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Léon von Carlo Lucarelli - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Léon 


von Carlo Lucarelli


Der erste Satz: 

Marta hockt unter der Spüle, eingeklemmt zwischen dem Abflussrohr und den Putzmitteln.


Bologna, Grazia Negro liegt auf der Entbindungsstation, noch benommen von der Narkose des Kaiserschnitts. Sie ist nun Mutter von Zwillingen, verspürt keine Lust mehr, Mordfälle aufzuklären, Psychopathen zu jagen. Doch der Leguan, der Serienmörder Iguana, ist aus der psychiatrischen Einrichtung entflohen, hat seine Bewacher ermordet – und will sich an denjenigen rächen, die ihn hinter Gitter gebracht hat. Darum wird Grazia mit ihren Mädchen in ein Safehouse gebracht, und sie soll von dort aus die Ermittlung leiten. Grazia trifft dort auf Simone, ihren ehemaligen Lebensgefährten, der blind ist. Man nennt Iguana den Leguan, weil er sich wie ein Chamäleon anpasst, unauffällig agiert, bevor er zuschlägt – doch er ist blind. 


Eine Maus, die zubeißt mit spitzen Zähnen


Die Muskelfasern unter meiner Haut ... sie explodieren aufgrund einer Kraft, die löst und hebt, versteifen sich schmerzhaft, und all das bereitet mir Vergnügen. Ich habe das Gefühl, dass es mich gibt. Aber nicht draußen. Wo ich nicht mehr sein will.


Ich kannte die Vorgeschichte nicht, aber man kommt mit den vorhandenen Informationen heran. Dieser Thriller ist so erfrischend anders, ein literarischer Thriller, der sich weniger mit der kriminalistischen Suche nach den Täter auseinandersetzt, sondern mit den Ängsten der Protagonist:innen, auch den des Täters. Ein schizophrener Psychopath, der sich nach Liebe sehnt; eine zitternde Maus, eine Maus, die zubeißt mit spitzen Zähnen; an manchen Stellen bekommt man fast Mitleid mit diesem Individuum. Grazia Negro weiß, dass ein menschliches Monster meist selbst ein Opfer ist, versucht zu verstehen, zwischen Windelwechsel, Milchpumpen und Saugern. Doch das Team geht lange den falschen Weg. Ein gequälter Simon, ein völlig in sich selbst gekehrter Mensch, der wie besessen mit Hanteln seinen Körper trainiert, verlassen von Grazia, die sich nach der Trennung durch eine unbekannte Samenspende befruchten ließ. Nun müssen sie es zusammen in diesem Haus aushalten.


Die Charaktere sind präzise konstruiert

 

Liebe mich.

Liebe mich.

Liebe mich.


Dieser Thriller ist fast ein Kammerspiel, könnte als Theaterstück aufgeführt werden. Trockene, überzeugende Prosa, kurze Zeitfenster, kurze Kapitel und verschiedne Stile und Tonalitäten zwischen den Kapiteln machen den literarischen Thriller zu etwas Besonderem. Die kurze Geschichte hält durchgehend die Spannung, die Charaktere sind präzise konstruiert. Ein Killer, getrieben von Verzweiflung und Wut mit dem alles verzehrenden und zerstörerischen Gefühl: Liebe mich! Empfehlung für diesen Noir-Thriller!


Doch jetzt, wo ich ihn keuchen höre, wo ich seine Angst mit meinen Mausezähnen einsauge, stelle ich fest, dass ich überhaupt gar keine Lust habe, ihn umzubringen. Ich bin nicht hinter ihm her.


Carlo Lucarelli, 1960 in Parma geboren, lebt bei Bologna. Er ist Schriftsteller, Journalist, Regisseur und Fernsehmoderator. International bekannt wurde er durch seine preisgekrönten und verfilmten Kriminalromane, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Mitbegründer des «Gruppo 13» und Lehrer an der «Scuola Holden» für kreatives Schreiben. Zuletzt erschienen bei Folio Bestie (2014), Italienische Intrige (2018), Hundechristus (2020) und Der schwärzeste Winter (2021).



Carlo Lucarelli
Léon
Aus dem Italienischen übersetzt von Karin Fleischanderl 
Thriller, Kriminalliteratur, Kriminalroman, Italienische Literatur, Literarischer Thriller, Noir, Noir-Thriller
Klappenbroschur, 208 Seiten
Folio Verlag, 2022




Der schwärzeste Winter von Carlo Lucarelli

Commissario De Luca ist jetzt Teil der politischen Polizei und steht damit an der Seite der Faschisten. Die Menschen der besetzten Stadt Bologna im Winter bei Eiseskälte, ausgeblutet von Bombenangriffen, leben in ständiger Angst, leiden Hunger. Wehrmacht und SS werden flankiert von Mussolinis «Schwarzen Brigaden»; Partisanenaktionen aus dem Untergrund. Drei Morde und De Luca soll nun für drei Auftraggeber ermitteln: für die Faschisten, für die Nazis und undercover für die Kollegen des geheimen «antifaschistischen Polizeipräsidiums» – ein führender Kopf des Widerstands wird nämlich zu Unrecht beschuldigt, einen Mord begangen zu haben. Ein Drahtseilakt 1944 während des Zweiten Weltkriegs. Ein spannender historischer Krimi, der eine gefährliche Zeit atmosphärisch beschreibt, ein intelligenter Plot, für mich eine Meisterleistung im Genre Noir Kriminalliteratur.

Weiter zur Rezension:   Der schwärzeste Winter von Carlo Lucarelli



Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

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