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Tödliche Intrigen auf Teneriffa von Flores & Santana - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Tödliche Intrigen auf Teneriffa von Flores & Santana 


Der mittelgroße, etwas untersetzte, fünfundfünfzigjährige Mann mit den kurzen graumelierten Haaren wirkte genervt. Verärgert stopfte er im Gehen sein weißes Kurzarmhemd in die dunkelblaue Hose.

Die Buchhändlerin Naira Calderón und der Journalist Ben Rodriguez reisen nach Teneriffa, da Ben, dessen Hobby die Geschichte der Guanchen ist, ein möglicherweise antikes Manuskript angeboten wurde. Erweist es sich als echt, wäre das ein phänomenaler Fund. Der Junge, der das Papier offerierte, wurde im Hafen erschossen. Was hat sein exzentrischer Onkel damit zu tun, der etwas in seinem Antiquariat zu verbergen scheint? Ben begibt sich auf die Suche nach dem uralten Buch, das über eine Begegnung zwischen Mauren und Guanchen berichtet. 


Touristische Tour mit viel Essen

Sie gingen gemütlich die Calle San Augustín bis zur Plaza del Adelantado entlang und bogen dann in die Calle Obispo Rey Redondo ein, eine belebte Straße mit vielen Geschäften, Restaurants und einer charmanten Architektur. Sie führte direkt zur Iglesia de la Concepcíon.

Gleich vorweg, sprachlich ist in diesem Roman sehr viel Luft nach oben. Mich haben die adjektivgesättigten Sätze teils genervt, stilistische Fehler, Ausdrucksfehler, ungelenke Schachtelsätze und viele Wiederholungen. Ich hatte einen Krimi erwartet – und nachdem der Junge auf den ersten Seiten erschossen wird, einen Whodunnit. Letztendlich interessiert sich das Duo nicht für den Mord, ist nur an dem alten Buch interessiert, am Essen und touristischen Herumreisen auf der Insel. Beide wohnen auf der Nachbarinsel La Palma, kennen sich auf Teneriffa aus und Naira hat hier lange gelebt. Daher ist es merkwürdig, dass sie herumfahren und sich touristische Höhepunkte ansehen, wie z.B. den Drachenbaum in Garachico (eigentlich nichts Besonderes, denn die stehen überall in Spanien herum, auch größere Exemplare). Teneriffa hätte auch für Einheimische interessante Stätten, die man immer wieder aufsuchen würde, aber garantiert nicht die genannten touristischen Highlights. Die beiden haben sich ein Apartment für den Aufenthalt gemietet, so weit so gut. Dann gehen sie die auf den Tagesmarkt Mercado de Nuestra Señora de África und kaufen sehr viel Lebensmittel ein, eine Auswahl an Pasta. Danach gehen sie essen, gehen am nächsten Tag wieder zum Markt, um Lebensmittel zu kaufen. Man fragt sich, wo das ganze Zeug vom Vortag geblieben ist. Eine Auswahl an Pasta … und die isst man auf einmal auf? Der Tagesmarkt (einer, den es in jeder Stadt gibt) wird ausgiebig mehrfach beschrieben, muss das in einen Krimi? 


Eine Menge Ungereimtheiten

Nach einer touristischen Rundreise über die Insel und vielen Schleckereien wird das Buch zum Ende endlich spannend. Allerdings ist die Geschichte recht abstrus. Was hier passiert ist unlogisch und unglaubwürdig – ich will hier nicht spoilern. Dem Krimi fehlt absolut das Lebensgefühl von Teneriffa, die Protagonisten wirken nicht wie Spanier, schon gar nicht wie Canarios. Die Handlung ist in die Karnevalszeit gelegt – der findet aber irgendwo statt. Gerade der Carnival ist hier speziell, hätte gut als Thema dienen können mit seinen Eigenarten. Die Guanchen … die Ureinwohner, um die geht das Manuskript, das Ben sucht. Spätestens da hätte ich erwartet, etwas über sie zu erfahren! Ben sammelt Guanchenliteratur. Nur ist nicht bekannt, ob sie eine Schrift hatten – wahrscheinlich nicht. Was gemeint ist, antike Bücher, die über Begegnungen mit Guanchen berichten – denn auch davon gibt es wenig. Ich fragte mich auch, wenn dies von einem maurischen Autor geschrieben ist, weshalb hier nicht von arabischen Schriftzeichen die Rede ist. So gibt es viele Ungereimtheiten. Auch die Einbindung der Guanchen wurde verpasst, um Atmosphäre in das Buch zu setzen.  Es gibt eine Menge Eigennamen, die nicht erklärt werden; ein Glossar fehlt auf jeden Fall. Wenigstens hätten kanarische Gerichte Einzug halten können – aber hier ernährt man sich mit Variationen von Pasta. Zum Lebenslauf der Autor:innen wird bemerkt: «Beide lieben die Kanaren und verbringen jedes Jahr mehrere Wochen auf den Inseln.» Genauso klingt der Roman: touristisches Abklappern ohne echten Kontakt zu Bevölkerung und wirklichen Probleme der Inseln, kein authentisches Gefühl für die Kanaren.


Hinter Flores & Santana verbergen sich Rotraut Schöberl und Erwin Riedesser, die 1994 gemeinsam die Kultbuchhandlung Leporello in Wien gegründet haben - ein Projekt, das nach 30 Jahren von den beiden beendet wurde, um sich dem Schreiben zu widmen. Im Österreichischen Frühstücksfernsehen Café Puls gibt Rotraut Schöberl außerdem Buchtipps. Erwin Riedesser war viele Jahre Juryvorsitzender des renommierten Leo-Perutz-Krimipreises. Beide lieben die Kanaren und verbringen jedes Jahr mehrere Wochen auf den Inseln.




Flores & Santana 
Tödliche Intrigen auf Teneriffa 
Naira Calderon und Journalist Ben Rodriguez
Krimi, Kriminalroman, Kriminalliteratur, Teneriffa, Kanaren, Spanien
Broschiert, 225 Seiten 
Ullstein, 2024






Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller




Teneriffa-Literatur


So forsch, so furchtlos von Andrea Abreu

Die Sommerferien haben begonnen, und für Isora und ihre Freundin, die in einem Dorf oberhalb von Icod de los Vinos auf Teneriffa wohnen, beginnt Anfang der 2000-er Jahre eine langweilige Zeit. Ihr Traum ist es, einmal am Strand von San Marcos zu liegen. Hier oben, im Reich der Passatwolken, die vor dem Teide festkleben, oberhalb des Höhlenkomplexes Cueva del Viento, können sie die Küste meistens nur erahnen. Ein Fußmarsch dauert mehr als drei Stunden nach unten. Arme Familien, die kein Auto besitzen, die Abgehängten, die in illegal gebauten Häusern wohnen. Der umgangssprachliche Stil ist bewusst gewählt und ziemlich derb, vulgär, nichts für schwache Nerven. «Panza de burro» ist ein seltsames, authentisches, derbes, schmutziges, humorvolles, trauriges Buch – mit Sicherheit ein unbequemer Roman. Wer sich darauf einlässt, der wird begeistert sein.

Weiter zur Rezension:   So forsch, so furchtlos von Andrea Abreu

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