Direkt zum Hauptbereich

Im Namen der Lüge von Horst Eckert - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing


Im Namen der Lüge 


von Horst Eckert


Der Anfang:

Manchmal vergleiche ich meinen Beruf mit dem Winter.

Keiner mag es, wenn die Tage kurz sind und die Nächte schwarz. Wir denken an Stillstand und Tod. Dabei verkennen wir den Charakter dieser Jahreszeit. In Wahrheit bereitet sie ein weiteres Leben vor – je dicker der Mantel aus Schnee, desto reicher die künftige Ernte.


Linke Terroristen, rechte Terroristen ein Verwirrspiel – mitten drin der Geheimdienst, der intern Geheimnisse verbirgt, sich gegenseitig überwacht – selbst mitmischt. Was ist die Wahrheit? Der Thriller beginnt mit dem Überfall von drei Ex-Terroristen auf einen Geldtransporter – die RAF-Rentnergeneration, die sich bisher im Untergrund versteckt halten konnte. Brauchen Sie die Gelder aus ihren Überfällen lediglich zum Überleben oder wollen sie sich wieder organisieren mit einer neuen Generation? Im nächsten Kapitel steigen wir in die rechte Szene ein. Polizeieinsatz in der «Freien Republik Hellershof» am Rande von Düsseldorf. Eine Frau hat die Polizei gerufen, ihr Mann habe aus Eifersucht einen Mitbewohner ermordet. Später stellt sich heraus, der Tote ist ein investigativer Journalist, der undercover in der rechten Szene recherchierte und eine Veröffentlichung über Reichsbürger plante. Und wenn es hier kein politisches Motiv gibt, warum sind Handy und Laptop des Toten verschwunden? Vincent Veih (bekannt aus den vorherigen Thrillern von Horst Eckert) ermittelt. 

Plant die RAF neue Anschläge?

Melia Khalid arbeitet für den Verfassungsschutz, Abteilung Linksextremismus, sie ist die Tochter einer Somalierin und eines deutschen Karrierepolitikers der CDU. Ein Strategiepapier zur Bildung einer neuen RAF spaltet plötzlich die Linke Szene. Die Alt-Linken lehnen Gewalt ab. Doch da taucht eine Frau auf, die zur Gewalt aufstachelt, zum Terroakt auffordert. Wo kommt sie her? Bei Melia Khalid taucht der Verdacht auf, die eigenen Leute hätten sie eingeschleust. Und wer ist dieser Typ, den sie als Informant rekrutieren musste? Ihre Vorgesetzten schätzen sein angebliches Wissen, er war schon damals der wichtigste Informant, zu Hochzeiten der RAF. Sie glaubt aber, dass er in die heutige linke Szene keinen Einblick hat. Sie benutzt ihn nun für ihre eigenen Inszenierungen. Als eine der «RAF-Omas» tot aufgefunden wird, kreuzen sich die Wege von Vincent Veih und Melia Khalid das erste Mal.


Überzeugendes Szenario

Ich schwör’s, gegen Westkreuz ist die Kameradschaft ein Kindergarten. Du kriegst ‘ne echte Ausbildung. Wie man sich verteidigt oder ein Haus voller Zecken stürmt. Schulung in Rhetorik und Staatskunde, das wär doch was für dich. Und sobald in Deutschland aufgeräumt wird, winkt dir ein guter Posten. Die niedrigen Mitgliedsnummern kommen zuerst dran, also beeil dich.


Horst Eckert hat hier ein Konglomerat von rechten Milizen, Reichsbürgern, Bundeswehroffizieren, Polizisten und Verfassungsschützern entworfen, die auf den Tag X hinarbeiten: Die Übernahme der Staatsmacht. Dass der BND rechts durchsetzt ist seit 1945, und warum das so ist, ist lange bekannt. Ebenso, dass es in den Eliteeinheiten der Polizei und Bundeswehr rechte Gruppen gibt (das gilt natürlich nicht für die Mehrheit). Der Staat auf dem rechten Auge blind – nichts Neues, für den, der politisch interessiert ist. Aber es ist immer wieder befremdlich, welch Erstaunen durch die Politik geht, wenn solche Dinge an die Öffentlichkeit geraten. Ich muss sicher nicht die ganzen Operationen und Auffälligkeiten der letzten Jahre, der jüngsten Geschichte, dazu aufzählen. «False Flag»-Operationen, Anschläge, die bewusst von Geheimdiensten der Welt verübt werden, um sie bestimmten Gruppen in die Schuhe zu schieben – oder schlicht Pamphlete, die im Namen von jemandem veröffentlicht werden, um ihn zu diskreditieren – eine übliche Taktik. Liest man diesen Thriller, so läuft es einem eiskalt über den Rücken. Am Ende angelangt, holt man tief Luft. Ja, genauso könnte es gewesen sein. Das Szenario klingt echt und überzeugend und die 572 Seiten fliegen vorbei, denn der Roman ist ein echter Pageturner. Man muss auch dranbleiben, da Horst Eckert hier extrem viel Personal auffährt. Manchmal gerät man mit den vielen Namen ins Schwimmen. Es gibt eine Menge Baustellen und Perspektiven in diesem Thriller, der Autor beleuchtet seine Geschichte aus allen Winkeln. Und genau das treibt den Plot voran, macht ihn spannend mit seinen vielen Cliffhangern. Das Ende ist mir ein wenig zu abgehackt, das geht ein wenig schnell um die Ecke und lässt zu viel offen. Absicht? Denn dies ist der Auftakt zu einer neuen Serie: Melia-Khalid-Reihe (1) im Heyne Verlag, Randomhouse-Gruppe. Bisher hatte Eckert im Wunderlichverlag, Rowohlt-Gruppe veröffentlicht, Hardcover und TB. Immerhin konnte der Ermittler Vincent Veih mit umziehen. Wer gern politische Thriller liest, der wird an diesem viel Spaß haben. Warum die Serie Melia-Khalid heißt, ist mir am Ende ein Rätsel. Ich verrate es nicht – selbst lesen …


Horst Eckert, 1959 in Weiden/Oberpfalz geboren, lebt seit vielen Jahren in Düsseldorf. Er arbeitete fünfzehn Jahre als Fernsehjournalist, u.a. für die «Tagesschau». 1995 erschien sein Debüt «Annas Erbe». Seine Romane gelten als «im besten Sinne komplexe Polizeithriller, die man nicht nur als spannenden Kriminalstoff lesen kann, sondern auch als einen Kommentar zur Zeit» (Deutschlandfunk). Sie wurden unter anderem mit dem Marlowe-Preis und dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet und ins Französische, Niederländische und Tschechische übersetzt. «Im Namen der Lüge» erhielt die «Silberne Lupe» des Crime Cologne Award.


Horst Eckert   
Im Namen der Lüge
Thriller, politischer Krimi
Melia-Khalid-Reihe (1)
Paperback , Klappenbroschur, 576 Seiten
Heyne Verlag

Interview mit Horst Eckert: Interview mit Horst Eckert

Weitere Rezensionen zu Thrillern von Horst Eckert:

Kriminalliteratur: Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre

Auf dieser Seite kommen die Kriminalisten zu Wort – die Schreibenden. Was ist Kriminalliteratur? Kann man das in einem Satz beantworten. Nein. Denn diese Genres haben jede Menge Untergenres, die sich teilweise überschneiden oder letztendlich so gar nichts miteinander zu tun haben. Und wer nun neugierig ist, wie viele Untergenres es gibt, was sie ausmachen, wie vielfältig sie in Machart und literarischer Gestaltung sie sind, wie viel Arbeit in ihnen steckt, wissen möchte, was Autor*innen, Verleger*innen zu ihrem Genre zu sagen haben der sollte sich diese Seite ansehen. So verschieden, wie die Autor*innen sind, so verschieden sind ihre Texte. Es lohnt sich auf jeden Fall sie zu lesen, das kann ich garantieren! - Diese Folge hat gerade erste begonnen, Stück für Stück folgen weitere Beiträge:
Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre


Aus dieser Rubrik ein Artikel von Host Eckert:

© Horst Eckert

Wie ich zum politischen Krimi kam 


Horst Eckert hat mir einen sehr persönlichen Text geschrieben. Er ist ein bekannter Krimiautor des Genre «Politkrimi». Warum hat er dieses Genre gewählt? Folgendes sagt er dazu:
Die Erzählung eines Mordfalls wirft ein Licht in die Abgründe des Menschen und der Gesellschaft. Mich interessieren die Mechanismen unseres Zusammenlebens. Mit dem Märchen vom guten Kommissar, der den bösen Unhold schnappt und dadurch die Welt wieder in Ordnung bringt, kann ich nicht viel anfangen. Die Welt war vor dem Delikt nicht in Ordnung, und sie ist es auch hinterher nicht. Das Schreiben ist für mich immer auch ein Nachdenken über unser Mit- und Gegeneinander.
Neugierig? Hier geht es weiter zum Text:    Wie ich zum politischen Krimi kam

Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Zappenduster von Hubertus Becker

Wahres aus der Unterwelt Kurzgeschichten aus der Unterwelt: »Alle Autoren haben mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht.« 13 Geschichten von 6 verschiedenen Autor*innen. Diverse Schreibstile, vermischte Themen, aber das Zentralthema ist Kriminalität. Knastgeschichten, Strafvollzug, die Erzählungen haben mir unterschiedlich gut gefallen – zwei davon haben mich beeindruckt, die von Sabine Theißen und Ingo Flam. Weiter zur Rezension:  Zappenduster von Hubertus Becker 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli

  Eine witzige Geschichte über ein starkes Mädchen, das Verantwortung für ihre Umwelt übernimmt. Eines Tages kommt Juli aus dem Haus und der Baum ist weg. Wo mag er geblieben sein? Doch als Juli nach Hause kommt, liegt er in ihrem Bett: «Kein Bock mehr!» Den Baum hat es erwischt: Burnout. Kein Wunder, dass er so viel arbeiten muss, denn er ist der einzige Baum weit und breit. Aber wo soll die Amsel denn nun ihr Nest bauen? Und wo soll die Fledermaus schlafen? Kein Problem, meint Juli, der Baum brauchte sicher nur mal eine Pause. Und so lange kann sie ja für die Tiere da sein … Humorvolles Bilderbuch mit Tiefgang ab 3 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli 

Rezension - Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

  Aram Mattioli erzählt zum ersten Mal den langanhaltenden Widerstand der First Peoples in den USA - vom First Universal Races Congress (1911) über die Red Power-Ära und die Besetzung von Wounded Knee (1973) bis hin zu den Protesten gegen die Kolumbus-Feierlichkeiten (1992). Die American Indians waren dabei nie nur passive Opfer, sondern stellten sich dem übermächtigen Staat sowohl friedlich als auch militant entgegen.  Schwer verdaulich, wie die Native Americans noch im 20. Jahrhundert entrechtet und diskriminiert wurden. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Rezension - Ein Freund wie kein anderer von Oliver Scherz und Barbara Scholz

Die Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft, die einige Krisen überwinden muss. Ein illustriertes spannendes Kinderbuch zum Vorlesen, ebenso für Erstleser geeignet. Ein Erdhörnchenkind und ein Wolf freunden sich an, haben manches Abenteuer zu bestehen und ihre Freundschaft wird auf die Probe gestellt. Weiter zur Rezension:    Ein Freund wie kein anderer von Oliver Scherz und Barbara Scholz

Rezension - Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Dieses witzig-gruslige Jugendbuch, bzw., schlicht Comic, nimmt eine über 100 Jahre alten Geschichte von John Kendrick Bangs auf. Die Comic-Zeichnerin Barbara Yelini interpretiert die Story neu mit wundervollen Wasserbildern. Ein wundervoller Comic für Jugendliche, die nicht sehr lesebegeistert sind. Zur Rezension:    Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Rezension - In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

  Kemi, Brittany-Rae und Muna: drei Frauen leben in Schweden – drei völlig unterschiedliche Lebenswelten; eins haben sie gemeinsam: Sie sind schwarz und nicht in Schweden geboren. Ihre Ausgangssituationen können kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem beginnen sich ihre Leben auf unerwartete Weise zu überschneiden – in Stockholm, einer als liberal geltenden Stadt. «In allen Spiegeln ist sie Schwarz» erzählt die schwierigen Themen Migration, Rassismus, Sexismus und Identität mit Leichtigkeit; obwohl nichts komplexer ist als dieser Themenbereich. Spannender zeitgenössischer Roman. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

Kreativ - Kunst - Zeichnen - Lesen - Künstler - Was gibt es Neues?

Kreativ - Kunst - Zeichnen - Lesen - Künstler - Was gibt es Neues? Große Kunst wird gekauft und verkauft, sie kommt unter den Hammer und wird vorn und hinten versichert. Kleine Kunst ist kein Produkt. Sie ist eine Haltung. Eine Lebensform. Große Kunst wird von ausgebildeten Künstlern und Experten geschaffen. Kleine Kunst wird von Buchhaltern geschaffen, von Landwirten, Vollzeitmüttern am Cafétisch, auf dem Parkplatz in der Waschküche.  (Danny Gregory) Das Farbenbuch von Stefan Muntwyler, Juraj Lipscher und Hanspeter Schneider Als ich dieses Kraftpaket von Buch in den Händen hielt, war ich zunächst einmal platt. Wer dieses Sachbuch hat, benötigt keine Hanteln mehr! Aber Spaß beiseite, wer dieses Buch gelesen hat, hat auch keine Fragen mehr zum Thema Farben. Farben werden aus Pigmenten hergestellt, soweit bekannt. Die beiden Herausgeber sind der Kunstmaler Stefan Muntwyler und der Chemiker Juraj Lipscher, beide lebenslange Farbspezialisten, und dies ist ein Kompendium der P

Rezension - In der Ferne von Hernan Diaz

  Anfang der 1850er Jahre, Håkan Söderström lebt zu einer Zeit in Schweden, in der die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Auszuwandern ins gelobte Land Amerika scheint eine Chance. So schickt der Vater die ältesten Jungen los. Zusammen mit seinem großen Bruder Linus steigt Håkan auf das Schiff nach England. Von dort soll es nach Nujårk, New York, weitergehen, doch im Hafen von Portsmouth verlieren sich die Brüder. Håkan fragt sich durch: Amerika! Doch der Bruder erscheint nicht auf dem Schiff – denn Håkan sitzt auf dem nach Buenos Aires. Das kapiert er zu spät, steigt in San Francisco aus. New York ist sein Ziel. Fest entschlossen, den Bruder zu finden, macht er sich zu Fuß auf den Weg, entgegen dem Strom der Glückssucher und Banditen, die nach Westen drängen. Sprachlich ausgefeilt, eine spannender, berührender Anti-Western, ein Drama mit einem feinen Ende. Die Epoche der Besiedlung Amerikas, Kaliforniens, wird hautnah eingefangen. Empfehlung! Weiter zur Rezension:  In der Ferne v