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Sputnik von Nikita Afanasjew - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing





Sputnik 


von Nikita Afanasjew


‹Ich habe lange nichts mehr von dir gelesen, was mich wirklich bewegt hätte›, sagte Suse. Lass dich zum Schein bei Rusia Today anstellen, arbeite dort einige Tage und schreib einen schön dreckigen Text.›

Als Leo Puschkin, Journalist einer Berliner Tageszeitung, eines Tages von seiner Redakteurin Suse den Auftrag bekommt, den Auslandssender des Kremls, «Rusia Today», zu unterwandern, gelingt Leo eine spektakuläre Recherche — aber sein Arbeitgeber, eine renommierte Zeitung aus Berlin, will seine Story nicht drucken. Um nicht durchzudrehen, schreibt in Leo seine Geschichte als Roman auf  – so der Klappentext. 
 Der Roman ist ganz witzig, bewegt hat mich der Text nicht. Vielleicht, weil ich einen dreckigen Text erwartet hatte, angemessen an dem, was dieser Sender in der Realität verbreitet. Das hier ist eher oberflächlicher Klamauk, Unterhaltungsliteratur, eine nicht allzu tiefgehende Mediensatire – eben nicht, was ich erwartet hatte.

Sollte ich es nicht einfach lassen? … hieß schließlich, knietief durch ostigen Sumpf zu waten. War ich etwa in den Westen gegangen, um weiterhin mit perfiden Ostigkeiten belästigt zu werden? Wenn ich Lust auf Schmiergeldzahlungen, gebrochene Rippen oder warmes Bier bekam, konnte ich immer noch Urlaub in Sotschi machen.

Leo Puschkin, armenischer Jude, gönnt sich zu seinem selbst gestreckten Kaviar, den er mit seinem Kumpel Vitali vertreibt, gerne mal einen Schluck Baikal-Wodka. Suse setzt Leo unter Druck, zu liefern. Und das muss hieb und stichfest sein, juristisch belegbar. Leo kann nicht liefern, verliert seinen offiziellen Job – denn er bekommt ja auch Gehalt von RT. Zeitungen müssen sparen. Leo ist sauer – und zu alledem ist sein Freund Vitali untergetaucht, will nichts mehr von ihm wissen – hat ihn sogar verraten … Es läuft nicht gut für Leo, denn auch bei RT passiert nicht allzu viel. Da meldet sich Vitali – Leo soll ein Problem für ihn lösen. Vitali hatte für eine Hochzeit einer Dagestanier-Gang Kaviar verkauft – bei der nach dem Verzehr alle Gäste im Krankenhaus gelandet waren. Nun soll Leo sich in die Höhle des Löwen begeben, um sich für Vitali zu entschuldigen. 

‹Leo, dir wird nichts passieren.›
‹Du scheinst dir da wirklich sicher zu sein, Vitali.›
‹Du bist ein guter Junge, Leo! Außerdem besitzt du deine armenisch-jüdische Aura. Niemand wird Hand an dich legen.›
‹Stimmt, muslimische Traditionalisten aus entlegenen Bergregionen sind bekannt dafür, Armenier und Juden zu verschonen.›

Irgendwann werden die Leute von RT nach Moskau eingeladen; Leo hat ein ungutes Gefühl. Wie gesagt, es gibt sehr spaßige Einlagen, aber an einem Marc-Uwe Kling gemessen fehlen hier der tiefsitzende, geschmeidige, schwarze Humor und das stilistische Händchen für gute Dialoge. Man ist schnell durch das Buch hindurch, nett zwischendurch zur lockeren Unterhaltung um russische Propaganda. Die Geschichte soll angeblich auf wahren Begebenheiten basieren … Na ja. Ich hatte etwas handfestes erwartet, Klamauk ist weniger meine Leserichtung, scharfsinnige Satire gern.



Nikita Afanasjew, 1982 in der Sowjetunion geboren, emigrierte in den 90er-Jahren nach Deutschland. Als Journalist bereist Afanasjew Osteuropa und seine alte post-sowjetische Heimat, schreibt Reportagen u. a. für Die Zeit und Geo. Er wurde mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet und war nominiert für den Henri-Nannen- und den Axel-Springer-Preis.




Nikita Afanasjew
Sputnik
Zeitgenössische Literatur, Mediensatire, Rusia Today, Propaganda
Hardcover, 224 Seiten
Volland & Quist, 2024





Zeitgenössische Literatur

Hier verbirgt sich manche Perle der Literatur. Ich lese auch mal einen Bestseller, natürlich, aber mein Blick ruht  immer auf den kleinen Verlagen, auf den freien Verlagen. Sie trauen sich was - und diese Werke sind in der Regel besser als der Mainstream der meistgekauften Bücher …
Zeitgenössische Romane






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