Rezension
von Sabine Ibing
Factfullness
Hans Rosling
Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist
Meine Studenten im Fach Weltgesundheit und alle anderen Probanden wussten sehr wohl etwas, aber ihr Wissen war überholt, häufig mehrere Jahrzehnte alt. Die Menschen hatten eine Weltsicht aus der Zeit, als ihre Lehrer gerade die Schule abgeschlossen hatten.
Ich höre immer wieder: Die Welt ist so schlecht geworden. Woher kommt diese Einstellung? In meiner Kindheit lasen wir die Tageszeitung, erhielten Informationen ein paar Kilometer über die Stadtgrenze hinaus, erfuhren etwas über große Weltereignisse. Heute erfahren wir, wenn in Timbuktu ein Kind aus dem Fenster fällt. Nachrichten und Sensationen haben leider in der Regel eine Negativtendenz, selten wird darüber berichtet, wenn Gutes geschieht, das nehmen wir als Normalität wahr. Aber hat sich die Welt wirklich zum Schlechten verändert und wenn das nicht so ist, wie können wir herausfinden, wie die Welt sich entwickelt? Woran können wir uns erfreuen? Was verführt uns zu einer dramatisierten Weltsicht, die völlig an der Realität vorbeiläuft?
Wie viele Mädchen absolvieren heute die Grundschule in den Ländern mit niedrigem Einkommen? – 20, 40 oder 60 Prozent?
Wie sieht es wirklich in der Welt aus?
Hans Rosling aus Uppsala war Professor für internationale Gesundheit am Karolinska Institutet und Direktor der Gapminder-Stiftung in Stockholm, Gründungsmitglied von Ärzte ohne Grenzen in Schweden, arbeitete als Berater für die Weltgesundheitsorganisation und das Kinderhilfswerk UNICEF. Gleich zu Anfang dieses Buchs finden wir einen Test mit Fragen zur Weltgesundheit und -bildung. Und mit großer Wahrscheinlichkeit verhauen ihn die meisten Menschen durch ihr faktisches Unwissen. Die WHO usw. führen Statistiken und anhand dieser präsentiert Rosling in diesem Buch, dass es den Menschen weltweit jedes Jahr besser geht. Der Anteil von Armut hat sich weltweit mehr als halbiert, rasant schneller als jemals in der Geschichte, und 80 Prozent der einjährigen Kinder auf der Welt sind geimpft. Letzteres hat mich erstaunt. Die Frage oben wird von nur durchschnittlich 7 Prozent der Befragten richtig beantwortet. Die richtige Antwort lautet 60 Prozent. Hätten Sie es gewusst? Nein? Sie sind dann in der Reihe mit Hochschulprofessoren, die auch danebenlagen. In nur noch zwei Ländern der Welt ist es den Mädchen verboten, zur Schule zu gehen. Viele Gedanken entspringen unserem Gefühl, nicht dem logischen Denken. Oft genug wird dieses Gefühl durch absichtliche Falschmeldungen bestimmter Gruppen in sozialen Netzwerken bestärkt.Vier Einkommensstufen in der Welt
Was ist Armut? Sicher dürfen wir diesen Begriff nicht an unserem hohen Lebensstandard messen. Rosling spricht von 4 Einkommensniveaus und möchte den Begriff Entwicklungsländer abschaffen, der nicht aussagekräftig ist. Wer möchte heute noch China als Entwicklungsland bezeichnen? Nach der Berechnung des Einkommens leben 75 Prozent der Menschen in Stufe 2 und 3, gleichberechtigt wenig leben in Stufe 1 und 4, je 12,5 Prozent. Diese Einkommensstufen unterscheiden sich in den Bereichen Wasserzugang, Transportmittel, Kochen und Teller mit Essen. Siehe Bild unten.Statistiken und Aussagen richtig lesen
Zwischen 2007 und 2016 wurden in Ländern der Stufe 4 insgesamt 1439 Menschen von Terroristen umgebracht. In den 10 Jahren davor waren es 4358.
Man kann diese Information so stehen und wirken lassen.
In dieser Zahl sind die Opfer der größten Attacke, die es je gab, enthalten, die 2996 Menschen, die am 11. September ihr Leben verloren.
Schon wirkt die erste Aussage anders. Statistische Aussagen prüfen und in Relation setzen, denn gern wird uns Angst gemacht, in dem man uns mit der halben Wahrheit täuschen möchte. Dies Buch ist sehr hilfreich, sein generelles Denken über die Welt zu überdenken und sich zu informieren. Diese Statistiken (alle von 2016) sind für jeden zugänglich. Nicht alles glauben, nicht allen Gefühlen trauen, nach Fakten schauen.
Früher war die Welt größtenteils barbarisch, heute ist sie es meistens nicht. Für die Menschen in Syrien ist dieser Trend natürlich kein Trost.
Der Mensch denkt instinktiv statt faktisch
Nein, die Welt ist nicht überall in Ordnung, daran sollten wir immer denken. Allerdings ist sie nicht so schrecklich, wie die meisten Leute denken. 10 Instinkte des Menschen lenken ab, die Wahrheit zu erforschen und sich vom Bauch irreleiten zu lassen. Hans Rosling zählt diese Instinkte auf, bereichert sie mit Beispielen und erklärt, wie man mit diesen Gefühlen umgeht und wie man vermeidet, in die eigene Sackgasse zu laufen.Wann sind wir selbst auf Stufe 4 angelangt? In meiner Kindheit hatten noch viele Menschen in der Stadt lediglich Kaltwasser in Küche und Bad (wer ein hatte), der Herd und der Badeofen wurden mit Holz befeuert, ein Kohleofen befand sich im Wohnzimmer. Wer hatte schon ein Auto? Auch zu meiner Studentenzeit besaßen noch viele Menschen kein Bad, hatten die Toilette auf halber Treppe im Hausflur, meine Verwandten in Österreich pumpten Wasser vor dem Haus, hatten ein Plumpsklo im Hof stehen. Der Wohlstand ist rasant bei uns eingezogen mit Telefon, Waschmaschine, Staubsauger, Auto, TV usw. Die Welt verändert sich zum Guten, nicht nur bei uns.
Das Geschäft mit der Angst
Das Beste, was man rhetorisch instrumentalisieren kann, um Menschen zu überzeugen, ist es, Angst zu verbreiten – oder absolut zu beschwichtigen. Beides ist Lüge, am besten funktioniert es mit der Angst. Wenn also jemand mit großen Angstszenarien daherkommt, dann sollte man aufhorchen. Fakten checken! Fakten gegen Sprüche und Lügen! Hans Rosling sagt, er werde oft als Optimist bezeichnet. Er selbst sieht sich als Realist. Ein Sachbuch voller Fakten und humoristischer Anekdoten, leicht zu lesen, ein wichtiges Buch meiner Meinung nach.Dieses Buch ist mein letzter Kampf in meiner lebenslangen Mission, verheerende Ignoranz zu bekämpfen.
Hans Rosling, geb. 1948 in Uppsala /Schweden, gestorben im Februar 2017, war Professor für Internationale Gesundheit am Karolinska Institutet und Direktor der Gapminder-Stiftung in Stockholm. Er war Gründungsmitglied von Ärzte ohne Grenzen e.V. in Schweden und Mitglied der Internationalen Gruppe der Schwedischen Akademie der Wissenschaften. Zusammen mit seinem Sohn Ola Rosling und seiner Schwiegertochter Anna Rosling Rönnlund gründete Hans Rosling die Gapminder-Stiftung. Es war ihm ein großes Anliegen, dieses Buch vor seinem Tod fertigzustellen, um den Menschen Mut zu machen. Die Welt an sich ist nicht schlecht, für die meisten Menschen wird das Leben in jedem Jahr besser.
Ja ich habe das Buch gelesen und als Eine Welt Laden Betreiber hatte ich schon lange das Gefühl, dass es voran geht. Jetzt habe ich nicht nur mehr Fakten sondern eben auch die Gründe, warum so viele einfach falsch denken. Die Urinstinkte Angst aber eben auch unser deutscher Perfektionismus führen ja auch dazu, dass wir oft weniger froh sind als die Menschen die nicht unseren "Wohlstand" haben. Auch führt unser Überfluss oft zum Überdruss..
AntwortenLöschenPeter Schaller