Direkt zum Hauptbereich

Papyrus von Irene Vallejo - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Papyrus 


von Irene Vallejo

Die Geschichte der Welt in Büchern
Gesprochen von: Anna-Lena Zühlke
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 19 Std. und 21 Min.



Die Papyrusrolle stellte einen grandiosen Fortschritt dar. Nachdem die Menschen über Jahrhunderte nach Trägermaterialien gesucht und auf Stein, Ton, Holz oder Metall geschrieben hatten, fand die Sprache nun endlich eine Heimat auf lebendigem Material. Das erste Buch der Geschichte wurde geboren, als die Worte ins Mark einer Wasserpflanze eingingen. Und gegenüber seinen leblosen, starren Vorgängern war das Buch von Anfang an ein biegsamer, leichter Gegenstand, wie gemacht für Reisen und Abenteuer. Papyrusrollen, die in ihrem Inneren lange Texte bergen, mit Feder und Tinte von Hand beschrieben: So sehen die Bücher aus, die nach und nach die Bibliothek von Alexandria füllen.

Das Buch ist eine der schönsten Erfindungen der Menschheit, denn die Weiterentwicklung des geschriebenen Worts prägt die Kulturgeschichte. Von Tontafeln zu Papyrus zum Papier der Schriftrollen, zum gebundenen Buch, zum E-Book; die Entwicklung der Bibliotheken, die wegweisende Erfindung des Alphabets, von den Anfängen der gewaltigen Bibliothek von Alexandria bis zum Untergang des Römischen Reiches. Mit dem geschriebenen Wort reisen wir mit Irene Vallejo durch die Zeitgeschichte, verknüpft mit Zeitgeschehen. Wir lernen, dass Autoren zwar gern zitiert wurden, dass sie aber arme Schlucker waren, viele von ihnen Sklaven. Mit Papyrusrollen, Schriftrollen und Büchern wurden reiche Geschäfte gemacht – wovon die Autoren nichts hatten. Eine Kopie war nicht einfach eine Abschrift, auch die Kopisten brachten ihren eigenen Stil mit hinein. Rebellische Nonnen, gewiefte Buchhändler, unermüdliche Geschichtenerzähler:innen, Bibliothekare, Machthaber, Kopisten, Dichter und Denker, Booknerds aller Epochen und natürlich auch Kritiker; berühmte Menschen werden vorgestellt, Anekdoten eingestreut. Die Welt der Bücher ist ebenso die Geschichte der Menschheit, und so erhalten wir gleichzeitig einen kulturgeschichtlichen Rückblick, der bei Alexander dem Großen beginnt, über die Antike zum Mittelalter, der bis in die heutige Zeit reicht. 


Vom Papyrus zum E-Book


Das Überleben der besten Ideen, die von der Menschheit je erdacht wurden, verdanken wir den Büchern.

Dies ist ein erzählendes Sachbuch im Plauderton – keine wissenschaftliche Abhandlung. Und darum ist es unterhaltsam, für alle kulturinteressierten Menschen, für alle Booknerds und die, die allgemein ihr geschichtliches Wissen auffrischen wollen – es gibt jede Menge historische Anekdoten und Zitate. Das Buch ist thematisch angelegt, operiert zwischen den Jahrhunderten, berichtet, vergleicht Fakten, zitiert, beleuchtet, vergleicht Meinungen, setzt persönlichen Gedanken und Erfahrungen hinzu. Man kann dieses hervorragende Buch insgesamt nicht mit ein paar Sätzen beschreiben, darum nur ein grober Überblick. Plastisch erklärt Irene Vallejo die Antike – die offenen Lesehallen – man las nicht still für sich allein, sondern Lesen bestand aus Vorlesen, das von breiter Zuhörerschaft begleitet wurde. Literatur wurde zu dieser Zeit nur in Reimform produziert. Rhetorik, eine wichtige Sache für die Griechen. Etwas, über das die Römer verächtlich redeten – aber heimlich für sich kopierten. Das stille Lesen kam wesentlich später. Und dass ein Autor für sein Buch bezahlt wurde, ist eine Errungenschaft der Neuzeit. Eine Sache der Modernen, die erwähnt wird, hat mich erstaunt, etwas, das an mir vorbeigegangen ist: Amazon löschte 2009 klammheimlich George Orwells «1984» von allen Kindles. Als das bemerkt wurde, reagierten die Kunden erbost. Mit dem Löschen verschwanden auch die Anmerkungen, die sich die Nutzer (die ja auch vom Server gesichert werden – Gedanken, die man offenlegt) gesetzt hatten. Amazon begründete das mit einem angeblichen Urheberrechtskonflikt. Elektronik ist manipulierbar (siehe Updates der Firmen) angreifbar, Bücher muss man heute nicht unbedingt verbrennen, man kann sie schlicht vom Server löschen. Um an ein Papierbuch heranzukommen, braucht es Aufwand; zumal man nicht weiß, wer überhaupt eins besitzt. So viel zum Ebook, seiner Angreifbarkeit, das man nicht unbedingt verteufeln muss.


Unbedingt lesen!

Ein Buch mit ziemlich viel Information, locker aufgetischt, mit vielen Seitensprüngen zu Film und TV – ich werde es mir auf Papier besorgen. Meine Hochachtung für diese intensive Recherche! Amüsant geschrieben mit viel Information, vielen interessanten Gedanken - liest sich wie ein Roman. Ein Sachbuch, das man unbedingt lesen sollte.



Irene Vallejo, geboren 1979 in Saragossa, studierte klassische Philologie an der Universität von Saragossa und Florenz. Dabei entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Antike. «Papyrus», ihr erstes Sachbuch, wurde in Spanien ein Bestseller und mit den wichtigsten Literaturpreisen des Landes ausgezeichnet. Es erscheint in über dreißig Sprachen. Auch in ihren zahlreichen Auftritten als Gastrednerin und wöchentlichen Kolumnen in «El País» berichtet sie über ihre Passion für die Antike. Sie ist Autorin von zwei Romanen und einigen Kinderbüchern und engagiert sich für soziale Projekte, die Kindern Kunst und Literatur näherbringen. Irene Vallejo lebt mit ihrer Familie in Saragossa. Für für Papyrus, erhielt sie 2020  den «Premio Nacional de Ensayo». 




Irene Vallejo
Papyrus
Die Geschichte der Welt in Büchern
Originaltitel : Papyrus, 2020
Aus dem Spanischen übersetzt von Maria Meinel und Luis Ruby 
Gesprochen von: Anna-Lena Zühlke
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 19 Std. und 21 Min.
Erzählendes Sachbuch, Sachbuch, Kulturgeschichte, Literatur
Diogenes Verlag, Audible
Diogenes, Hardcover Leinen, 752 Seiten



Spanische Literatur

Interesse an Literatur aus Spanien? Hier findet ihr Bücher von spanischen Autor:innen mit Links zu den Rezensionen
Gastland Frankfurter Buchmesse 2022



Sachbücher

Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.
Sachbücher

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Drainting: Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger

  Als Drainting bezeichnet Felix Scheinberger die intuitive Kombination von Malen und Zeichnen. Damit hebt er die jahrhundertealte heute vollkommen unnötige Trennung zwischen Flächen malen und Linien zeichnen auf und verbindet das Beste aus beiden Welten. Früher machten wir einen Unterschied zwischen Zeichnen und Malen und damit fingen die Schwierigkeiten an. Wo es nämlich gar keine Umrisslinien gibt, gilt es, diese abstrakt zu (er)finden. Die intuitive Kombination aus Zeichnen (Drawing) und Malen (Painting) garantiert gute Ergebnisse und unendlichen Spaß! Eine gute Einführung erklärt das Knowhow und Grundsätzliches zum Malen und Zeichnen – gute Ideen, die man selbst umsetzen kann. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger 

Rezension - Killer Potential von Hannah Deitch

  Als Evie Gordon an einem Tag bei den Victors klingeln will, steht die Tür offen. Sie ruft, niemand antwortet. Dann findet sie Mr Victor tot im Pool schwimmend, Mrs Victor liegt mit zermatschtem Schädel tot im Wohnzimmer. Das alles muss gerade passiert sein, Evie hat Angst, will das Haus verlassen, als sie leise Hilferufe hört. In einer Kammer unter der Treppe findet sie eine gefesselte Frau. Sie befreit sie. In dem Moment kommt die Tochter nach Hause, schreit entsetzt der Szenerie, geht auf Evie los, die in ihrer Not dem Mädchen eine Lampe über den Kopf zieht. In Panik verschwindet Evie mit der Unbekannten – ein Roadmovie beginnt. Der Roman konnte mich leider nicht überzeugen. Weiter zur Rezension:   Killer Potential von Hannah Deitch

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

  Gesprochen von Hans Jürgen Stockerl Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 7 Min. Wir schreiben das Jahr 1683. Der junge Engländer Obediah Chalon, Spekulant, Händler und Filou, hat sich in London gerade mit der Investition von Nelken verspekuliert und eine Menge Leute um ihr Geld gebracht, das mit gefälschten Wechseln. Conrad de Grebber, Direktoriumsmitglied der Vereinigten Ostindischen Compagnie bietet Obediah  die Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen: Er wird auf eine geheime Reise geschickt, um etwas zu stehlen: Kaffeepflanzen. Spannender Abenteuerroman rund um den Kaffee. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore

Rezension - Pilzliebe von Gerhard Schuster, Christine Schneider

Waldpilze sind einfach zum Verlieben! Und welche sich zum Essen eignen, erfahren wir in diesem Buch – einschließlich mit Rezepten. Pflücken, zubereiten, konservieren. Flexitarier, Vegetarier und Veganer lieben sie als hochwertigen Fleischersatz. Die Pilzexperten Gerhard Schuster und Christine Schneider zeigen, welche Pilze man wie zubereitet, damit sie zum Hochgenuss werden. Nebenbei räumen sie auch mit alten Mythen auf. Unter den mehr als 50 Rezeptideen gibt es neben den bewährten Klassikern auch echte Pilzküchen-Überraschungen zu entdecken. Weiter zur Rezension:    Pilzliebe von Gerhard Schuster, Christine Schneider

Rezension - Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis

  (Detektivbüro LasseMaja, Bd. 37)  Es gibt hochfliegende Pläne im Ort Valleby: Ein Astronaut macht mit seiner Raumkapsel in der Kleinstadt Station und will als Nächstes den Planeten Neptun ansteuern. Und laut tönt er, er suche Astronaut:innen, die ihn begleiten. Bewerber will er einem Astronauten-Test unterziehen, danach bestimmt er, wer mitfliegen darf! Natürlich benötigt er auch Spenden für sein Projekt. Die Detektiv:innen Lasse und Maja hören genau zu. Und bei dem, was der Mann so erzählt, kommt schnell der Verdacht, dass an der Geschichte etwas faul ist und der Typ ein Betrüger ist. Das teilen sie dem Dorfpolizisten mit – doch der hat gerade keine Zeit für sie. Ein Dieb geht um … Spannender, witziger Kinderkrimi ab 8 Jahren, Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis 

Rezension - Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt

Bendix, der Häuptling des Keltendorfs Taigh, ist außer sich: Jemand hat seinen Honigtopf gestohlen! Lindis, der Ziehsohn der Dorfdruidin Kundra und dessen Freunde Finn und Veda wollen der Sache auf den Grund gehen. War der Dieb hinter der wertvollen Amphore her oder hinter deren speziellem Inhalt? War es einer der fahrenden Händler? Und dann ist auch noch die kleine Tochter der Sklavin verschwunden! Unter dem Vorwand, fischen gehen zu wollen, machen sich die drei Jugendlichen heimlich auf die Suche nach den Händlern und kommen dabei einem Geheimnis auf die Spur … Weiter zur Rezension:    Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt