Direkt zum Hauptbereich

Humor im Krimi von Jürgen Seibold


Humor im Krimi 


von Jürgen Seibold


©Stefanie de Buhr

Humor im Krimi ist auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich, denn wenn jemand stirbt, in Kriminalromanen zudem meist ermordet wird, schreit das nicht zwingend nach einer Pointe. Und trotzdem sind mir als Leser und mehr noch als Autor oft solche Krimis am liebsten, die einen immer mal wieder zum Schmunzeln oder gern auch zum Lachen bringen. Vor allem in Regionalkrimis – und diesem Genre lassen sich die meisten meiner bisherigen Krimis zurechnen – gibt es viele Möglichkeiten, Humor in eine an sich tragische und hoffentlich spannende Geschichte einzubauen. Da versteht der zugereiste Kommissar die Einheimischen nicht, Mordmethoden fallen seltsam aus, Ermittler und Zeugen pflegen diverse Marotten, Befragte vertrotteln sich so lange in ihren Lügen, bis sie sich das Geständnis versehentlich selbst aus der Nase gezogen haben – ich finde solche Wendungen unterhaltsamer, als alle zehn Seiten über eine neue Leiche zu stolpern.

Die Besonderheiten einer Gegend oder eines Menschenschlags 

In meinem ersten Krimi ENDLICH IST ER TOT, der 2007 erschien, wird das Mordopfer in einem kleinen schwäbischen Dorf aufgefunden, und natürlich verstehen die Einwohner, dass die Kripo jetzt ermitteln, alle befragen und nach Zeugen und Indizien suchen muss. Aber so ein Kommissar stört halt auch, wenn eigentlich dringend der Fremdenverkehr im Ort angekurbelt und die Mostäpfel geerntet werden sollten. Aus solchen Konstellationen – und zahlreiche Kolleginnen und Kollegen haben das schon in ihren wunderbaren Krimis bewiesen – lassen sich humoristische Funken schlagen, ohne dass die Spannung oder die Möglichkeit zum Miträtseln darunter leiden müssen. Im Regionalkrimi kann man auf diese Weise auch augenzwinkernd die Besonderheiten einer Gegend oder eines Menschenschlags einbauen, und wenn man sich als Autor nicht über das Personal des Buches lustig macht, sondern erkennen lässt, dass man noch seine schrägsten Figuren mag, selbst auch die ganz Neugierigen mit dem Kissen auf der Fensterbank, nimmt einem das auch vor Ort niemand übel.




Starke Kontraste

Was Humor im Krimi ebenfalls ermöglicht, sind starke Kontraste: Da kann ein launiger Dialog eine positive Stimmung schaffen, bevor unvermittelt ein brutaler Mord ins Bild bricht – und umgekehrt löst ein Schuss schwarzer Humor die Anspannung selbst am blutigsten Tatort; in Fernsehkrimis sind dafür oft hemdsärmelige Rechtsmediziner zuständig.

Ohnehin: das Fernsehen. Wenn es nicht gerade um düstere Serien aus Skandinavien geht, gönnen die Regisseure ihren Kommissaren gern eine gute Portion Humor. Am meisten herausnehmen dürfen sich in dieser Hinsicht die «Tatorte» aus Weimar (mit Nora Tschirner und Christian Ulmen), Münster (mit Axel Prahl und Jan Josef Liefers) und mit Ulrich Tukur als hessischem LKA-Kommissar. Oder Hinnerk Schönemann, der in der Serie «Nord bei Nordwest» schon auch mal fragt, wenn ihm der Name eines Mordopfers genannt wird: «Hinnerk – was soll das denn für ein Vorname sein?»

Nicht selten ähnelt eine Figur vor allem mir

Solche Selbstironie ist für mich die schönste Form von Humor: Gags nicht auf Kosten anderer zu machen, sondern sie auf die eigenen Schultern zu laden. Deshalb nehme ich als Schwabe, Autor und gelernter Journalist besonders gern Schwaben, Autoren und Journalisten auf die Schippe. Nicht selten ähnelt eine Figur, der ich besonders zusetze, in irgendeiner Eigenschaft vor allem mir, und auch meine Hauptfiguren müssen es sich immer wieder gefallen lassen, dass ich sie in Situationen bringe, aus denen sie ohne Lacher nicht mehr herauskommen.




Der eine liebt eher die Schenkelklatscher, der andere feine Dialoge 

Natürlich schreibe ich auch gern mal einen ernsten, düsteren Krimi, der vorrangig auf Spannung setzt – aber schon, wenn ich daraus vor Publikum eine ebenso ernste Lesung machen will, scheitere ich meistens. Und scheitere gern, denn eine Lesung soll meiner Meinung nach unterhalten, einen schönen, gern auch lustigen Abend bereiten, und was hilft da besser als einige Szenen und Erzählungen zwischendurch, die die Zuschauer zum Lachen bringen.

Schwieriger ist es mit dem Humor während des Schreibens. Gerade ging eine schlechte Nachricht ein, man kehrt von der Beerdigung eines Freundes an den Schreibtisch zurück oder hat einen unangenehmen Termin vor sich – in solchen Momenten ist Humor auch harte Arbeit. Vor allem, weil sich hinterher alles leicht und fließend lesen soll. Und weil nicht jeder Humor jedermanns Sache ist. Der eine liebt eher die Schenkelklatscher, der andere feine Dialoge – und manchmal ist das Setting eines Mordes auch so brutal oder abstoßend, dass man es sich als Autor genau überlegen muss, wann und wie da Humor seinen Platz finden kann.

Frei erfundene Mordfälle

Für mich hat das zu einer Grundregel für meine Krimis geführt: Ich schreibe nur über frei erfundene Mordfälle, nehme keine echten Verbrechen als Vorlage. Denn wie könnte ich mit den handelnden Personen meine Späße treiben, wenn der Krimi auf einer wahren Geschichte basieren würde? Wenn jede Pointe reale Menschen verletzen, verhöhnen oder der Lächerlichkeit preisgeben könnte? Denn jeder Mord, auch jedes andere schwere Verbrechen lässt nicht nur diejenigen als Opfer zurück, auf die es eine Täterin oder ein Täter abgesehen hatte – sondern zusätzlich deren Angehörige, auch die Angehörigen der Täter, deren Welt danach ebenfalls aus den Fugen gerät. Genau wie Augenzeugen, zu Unrecht Verdächtigte, und letztlich auch die Ermittler, manche früher, manche erst nach vielen Jahren. Diese Folgen, das gebe ich gern zu, sind kein bisschen lustig.

Aber zumindest im Wissen, dass es auch diesmal, im Roman, zum Glück nur fiktive Figuren getroffen hat, sind sie mit einem Schuss Humor leichter zu verdauen.

Weitere Informationen und zur Website von Jürgen Seibold: Jürgen Seibold






Kriminalliteratur: Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre   

Auf dieser Seite kommen die Kriminalisten zu Wort – die Schreibenden. Was ist Kriminalliteratur? Kann man das in einem Satz beantworten. Nein. Denn diese Genres haben jede Menge Untergenres, die sich teilweise überschneiden oder letztendlich so gar nichts miteinander zu tun haben. Und wer nun neugierig ist, wie viele Untergenres es gibt, was sie ausmachen, wie vielfältig sie in Machart und literarischer Gestaltung sie sind, wie viel Arbeit in ihnen steckt, wissen möchte, was Autor*innen, Verleger*innen zu ihrem Genre zu sagen haben der sollte sich diese Seite ansehen. So verschieden, wie die Autor*innen sind, so verschieden sind ihre Texte. Es lohnt sich auf jeden Fall sie zu lesen, das kann ich garantieren! - Diese Folge hat gerade erste begonnen, Stück für Stück folgen weitere Beiträge:


Krimis und Thriller Rezensionen

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz Karnauchow und Petra Thees

  Alter könnte so schön sein. Doch ältere Menschen werden in unserer Gesellschaft diskriminiert. Schlimmer noch, sie denken sich alt und grenzen sich selbst aus, sagen die Autor:innen. Das hat Folgen: Krankheit und Gebrechlichkeit im Alter gelten als normal. Altenpflege folgt daher dem Prinzip «satt, sauber, trocken». Und genau dieses Prinzip kritisieren Dr. Petra Thees und Lutz Karnauchow und gehen mit ihrem Ansatz neue Wege. Dieses Buch stellt einen neuen Blick auf das Alter vor - und ein radikal anderes Instrument in der Altenpflege. «Coaching statt Pflege» lautet die Formel für mehr Lebensglück im Alter. Ältere Menschen werden nicht nur versorgt, sondern systematisch gefördert. Das Ziel: ein selbstbestimmtes Leben. Bewegung, Physiotherapie und Sport statt herumsitzen! Ein interessantes Sachbuch, logisch in der Erklärung, ein mittlerweile erfolgreiches, erprobtes Konzept. Weiter zur Rezension:    Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz...

Interview - Viola Eigenbrodt von Sabine Ibing

                                                                                                                                          © Viola Eigenbrodt Viola Eigenbrodt, freie Journalistin aus dem Kulturbereich, ihr Genre ist der Cosy-Krimi, Geschichten, die im Alpenraum angesiedelt sind, phantastische Geschichten und Entwicklungsromane. Und neuerdings ist Viola Eigenbrodt in die Kinder- und Jugendliteratur eingestiegen. Hier das Interview mit ihr:     Interview...

Rezension - Le Sud: Geschichten und Rezepte aus Südfrankreich - Provence - Alpes - Cote d’Azur von Rebekah Peppler und Joann Pai

  Das Savoir-vivre Südfrankreichs in 80 köstlichen Rezepten und stimmungsvoller Fotografie: Von erfrischenden Cocktails und kleinen Snacks über Vorspeisen, Hauptgerichte und Beilagen, bis hin zu Käse und Desserts, alles, was Südfrankreichs Küche zu bieten hat. Die Provence-Alpes-Côte d’Azur und ihre vielfältigen Koch- und Esstraditionen mit saisonalen Zutaten ausgerichtet. Frankreichs Sommerküche aus dem Süden gekonnt präsentiert. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Le Sud-Geschichten und Rezepte aus Südfrankreich von Rebekah Peppler und Joann Pai 

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Glutspur von Katrine Engberg

  Liv Jensen, ehemalige Polizistin, hat sich als Privatdetektivin in Kopenhagen selbstständig gemacht. Sie bekommt seitens der Polizei den Auftrag, Gemeinsamkeiten zwischen drei Todesfällen zu finden. Der Suizid eines Häftlings auf Freigang, der Tod einer Museumsangestellten und ein dreieinhalb Jahre zurückliegender Mord an einem Journalisten – diese Fälle können doch keine Gemeinsamkeit haben. Oder doch? Unterstützung erhält Liv dabei von Hannah Leon, einer Krisenpsychologin, die gerade selbst einen Schicksalsschlag erlitten hat, und Nima Ansari, einem iranischen Automechaniker, der selbst unter Mordverdacht gerät. Gemeinsam stoßen sie auf eine dunkle Vergangenheit, die jemand unbedingt geheim halten will. Mit allen Mitteln … Solider Krimi für ausdauernde Leser. Weiter zur Rezension:    Glutspur von Katrine Engberg 

Rezension - Skin City von Johannes Groschupf

  Gesprochen von Florian Schmidtke Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer 6 Std. und 37 Min. Der Dienst im Außenbezirk sollte Ruhe in das Leben der Kriminalpolizistin Romina Winter bringen. Doch georgische Einbrecher sind täglich in den Stadtvillen in Dahlem und Lichterfelde unterwegs, und die Bewohner sind in der Folge verängstigt. Die Polizei muss wachsamer sein! Und dann verschwindet auch noch Rominas kleine Schwester. Jacques Lippold nimmt den Berliner Geldadel ganz legal aus, denn er arbeitet als Kunstberater. Berliner Szenen aus verschiedenen Sichtweisen, die sich irgendwann kreuzen werden. Gut aufgebaute Charaktere und atmosphärisches Berlin-Milieu-Feeling heben den Krimi ab, der gut geschrieben eine Empfehlung ist! Weiter zur Rezension:    Skin City von Johannes Groschupf