Direkt zum Hauptbereich

Im Netz des Lemming von Stefan Slupetzky -Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Im Netz des Lemming 


von Stefan Slupetzky


Lol», antwortet Loll.
«Lol, Digga», kichert Ben. «Gib Check, Digga!»
«Okay … ich glaube, ihr wollt doch nichts Süßes.» Clara zuckt die Achseln und stellt die Kaffeemaschine auf den Herd, während die Buben halb erstaunte, halb bestürzte Blicke wechseln.»
«Wetehaa», raunt Ben.

Der Lemming arbeitet als Nachtwächter im Zoo, früher war er mal Polizist. Es gibt bereits fünf Krimis um den Lemming, dieser sechste ist mein Erster. Er kommt nach Hause, trifft auf Sohn Ben mit seinem Freund Mario, den man Loll nennt. Im Gespräch mit den beiden stellen die Jugendsprache, das Denglisch und die Erwähnung von IT / Social-Media Vokabeln ihn vor Rätseln. Computer, Internet, Smartphones, diese Dinge liefen am Lemming bisher vorbei. Die Verständigung mit dem Jungvolk verläuft so, als spräche man verschiedene Sprachen. Gleich nach den ersten Seiten überlegte ich abzubrechen. Denn die Kommunikation, die hier verläuft ist hanebüchen. So redet kein Jugendlicher – hier sind sämtliche Jugendfloskeln in einen Satz zusammengeklaubt. Und gibt es heute Typen wie den Lemming, Vater von einem Kind, der Null-Ahnung von PC’s, Internet und Social Media hat? Ich weiß nicht wie alt der Lemming ist, aber es soll ja Männer geben, die zeugen mit 80 noch Kinder … Nun erklären die Kids dem Lemming das Internet auf banale Art. Der Lemming sitzt in der Straßenbahn, Mario daddelnd gegenüber. Als die Tür aufgeht, springt Mario aus der Bahn, rennt raus, stürzt sich von einer Brücke.

Der Lemming unter medialem Shitstorm

Unter Verdacht steht nun der Lemmig: Er habe den Jungen unsittlich berührt, sei verantwortlich für den Suizid. Der Shitstorm bricht über ihm aus. Für die Medien ist er ein Pädophiler, er verliert seinen Job. Mario war schwacher Charakter, mit einer dicken Narbe unter der Nase, eine ehemalige Lippengaumenspalte, das typische Opfer. Er wurde von einer Gruppe Jungen übelst gemobbt, und seine Eltern engagieren sich in der Flüchtlingshilfe, unterliegen Hasskommentaren. Mobbing auf allen Ebenen, der Lemming will es nun wissen: Wer ist Schuld an Marios Tod? Mit seinem Freund Polivka ermittelt er im Fall Mario und im eigenen. Wer ist Mama77?

Eher Sachbuchcharakter als Krimi

Wir haben die umfangreichen Themen Fakenews, alternative Fakten, Socialmediabubbel, Mobbing und Yellow Press. Das ist eine ganze Menge, zumindest in dieser kurzen Form. Der Roman liest sich wie ein Sachbuch für Jugendliche, die Kriminalgeschichte fällt völlig dahinter zurück. Inhaltlich ist das flach, es wird lediglich an der Oberfläche gekratzt, den Ursachen nicht wirklich auf den Grund gegangen. Ich habe mich durchgequält, ab der Mitte nur noch querlesend vor Langeweile. An der ein oder anderen Stelle musste ich schmunzeln, aber insgesamt blieb mir persönlich der Humor fern. Hier werden Sätze gekichert, wie auch immer das funktioniert, es wird gezetert, geraunt usw., wo «sagt» die korrekte Vokabel gewesen wäre.

Alles Geschmack

Für wen mag dieser Krimi geschaffen sein? Für Leute, die man 1990 tiefgefroren hat und die heute aufwachen, die digitale Zeit nicht verstehen. Hier wird mit einfachen Mitteln das Internet und Social Media erklärt. Yellow Press und Mobbing gab es bereits damals. Diese Themen habe ich wesentlich besser verarbeitet gelesen. Ein Roman ist ja Geschmacksache. Dieser ging an mir völlig vorbei, wie die Netzwelt am Lemming.


Stefan Slupetzky, 1962 in Wien geboren, wo er heute noch lebt, verfasst Bühnenstücke, Kurzgeschichten und Romane. Seine Kriminalromane um den Antihelden Leopold «Lemming» Wallisch wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Glauser-Preis, dem Burgdorfer Krimipreis und dem Leo-Perutz-Preis. Slupetzky ist ein Drittel des «Trio Lepschi», mit dem er als Texter und Sänger durch die Lande tourt. Er ist außerdem Mitbegründer des Vereins zur Verwertung von Gedankenüberschüssen und wirkte an der Entwicklung unverzichtbarer Gebrauchsgegenstände wie etwa des „Transzebra Portable“, eines ausrollbaren Zebrastreifens, mit.


Stefan Slupetzky 
Im Netz des Lemming
Kriminalroman
Haymon Verlag, 2020
200 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

  Ein atmosphärisch dichter und spannender Schweden-Krimi von Hans Rosenfeldt, bekannter Krimiautor und Drehbuchautor (skandinavische TV-Serie «Die Brücke», britische Fernsehserie «Marcella» über Netflix) erwartet uns mit dem Auftakt einer neuen Serie. Die Erwartungen waren hoch. Rosenfeldt hat geliefert. Die Kleinstadt Haparanda, nahe der finnischen Grenze, wird zufällig zum Schauplatz eines Drogendeals. Wer hat die Drogen und das Geld, wer wird sie am Ende bekommen? Der einzige der durchblickt, ist der Leser – Dank Mehrperspektivität. Denn alle Protagonisten tappen im Dunkeln – wissen nichts voneinander. Ein komplexer und spannungsreicher Thriller! Weiter zur Rezension:    Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

Rezension - Die Grille in der Geige von Anna Haifisch

  Eines Sommers findet eine wandernde Grille im Wald eine alte Geige . «Wie praktisch!», ruft sie und zieht in das geräumige Instrument ein. Sie töpfert und zieht Nudeln und des Nachts zupft sie die Saiten, erfreut alle Insekten und Mäuse in der Umgebung mit ihrer Musik. Doch als ein bitterkalter Winter das Land überzieht, stürmen die Insekten das Heim der Grille , zerhacken es und zünden es an … Ein humorvolles Bilderbuch ab 4 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Grille in der Geige von Anna Haifisch 

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck  

Rezension - Dunkle Sühne von Karin Slaughter

  Gesprochen von NinaPetri  Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 19 Stunden und 55 Minuten  Willkommen in North Falls - einer kleinen Stadt, in der jeder jeden kennt. Das glauben zumindest alle. Bis zum großen Feuerwerk am 4. Juli . Als in dieser Nacht zwei Teenager-Mädchen verschwinden, ist die Stadt in Aufruhr. Für Deputy Emmy Clifton wird der Fall zur Bewährungsprobe – beruflich und persönlich, ihr Vater ist der Sheriff der Kleinstadt. Eines der vermissten Mädchen ist die Tochter ihrer besten Freundin, und Emmy weiß, dass sie sie nach Hause bringen muss, um eine alte Schuld zu begleichen. Doch je tiefer Emmy in die Ermittlungen eintaucht, desto stärker wird ihr bewusst, dass hinter den vertrauten Gesichtern der Kleinstadt dunkle Abgründe lauern. Ein klasse Auftakt für eine Serie,  Copkrimi , Whodunnit , ein düsterer, stimmungsvoller literarischer Krimi aus den ländlichen Südstaaten, gut aufgebaute Charaktere, toxische Männlichkeit , Spannung, Familiendramen, Wendun...

Rezension - Aggie und der Geist von Matthew Forsythe

  Aggie freut sich darauf, endlich in ihr eigenes Haus einzuziehen – bis sie feststellt, dass dort bereits ein Geist wohnt. Das Zusammenleben läuft mehr schlecht als recht; nirgendwo hat sie ihre Ruhe. Also stellt Aggie Regeln auf. Doch der Geist hält sich leider nicht gerne an Regeln, bricht sie alle. Aggie fordert ihn völlig entnervt zu einem Wettkampf in Tic-Tac-Toe heraus – wer gewinnt, bekommt das Haus. Ein herrliches Bilderbuch an 4 Jahren, das mit viel Humor geschrieben ist und eine Menge Diskussionen zum Zusammenleben bietet. Weiter zur Rezension:    Aggie und der Geist von Matthew Forsythe