Rezension
von Sabine Ibing
Dunkelgrün fast schwarz
von Mareike Fallwickl
Der erste Satz: Mit der Fingerkuppe streicht Moritz über Alaska, das Muttermal unter Kristins Bauchnabel.
Kann ein Mensch von Geburt aus schlecht sein? - oder die Bestie Mensch. Die Frage stellt sich die Autorin in diesem Buch. Erniedrigen und erniedrigen lassen, dazu gehören immer zwei. Der Roman zieht den Leser zunächst mit einem tiefen Sog in das Buch hinein, was war und was wird sein? Moritz und Kristin wohnen in einer Altstadtwohnung einer Kleinstadt. Die Geburt ihres ersten Kindes steht kurz bevor. Mitten in der Nacht klingelt es. Vor der Tür steht Rafael, Moritz bester Freund. Sie haben sich seit 16 Jahren nicht gesehen. Rafael war damals urplötzlich verschwunden, aus seinem Leben, aus der Stadt, unauffindbar.
›Dass wir jetzt mehr sind als Freunde. Wie verwandt‹, sagte Raf und schaute ihn immer noch an. ›dass du mir gehörst.‹
Der Roman ist auf zwei Zeitebenen entwickelt, das Heute, und der Hauptteil geht zurück in die Vergangenheit. Dabei bedient sich die Autorin verschiedener Perspektiven: Moritz, Rafael, Johanna und Marie. Es ist die Geschichte von Marie und die von Moritz, Rafael und Johanna. Für Marie und Alexander wird ihre erste Begegnung auf der Abschlussparty nach der Prüfung der Krankenschwestern nicht ohne Folgen bleiben. Der Medizinstudent ist sofort bereit, die schwangere Marie zu heiraten, sehr zum Ärger seiner Eltern. Sie ziehen später in das Haus von Alexanders Großeltern, die gerade verstorben sind, ein Haus oben am Wald, in einer Kleinstadt bei Salzburg. Alexander wird später die Arztpraxis seines Vaters übernehmen. Marie fühlt sich in der Einsamkeit unter »Dörflern« nicht wohl. Sie geht mit dem vierjährigen Moritz und ihrem Baby auf den Spielplatz, wo sie auf Sabrina mit identisch gleichaltrigen Kindern trifft. Moritz und Rafael, Motz und Raf, eine feste Kinderfreundschaft, schließt ihr Band. Am nächsten Tag kommen sie in den gleichen Kindergarten und später besuchen sie die gleiche Schule, machen gemeinsam die Matura – Blutsbrüder. In der letzten Klasse kommt Johana dazu, eine Waise, die nun bei ihrer Tante leben muss. Aus dem Duo wird ein Trio: Motz und Jo und Raf. Kurz nach der Matura bricht alles auseinander. Moritz hat die beiden anderen nie wieder gesehen, noch je etwas von ihnen gehört.
Sie lag da und lächelte. So manche vermeidliche Niederlage ist in Wahrheit ein getarnter Sieg. Sie hatte ihn genauso in der Hand, wie er sie, nie würde er bei einer anderen finden, was sie ihm geben konnte, Unterwerfung, Hingabe.
Johanna, die berühmte Bloggerin, die durch die Welt zieht und den Blog verächtlich betreibt – für Kohle. Die Leute sind egal, Klicks zählen, denn mit Klicks kommt man zu Geld. Extrem provokativ, hässlich, darum sticht sie heraus, sie weiß, wie man nach Aufmerksamkeit fischt. Hier gibt es jede Menge Klischees zu entdecken.
Abhängigkeit und Unterwerfung, ein altes Thema der Literatur. Ein zunächst spannender Roman, und genau darum ist er gute Unterhaltungslektüre. Doch je mehr ich lese, desto mehr stöhne ich, aufgrund der Einseitigkeit. Schaut man hinter die Fassade, wird hier mit Archetypen und ziemlich vielen Klischees gearbeitet. Alle Protagonisten sind extrem attraktiv. Böse und Gut ist von Anfang an klar definiert, wechselt nie die Rolle. Die gute, aufrechte Familie, die durchweg böse Familie. Das Gute ist fasziniert vom Bösen und lässt sich hin wieder verführen, wird vom Bösen ausgenommen, bleibt aber stets aufrecht. Die Rollenklischees sind auch klar definiert. Gelangweilte Hausfrauen, die es schwer mit den Kindern haben, die ordentliche Frau, die Hübsche mit den Rehaugen, dagegen die Schlampige, die Aufreizende, bei der sogar die Putzfrauen weglaufen, weil sie die Unordnung nicht ertragen. Hart arbeitende Männer, die die Familie versorgen, aber nie zu Hause sind. Marie weiß von ersten Augenblick an, dass der vierjährige Rafael böse ist. Der Blick des Bösen wird oft erwähnt.
In der Nacht ist das Sehnen am größten. Es schwebt. Es wabert und gleitet und tropft.
Die Metaphern und Bilder sind arg überzeichnet, lassen den Leser manchmal die Augen verdrehen. Auch die Dialoge sind überzeichnet, alles wird im Detail auserzählt. Um noch einen draufzusetzen, ist Rafael ein Zeichengenie, bzw. er kann um alle Dinge Farbauren wahrnehmen. Er sieht die Farben, die Menschen ausstrahlen, grün, gelb rot, in allen Schattierungen. Und der Roman braucht harte Sexszenen, Sex sells. Genau darum hat das Buch fast 500 Seiten. Psychologisch gesehen, ist die Geschichte nicht ausgefeilt. Ich hatte mir mehr davon versprochen. Sicher ist der Roman eine gute Filmvorlage. Manchmal ein bisschen Kitsch lesen: Drama Baby! Aber man muss den Roman nicht
gelesen haben.
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