Rezension
von Sabine Ibing
Sturm
von Uwe Laub
Der Tornado erfasste die ersten Menschen. Sie wurden eingesaugt, schreiend in die Luft gewirbelt und wieder ausgespuckt. Aus mehreren Meter Höhe stürzten sie zu Boden, wo sie regungslos liegen blieben. Das Brausen des Tornados steigerte sich zu einem infernalistischen Kreischen.
Wetter beeinflussen – Wetter als Kriegswaffe, von Menschenhand gesteuert. Ein genialer Plot, der als Thema die Klimaentwicklung und deren Einfluss durch den Menschen aufnimmt. Was könnte besser in diesen Sommer passen? Hurrican, Überschwemmung, Hitze, Blizzards - eine Kriegsführung, die Länder in den Ruin treibt, nicht nachweisbar. Entität der Naturgewalt als Nachschöpfung der Welt, ein Patchwork von Modulen, benutzt zu optimieren, zu zerstören, das man nie ganz in den Griff bekommt.
Uwe Laub beschreibt in seinem Thriller in Einzelsequenzen zunächst Wetterphänomene in verschiedenen Ländern auf der Welt, die sich nicht erklären lassen. Klimaveränderungen durch den Menschen hausgemacht, Klimaerwärmung? Man weiß nicht, wie die Aufheizung des Klimas sich auf die Erde auswirkt. Aber kann die Wasserverdampfung eines Sees in Australien und das plötzliche Auftauen von Permafrost in Sibirien auf den Klimawandel zurückzuführen sein? Plötzlich wird in München ein Fußballspiel der Bayern von einem Tornado heimgesucht, Menschen wirbeln durch die Luft.
Die Verteilung der Land- und Wassermengen spielt dabei eine Rolle und auch die Ausrichtung der Alpen.‹
›Was haben die Alpen damit zu tun?‹
›die Gebirgsketten stellen für nord-süd-strömende Luftmassen ein Hindernis dar, weshalb polare Luft nur selten direkt auf feuchte, subtropische Luft trifft.‹
›Aber genau das ist heute Nacht geschehen?, riet Laura.
In Hannover gerät Laura Wagner mit ihrem Sohn in einen Hagelsturm, apfelgroße Hagelkörner stürzen vom Himmel. Tags darauf erfasst im September ein Blizzard die Stadt, Schnee und eisige Kälte legen die Stadt lahm. Laura wird von zwei Männern im letzten Augenblick vor dem Erfrieren gerettet. Sie haben das gleiche Ziel wie sie: die Andra AG, Lauras Arbeitgeber. Einer ihrer Retter ist Daniel, ein Journalist und Meteorologe, der andere sein Freund, ein Blogger und IT-Nerd, der sich mit Verschwörungstheorien befasst. Die beiden haben den Verdacht, jemand manipuliert das Wetter. Der Chef von Laura ist ermordet worden, er hat Laura versteckt eine Nachricht hinterlassen. Was hatte er, was hat die Firma mit den Wetterkapriolen zu tun?
Dieser Wirtschafts- oder Wissenschaftsthriller beschäftigt sich mit der Manipulation des Wetters durch den Menschen. Bereits heute bedienen sich die Länder in einigen Regionen verschiedener Methoden, um Regen für die Landwirtschaft zu erzeugen, mit mehr oder weniger Erfolg. Die Forschung schreitet immer weiter voran. Und was wäre, wenn der Mensch sich der Technik der Wetterbeeinflussung bedient, um sie zu Kriegszwecken einzusetzen? Eine Vorstellung, die sich mir beim Lesen die Nackenhaare aufrichten ließ. Im Abspann berichtet der Autor, was möglich ist, und welche Elemente in seinem Roman noch Fiktion sind. Er hat für dieses Buch mehrere Jahre recherchiert. Und genauso kommen die Ergebnisse herüber, fundiert glaubhaft. Während des Lesens fragt man sich, was ist wahr, was denkt sich der Autor aus? Am Ende erfährt man, die Zusammenhänge sind nahtlos, noch ist einiges Fiktion. Die Betonung liegt auf noch.
Bereits 1977 wurde innerhalb der Vereinten Nationen die »Environmental Modification Convention« verabschiedet, die den Unterzeichnerstaaten verbietet, die Umwelt in einem Konflikt gezielt zu schädigen, insbesondere untersagt der Vertrag jegliche Form von Wetterbeeinflussung zu militärischen Zwecken. Das war mir neu, wie auch eine Menge Informationen bezüglich der Technik, die schon heute existiert. Die wissenschaftlichen Informationen sind keinesfalls trocken, sondern eingebunden in einen sehr spannenden Plot. Die Kapitel sind kurz, der Autor arbeitet mit Cliffhangern, wohldosiert eingesetzt. Man liest, staunt, kann den Roman kaum aus den Händen legen. Eine fiktive Geschichte mit Zukunftsvisionen, die glaubwürdig wirken, Ängste auslösen. Genau solche Romane brauchen wir! Diese Art von Wissenschaftsromanen zeigen uns, wie wichtig es ist, die Ethik über die Technik zu stellen. Ethik, das wichtigste Fach für die Zukunft in Schule und Universität! Die Technik wird sich mehr oder weniger von selbst regulieren. In der heutigen Technoscience, die Verschmelzung zwischen Technik und Wissenschaft, will man nicht die Gesetze der Natur analysieren, sie optimieren, man baut schlicht neue Welten, Wesen und Naturgewalten nach. Hier wird es gefährlich, da der Mensch sich schnell überschätzt, sich der Wissenschaft bedient, zum eigenen Vorteil andere zu benachteiligen. Darf der Mensch »Gott« spielen? Im Zweifelsfall geht die Geschichte nach hinten los.
Laura und Daniel ermitteln, jeder auf seine Weise und doch zusammen. Denn wie weit kann der eine dem anderen trauen? Wie viel Informationen darf man Preis geben? Freund oder Feind? Diese beiden Protagonisten sind fein herausgearbeitet. Wichtige Nebenfiguren, der IT-Nerd und ein Auftragskiller, kommen ein wenig klischeehaft herüber, aber das verzeiht man bei dem guten Plot. Und für meinen Geschmack war am Ende ein wenig zu viel Hero-Geplänkel: Was eine bis an die Zähne bewaffnete Spezialeinheit nicht schafft, rockt allein eine Sekretärin … und das immerwährende böse Stehaufmännchen … das war mir zu abgelutscht und unglaubwürdig, weniger ist meist mehr. Aber das ist Geschmacksache, es war ok. Trotz dem banalen Ende habe ich mich nicht nur gut unterhalten gefühlt, der Spannungsfaktor war hoch, ich habe eine Menge über menschliche Experimente zur Wetterbeeinflussung mitgenommen. Wieder ein technisches Thema, bei dem es mir bei näherer Betrachtung eiskalt den Rücken hinunterläuft.
Wow, okay, erst dacht ich, dass das so ein Verschwörungstheoretikerbuch ist, aber wenn es gut recherchiert ist, wird es schon spannender.
AntwortenLöschenKlingt nach einem aufregendem Buch.
Liebe Grüße
Dorie von www.thedorie.com