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Kristin Lavranstochter – Die Frau von Sigrid Undset - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Kristin Lavranstochter – Die Frau 


von Sigrid Undset

Kristin Lavranstochter  (2)


Kristin hatte in der ersten Nacht nicht viel Schlaf gefunden, obwohl die Geistlichen ihr Bett gesegnet hatten. Oben auf dem Bett lagen seidenbezogene Kissen, leinene Laken und prachtvolle Decken und Felle, aber darunter war das Stroh verdreckt und verschimmelt, in der Bettwäsche und in dem prachtvollen schwarzen Bärenfell, das ganz oben lag, hausten Läuse.


«Die Frau» ist der zweite Band einer Romantrilogie um das Leben von Kristin Lavranstochter. Das war mir nicht bewusst. Aber auch, wenn man den Teil über ihre Jugend (Band 1) nicht miterlebt hat, kann man gut in diesen Band einsteigen. Das Setting ist ins Norwegen des 14. Jahrhunderts gesetzt, Mittel- und Nordnorwegen. Es ist die Umbruchzeit des Glaubens, die Christianisierung hat bereits stattgefunden – Reste der alten Religion sind hier und da in Fragmenten vorhanden, werden als Aberglaube abgetan, von der Kirche verfolgt. Die Familien von Kristin und ihrem Mann gehören zum norwegischen Landadel. Es ist die Zeit der Ära von Magnus Erikssohn, König von Norwegen und Schweden. Die Norwegerin Sigrid Undset erhielt für diese Trilogie im Jahr 1928 den Literaturnobelpreis. Heute also ein Klassiker. Die Geschichte beginnt mit einer überstürzten Hochzeit. Kristin Lavranstochter hat nicht den Mann geheiratet, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte, Simon aus gutem Haus, vom Alter passend. Kristin hatte die Verlobung gelöst und sich für den wesentlich älteren Erlend Nikulaussohn entschieden. Und da sie von ihm schwanger war, musste die Vermählung schnell über die Bühne gehen, eine Schmach für die junge Frau, die das gern vor ihrer Familie vertuschen will. Kristins Eltern stehen der Vermählung sehr kritisch gegenüber. Aber es ist so Brauch, dass die junge Frau selbst entscheidet, wen sie heiratet.


Da gab es kein Geschrei, wenn sie ihrer Frau eine Maulschelle verpassten, die hatten es gut. «Aber bei der roten Hölle, wie sollte ein Mann denn mit seiner Frau fertigwerden, wenn er sie aufgrund ihrer Sippe und wegen seiner eigenen Ehe nicht verprügeln durfte? Bei einem Wortwechsel mit einer Frau würde doch sogar der Leibhaftige den Kürzeren ziehen!


Kristin zieht nun als Ehefrau auf Erlends Hof Husaby ein und ist schockiert über die Zustände. Das Haus und das Vieh sind in schlechtem Zustand, Vorräte verdorben, verschimmelt, die Angestellten hinterlassen keinen fleißigen Eindruck. Es liegt viel Arbeit vor ihr, den verwahrlosten Gutshof auf Vordermann zu bringen; sie muss sich Respekt auf dem Hof erarbeiten. Es drückt sie Scham, weil bald ihre Schwangerschaft nicht mehr zu verbergen ist – denn jeder kann sich ausrechnen, dass dieses Kind vor der Hochzeit entstanden ist. Es wird eine ziemlich schwere Geburt werden, die sich über Tage hinziehen wird ... Aber Kristin wird Erlend noch viele weitere Söhne schenken. Erlend ist selten zu Hause. Als Adeliger hat er wirtschaftliche und politische Verpflichtungen, hat auch das Kommando über die Bauernschiffe auf seinem Fjordufer. Auch muss er Recht sprechen, vor allem beschäftigt er sich mit Politik, mit Kriegszügen und Intrigen gegen den König.


Haftor würde sicher wieder für Unruhe sorgen ... Er dürfe nicht vergessen, dass die Heiden wissen müssten, wer hier das Sagen habe – und dann dürfe man niemanden unnötig aufreizen, sondern müsse das bisschen Verstand benützen, das man habe. Sich nicht einmischen, wenn die finnischen Völker sich gegenseitig massakrierten, dieses Vergnügen müsse man ihnen lassen. Aber man musste genau aufpassen, was Russen und Kolbjager und wie dieses Pack noch heißen mochte, so trieben.


Kristin Lavranstochter ist sehr christlich erzogen, und leidet ihr Leben lang an der Schmach, befleckt in die Ehe gegangen zu sein. Neben den eigenen Kindern zieht sie die älteren unehelichen Kinder von Erlend mit groß. Sie ist getrieben nach dem Wunsch nach Selbstbestimmung und geplagt von inneren Konflikten. Nicht immer sind die Eheleute einer Meinung, Reibereien gibt es oft. Aber auch Aussprachen, Missverständnisse, die geklärt werden. Oft ist Kristin sehr verletzt über das Benehmen und Handlungen von Erland – was er nicht wahrnimmt. Sie, die extrem christlich erzogene, moralische Frau, die ein anderes Verständnis von Anstand und Sitte hat, die Gewissenhafte – er, der offene, leichtfertig Mensch, der seine Frau respektiert, ihre Arbeit sehr schätzt, aber nicht immer versteht, was in ihrem Kopf vorgeht, warum sie nun schon wieder verstimmt ist. Gesellschaftlichen Regeln und kirchlichen Normen bestimmen das Leben. Sippen, Verbindungen, Verwandte, Erbschaften, Verpflichtungen, Unstimmigkeiten – eine Menge Personal taucht in diesem Roman auf. Sigrid Undset geht sehr ins Detail, schafft wundervoll komplexe Charaktere. Ein dichter Gesellschaftsroman, detailliert und atmosphärisch gestaltet. Der Leser bekommt ein Gefühl für das mittelalterliche Leben Norwegens: Landschaft, Sitten Gebräuche, Lebensmittel und Kochmethoden, Bekleidungs- und Schlafpraktiken, sowie die Ausstattung der Häuser, geschichtliche Hintergründe. Der germanische Hochsitz spielte in den Häusern eine wichtige Rolle. Hier sitzen bei Tisch die Hausherren und -damen, können weitere Ehrengäste dazu bitten; die zur Rechten und Linken hatten die besondere Ehre. Ein stimmungsvoller historischer Roman, der das gesellschaftliche Leben seiner Zeit stilvoll beschreibt. Am Ende gibt es eine hilfreiche Glossar, um Begriffe und Personen zu erklären. 


Die Trilogie:

Kristin Lavranstochter. Der Kranz

Kristin Lavranstochter. Die Frau

Kristin Lavranstochter. Das Kreuz


Sigrid Undset (1882–1949) gilt als eine der größten und einflussreichsten Schriftstellerinnen Norwegens. Ihre zeitgenössischen Romane Frau «Marta Oulie» und «Jenny» wurden wegen ihrer allzu selbständigen jungen Heldinnen zum Skandal. Als engagierte Antifaschistin stand Undset ganz oben auf der Roten Liste der Nazis und nach der Besetzung Norwegens konnte sie sich nur durch eine lebensgefährliche Flucht auf Skiern durch das Gebirge retten. Sigrid Undset wurde 1928 «vornehmlich für ihre kraftvollen Schilderungen des nordischen Lebens im Mittelalter» mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Außer «Kristin Lavranstochter» schrieb sie die Erfolgsromane «Olav Audunssohn», «Viga-Ljot und Vigdis», «Ida Elisabeth», «Das glückliche Alter» und viele andere mehr.



Sigrid Undset 
Kristin Lavranstochter – Die Frau 
Band der Reihe: 2 von 3 
Originaltitel: Kristin Lavransdatter. Husfrue (1921) 
Aus dem Norwegischen übersetzt von Gabriele Haefs
Historischer Roman, Gesellschaftsroman, Norwegische Literatur, Klassiker
Hardcover, Halbleinen mit Lesebändchen, 450 Seiten 
Alfred Kröner Verlag, 2021 



Historische Romane und Sachbücher

Im Prinzip bin ich an aller historischer Literatur interessiert. Manche Leute behaupten ja, historisch seien Bücher erst ab Mittelalter.  Historisch - das Wort besagt es ja: alles ab gestern - aber nur was von historischem Wert ist. Was findet ihr bei mir nicht? Schmonzetten in mittelalterlichen Gewändern. Das mag ganz nett sein, hat für mich jedoch keine historische Relevanz.  Hier gibt es Romane und Sachbücher mit echtem historischen Hintergrund.
Historische Romane


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