Direkt zum Hauptbereich

So machst du richtig coole Kunst von Henry Carroll und Rose Blake - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing


So machst du richtig coole Kunst 


von Henry Carroll und Rose Blake

20 Beispiele inspiriert von berühmten Künstlern


Kunst hat ja zunächst einmal etwas mit Ausprobieren zu tun: verschiedene Materialien, Techniken und Gestaltungsmöglichkeiten. Die Perspektive wechseln! Verfremden, schneiden, kleben, optische Täuschung, Bewegung. Kinder muss man anleiten, Neues zu entdecken, sich selbst zu entdecken. Dazu ist dieses Buch sicherlich ein Anreiz. Verschiedene Techniken werden an Kunstwerken gezeigt. Es beginnt mit Picassos 1-Strich-Hund: «Bleib auf Linie!» Picasso hat mit einer Linie, ohne abzusetzen, einen Dackel gemalt, das Wesen eines Objekts einfangen und mit wenigen Strichen erkennbar gemacht. Dazu braucht man eine Menge Übung und ein gutes Auge. Das kann man trainieren – und hier wird auch gleich erwähnt, es klappt nicht gleich, man braucht eine Weile, um dahinzukommen. Drum geht es gleich einfach weiter mit Jackson Pollock, der Klecks-Bilder erschuf. Tropfen und Klecksen, Schicht um Schicht. Die Autoren besitzen auch einen herrlichen Humor. Man soll am Anfang das Bild auf den Wohnzimmerteppich legen. – Und dann wird sofort in Großbuchstaben erklärt: «DAS WAR EIN WITZ! MACH DAS BLOSS NICHT!» Und schon geht es weiter mit Verfremden, als Beispiel Lorna Simpson. Köpfe aus Zeitungen ausschneiden, ihnen neue Haar oder Hüte malen. Und dann kommt Bewegung ins Bild nach Bridget Riley. Eine optische Täuschung durch verschieden große Dreiecke; es entsteht der Eindruck von Krümmung, die es nicht gibt.




Dazwischen gibt es immer wieder Basiswissen, Schattierung und Schraffur mit Stiften, Bleistifttricks, Basiswissen Farbe, Farbmedien, Pinsel und Spachtel. Aber es wird nicht nur gemalt. Kreieren, provozieren, Kunstwerke aus alten Sachen erschaffen, mit Formen spielen, Selbstporträt, Comic, Ölgemälde, Identität Performance – Signieren. Am Ende gibt es einen kurzen Abriss der Kunstgeschichte nach Epochen.



Mit 20 Kunstwerken ist dies eine Herausforderung an Kinder. Basiswissen: was es so alles gibt, selbst auszuprobieren. Das Buch will ein wenig viel. Anleitung gibt es gar nicht. Das ist so, als wenn ich mit meinem Kind durch das Museum renne und zu Hause sage: Jetzt weißt du Bescheid – mach mal ein Kunstwerk. Ein paar dieser Werke sind einfach nachzumachen, das funktioniert. Aber brauche ich ein superfeines Selbstporträt, um mir den Anreiz zu geben: Mal dich selbst? Das kommt fast in jedem Schuljahr vor, auch bereits im Kindergarten. Doch wie malt man denn ein Porträt? Das ist ja die Frage. Wie wäre es, wenn man aus einem Foto von sich selbst erstmal eine bunte Collage macht – das gibt nicht den großen Frust. Das Buch besitzt einen gewissen Animationscharakter. Ja. Aber es kann auch Frust aufbauen. Als Beispiel gibt es jeweils berühmte Werke, minimal wird die Technik erklärt und das war es auch schon. Der Titel heißt ja: «So machst du richtig coole Kunst» Das SO fehlt mir in dem Buch. Ich hätte mir weniger Werke gewünscht, dafür mehr Technik, auch dem Kind angemessen. Ein kleines dünnes Buch, in das alles rein muss! Das funktioniert nicht. Schaue ich mir das Basiswissen an, so ist es hier genau das Gleiche. Ein bisschen erklären – was nicht ausreicht, wenn ich Null-Ahung habe – überflüssig, wenn ich es weiß. Das Gleiche gilt für den Überblick über die Kunstgeschichte. Muss man das alles in ein kleines Buch pressen, das den Anspruch des Kreierens hat? Für mich ist dieses Buch lediglich als grobe Übersicht zu sehen, was in der Kunst möglich ist. Denn so mache ich keine coole Kunst! Ich hätte mir gewünscht, 3-4 Techniken herauszunehmen, die ja innerhalb der Technik verschiedene Möglichkeiten bietet, sie zu beleuchten und kindgerechte Gestaltungsmöglichkeiten anzubieten. Wie arbeite ich mit Grafik, wie kommt Bewegung ins Bild? Wie muss ich vorgehen? Mal mal ein Ölbild. Vincent van Gogh hat die Farbe dick aufgetragen – probiere das aus. Für Ölbilder benötige ich Basiswissen zum Umgang mit den Materialien! Warum nicht Beispiele zu Miro, Kandinsky oder ähnlich leicht nachzuahmende Künstlern? Eine riesige Tropfsteinhöhle aus Müll, Plastikflaschen, von Gayle Chong Kwan – interessant. Besorge dir Müll und «verwandle dein Zimmer in eine Höhle mit einem riesigen Hochhaus oder gigantischen Wollhaarmammut darin!» Das sind Ideen, die in der Realität garantiert scheitern werden.



Das Buch ist gut gemeint, aber didaktisch für mich nicht gelungen. Inspiration ja – aber mehr auch nicht. Kinder ohne Erfahrung lässt dieser Band hilflos zurück. Der Laurence King Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 8 Jahren. Ich tendiere absolut zu 10/12+ Jahren. Ich würde es nur Kindern schenken, die bereits mit verschiedenen Materialien und Techniken Kontakt hatten. Dann gibt es Sinn, den Kopf für Neues zu öffnen. Denn eigentlich geht es hier um Statements: Mach dein eigenes Ding! Probiere dich aus! Provoziere! Dazu braucht es aber eine gewisse Reife. Insgesamt wird hier zu viel auf zu wenig Seiten gequetscht, zu wenig Anreiz zu Techniken gegeben.


Henry Carroll studierte Fotografie am Royal College of Art, und seine Arbeiten wurden weltweit ausgestellt. Henrys klarer, jargonfreier Unterrichtsstil hat die digitale Fotografie entwirrt und Tausende dazu inspiriert, mit ihren Kameras kreativ zu werden.

Rose Blake studierte an der Kingston University und dem Royal College of Art. Die vielfach ausgezeichnete Illustratorin, Künstlerin und Lakritzliebhaberin ist Gastprofessorin an der Kingston University und lebt in London.


Henry Carroll und Rose Blake 
So machst du richtig coole Kunst
20 Beispiele inspiriert von berühmten Künstlern
Aus dem Englischen übersetzt von Bettina Eschenhagen
Sachbuch, Kunst, Kreativität
Hardcover, 64 Seiten, Größe: 191 x 210 mm, 125 Abbildungen
Laurence King Verlag, 2020 
Altersempfehlung: ab 8 Jahren (von mir 10/12+)


Kunst  in der Kinder- und Jugendliteratur

Kunstrichtungen, die großen Maler - kennenlernen und verstehen. Die Kinder- und Jugendliteratur bietet eine Menge Bücher, um Bekanntschaft mit Künstlern zu machen und mit deren Ideen.

Neugierig? Hier geht es zur Seite: Kinder- und Jugendliteratur - Kinder und Kunst



Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Chronisch gesund statt chronisch krank von Dr. med. Bernhard Dickreiter

Von der Schulmedizin bis heute ignoriert: Die wahren Ursachen der chronischen Zivilisationskrankheiten – und was man dagegen tun kann Noch nie hat es so viele chronisch Kranke gegeben wie heute: Arthrose, Diabetes, Alzheimer, Rückenleiden, Krebs, Burnout usw. Der Internist, Reha-Experte und Ganzheitsmediziner Dr. med. Bernhard Dickreiter ist überzeugt, dass diese Patienten selbst aktiv etwas dagegen unternehmen können. Sein Standpunkt: Wir müssen alles dafür tun, damit es den Zellen in unserem Organismus gut geht. Jede Zelle ist von einer organtypischen Umgebung eingeschlossen, in die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM). Dort zieht die Zelle ihre Nährstoffe, den Sauerstoff, und hier entsorgt sie ihre Abfallstoffe. Ist die Zellumgebung nicht gesund, werden wir krank. Die Schulmedizin bekämpft meist nur Symptome: Schmerzen – Schmerztablette. Die Ursachen werden oft nicht hinterfragt, bzw. operabel versucht zu beheben: neues Knie, neue Hüfte usw. Dickreiter geht ganzheitlich vor. ...

Abbruch - Alles Gute von Eva Rossmann

  Alles Gute von Eva Rossmann Abbruch! Wir beide kamen nicht zusammen. Der Anfang konnte mich nicht begeistern, ich fühlte mich eher wie in einem Kochbuch, nicht wie in einem Krimi. Peter Gruber hat Eine App gegen die Spaltung der Gesellschaft geschrieben, «LISA wünscht ALLES GUTE», die Millionen User hat und damit ist er reich geworden, aber er hat den größten Teil in eine Stiftung gesteckt und etwas für seine Nichte bereitgelegt. Weil er sich bedroht fühlt, verabredet er sich mit der Journalistin Mira Valensky. Gruber erscheint nicht, ist plötzlich spurlos verschwunden. Freiwillig untergetaucht – wenn ja warum? Oder was immer auch passiert ist … Ich habe versucht, zu verstehen, was das für eine App ist. Man kann damit Menschen per Strichmännchen «Alles Gute» wünschen? Und damit soll Gruber Millionen verdienen, weil die User dafür bezahlen? Peter Gruber, ein ehemaliger Lehrer, der vor heutigen politischen Tendenzen warnt, die an die 1930er Jahre erinnern, plädiert für mehr Freundl...

Rezension - Nur noch kurz ein kleiner Furz! von Jonny Leighton und Mike Byrne

Kinder lieben Pupsbücher! Wie ist das eigentlich mit den Tieren? Wie pupsen die? Auf einer urkomischen Reise durch das Reich der Flatulenz beobachten Elefant und Maus die unterschiedlichsten Fürze. Und so lernt die Maus, dass Pupsen die normalste Sache der Welt ist! Witzig gestaltet, den Text in Reimform gebracht, macht dieses Bilderbuch Spaß! Lustiges Bilderbuch ab 3 Jahren, Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Nur noch kurz ein kleiner Furz! von Jonny Leighton und Mike Byrne

Rezension - Entführung im Drachenwald von Barbara van den Speulhof und Kurzi Shortriver

Theos bester Freund ist der Drache Kokolo, aber das darf keiner wissen. Denn Drachen gibt es ja gar nicht. Mitten in der Nacht klopft Kokolo an Theos Fensterscheibe: Sie müssen schnell etwas unternehmen denn der fiese Adler Malo hat eins der Babys von Tante Xenna Drachen entführt!  Werden sie noch rechtzeitig kommen? Lesenlernen mit einem Comic, kurze Texte, für Leseanfänger konzipiert. Eine spannende Graphic Novel ab 6 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Entführung im Drachenwald von Barbara van den Speulhof und Kurzi Shortriver

Rezension - #Erstkontakt von Bruno Duhamel

  Doug, ein ehemaliger Fotograf lebt von der Öffentlichkeit zurückgezogen in den schottischen Highlands. Niemand liked seine Fotos, er ist frustriert, darum hat er seit 17 Monaten nichts veröffentlicht. Doch dann fotografiert er durch Zufall am See vor seiner Haustür ein seltsames Wesen – und teilt den Schnappschuss im sozialen Netzwerk «Twister». Danach geht er duschen, kommt zurück, kann es nicht fassen: «150.237 Personen haben auf ihren Post reagiert; 348.069 mal geteilt». Sofort bereut er seinen Post. Er ahnt, was nun geschehen wird, er hat Büchse die Pandora geöffnet … Ein herrlicher Comic, Graphic Novel, fast ein Cartoon, nimmt mit schwarzem Humor Social Media und Aktivist:innen diverser Gruppen auf die Schippe. Weiter zur Rezension:    #Erstkontakt von Bruno Duhamel

Rezension - Italien: Food. People. Stories von Haya Molcho & Söhne

  Haya Molcho begibt sich mit ihren Söhnen auf eine italienische Reise von Triest bis nach Sizilien, wobei sie lokale Produzent:innen und Köch:innen besuchen, die über die unterschiedlichsten Facetten der italienischen Kochkunst erzählen und uns ihre liebsten Rezepte verraten. Im zweiten Teil der kulinarischen Reise gibt es italenische Rezepte der Familie, typisch Neni. Levantinische Küche trifft auf italienische Originalrezepte; dabei auch traditionelle italienische Gerichte im Original. Reiseliteratur, Kulinarisches mit vielen Rezepten, Italienische Küche, Levante-Küche – Empfehlung. Weiter zur Rezension:   Italien: Food. People. Stories von Haya Molcho & Söhne

Rezension - Mäc Mief und die stinkbesonderen Unterhosen von Carola Becker, Ina Krabbe

  Wer hat die Superschaf-Unterhose geklaut? Finn ist sauer! Jemand hat seine stinkbesonderen Unterhosen von der Leine gestohlen. Sein Freund Mäc Mief muss den Dieb aufspüren, denkt sich Finn. Das schottische Schaf Mäc Mief liebt nichts mehr, als auf seiner Weide zu stehen und in Ruhe saftiges Gras zu fressen. Aber für seinen Lieblingsmenschen Finn geht die Spürnase auf die Suche. Gemeinsam mit seiner Freundin, Hütehund Bonnie, versuchen sie a la Sherlock Holms und Watson der Unterhosenbande auf die Spur zu kommen.  Weiter zur Rezension:    Mäc Mief und die stinkbesonderen Unterhosen von Carola Becker, Ina Krabbe

Rezension - Demon Copperhead von Barbara Kingsolver

  Gesprochen von Fabian Busch Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 20 Std. und 39 Min. Ein Trailer in den Wäldern Virginias. Das Land der Tabakfarmer und Schwarzbrenner, der «Hillbilly-Cadillac»-Stoßstangenaufkleber an rostigen Pickups, aufgegeben von sämtlichen Superhelden und dem Rest der Nation. Hier kommt Demon Copperhead zur Welt. Seine Teenie-Mutter ist frisch auf Entzug, der Vater tot. Ein starker Charakter mit großer Klappe und einem zähen Überlebenswillen schlägt sich durch: Er lebt in Armut mit einer Junkie-Mutter, ein gewalttätiger Stiefvater kommt dazu, es folgen Pflegefamilien mit Gewalt, Missbrauch, Kinderarbeit. Aufwärts geht es mit Comiczeichnen, Football; weiter geht es mit Drogensucht durch Oxi und Meth, erste Liebe und unermesslicher Verlust. Ein Bildungsroman, der berührt, kraftvoll erzählt. Empfehlung. Weiter zur Rezension:  Demon Copperhead von Barbara Kingsolver 

Rezension - Unser Deutschlandmärchen von Dincer Gücyeter

  Eine türkische Familiengeschichte, die mit der Urgroßmutter und der Großmutter einleitend beginnt. Die nächste Generation wandert nach Deutschland aus – das gelobte Land, wo Milch und Honig fließt. Der Traum, den viele «Gastarbeiter» träumten: Arbeiten, viel Geld verdienen, nach Hause zurückkehren und ein Haus bauen. Und dann wurden aus den Gästen Einwohner. In Deutschland die Türken – in der Türkei die Deutschen – entwurzelt, nirgendwo wirklich zu Hause. Eine Familie, die sich bemüht hat, sich zu integrieren. Ein Zwiegespräch zwischen Sohn und Mutter – zwei völlig verschiedene Generationen, aber auch eine Abrechnung mit der deutschen Gesellschaft und eine mit dem Heimatland und dem Machismo, mit der Erniedrigung der Frauen. Ein hervorragender Gesellschaftsroman, ein Bildungsroman über Migration, Rassismus und Misogynie – meine Empfehlung! Weiter zur Rezension:     Unser Deutschlandmärchen von Dincer Gücyeter