat sich lange und intensiv mit Bäumen beschäftigt, sie erforscht. Und sein wundervolles erzählendes Sachbuch über Bäume wurde zum Bestseller. Der Förster hat sie beobachtet und analysiert, sich alles Wissen über Bäume angeeignet – uns Lesern sein Wissen in empathischer Weise weitergegeben. Neue Perspektiven und Hintergründe haben uns den Baum nähergebracht. In diesem Comic gibt es eine andere Perspektive – die Gezeichnete. Inhaltlich ist alles das enthalten, was das erzählende Sachbuch ausmacht. Hervorragend! Weiter zur Rezension:    Das geheime Leben der Bäume von Peter Wohlleben, Benjamin Flao, Fred Bernard

Rezension - Meine geniale Freundin von Chiara Lagani und Mara Cerri nach Elena Ferrante

Die Neapolitanische Saga Band 1 Ein moderner Klassiker als Graphic Novel umgesetzt – ich war gespannt, da Elena Ferrante sehr ausführlich in ihrer Tetralogie nicht nur die Freundschaft zwischen Elena und Lila beschreibt, sondern gleichzeitig ein Sittengemälde der Zeit wiedergibt, soziale und politische Strukturen aufnimmt, die Übernahme der Camorra in Neapel beschreibt. Wenn ich das zusammenziehe, ist der Comic missglückt. Denn der bezieht sich wirklich nur auf einen wesentlichen Kern: auf die Beziehung zwischen Elena und Lila, zwei Lebensläufe, die gemeinsam beginnen, aber auseinanderdriften. Zeichnerisch ist das Buch sehr gelungen.  Weiter zur Rezension:    Meine geniale Freundin von Chiara Lagani und Mara Cerri nach Elena Ferrante

Rezension - Der junge Falke von Sabine Ebert

  Schwert und Krone 2 Gesprochen von Gabriele Blum Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 17 Std. und 11 Min. Das große Friedrich-Barbarossa-Epos – Teil zwei: Anfang 1147 sorgen Hungersnot und Weltuntergangspropheten in deutschen Landen für Verzweiflung. Unter König Konrad ziehen Zehntausende ins Heilige Land, während die östlichen Fürsten planen, mit ihrem Wendenkreuzzug gegen die Slawen Gebiete an Elbe, Havel und Küste zu erobern. Sehr genau recherchiert schildert Sabine Ebert diese Zeit. Streit und Geschacher um Titel und Ländereien, plötzliche Todesfälle. Männer, die nichts anderes als Krieg im Kopf haben, Frauen, die allein zu Hause mit Missernten und Angriffen auf ihre Burg fertig werden müssen. Weiter zur Rezension:    Der junge Falke von Sabine Ebert

Rezension - Konratt - Held der Unterwelt - Eine gefährliche Nacht von Sibylle Rieckhoff, Elli Bruder

  Ratte Konratt hat Hunger. So treibt es ihn aus der Unterwelt der Kanäle nach oben. An dieser Stelle ist die Unterwelt passé. Eine Enttäuschung für mich, denn der Titel versprach etwas vom «Held der Unterwelt», die in diesem Kinderbuch gar nicht vorkommt. Gleich findet er einen Wurstzipfel und rettet Katze Fee vor einem Hund. Sie sind nun auf dem Weg zum Hafen, um ein Fischfilet zu finden, und immer mehr Tiere schließen sich an. Eine nette Kettengeschichte zum Vorlesen, für Erstleser zum Selbstlesen. An dieser Stelle hört für mich die Bewertung fast schon auf. Ab 5 / 6 Jahren Weiter zur Rezension:   Rezension - Konratt - Held der Unterwelt - Eine gefährliche Nacht von Sibylle Rieckhoff, Elli Bruder