Rezension
von Sabine Ibing
Die Spurenleserin
von Patricia Wiltshire
Die spektakulärsten Kriminalfälle einer biologischen Forensikerin
Die Forensikerin Patricia Wiltshire berichtet von ihrer Arbeit als biologische Forensikerin und wie die Natur bei der Aufklärung von Verbrechen hilft, was die Spuren von Pollen, Sporen, Pilzen usw. verraten. Ich habe lange daran gelesen, immer wieder unterbrochen, darüber nachgedacht, das Sachbuch abzubrechen. Die Neugier zum Thema hat über den Schreibstil gesiegt. Bei jedem Kriminalfall werden Spuren aus der Natur hinterlassen – und die biologische Forensikerin Patricia Wiltshire ist eine Meisterin darin, sie zu lesen und berichtet in dieser True-Crime-Reportage von ihren spektakulärsten Fällen. Wiltshires wissenschaftliche Arbeit ist durchaus interessant, ebenso wie ihr beruflicher Werdegang. Die Details ziehen sich bis ins Kleinste, fast wie im Fachbuch. Aber dabei schweift sie ständig ab, und ihre Selbstbeweihräucherung und Missachtung gegenüber Kollegen und anderen Menschen ging mir gewaltig auf die Nerven.
Pflanzenreste geben Auskunft
Pollen an einer Jacke führen zum Täter und Erdspuren im Auto verraten, wo ein Mörder seine Leiche vergraben hat. Puzzleteile setzen ein Bild zusammen und manchmal bringt genau dieser entscheidende Hinweis den letzten Beweis in der Aufklärung eines Verbrechens. Patricia Wiltshire nutzt ihr jahrzehntelanges wissenschaftliches Know-how, um oft übersehene Hinweise zu finden oder etwas auszuwerten, was man mit blossem Auge nicht sehen kann. Pollen zählen … Pollen, Samen usw. kleben an Schuhen, an Teppichen, am Auto, auf der Kleidung, in den Haaren. Und genau diese Pflanzenreste geben Auskunft über Standorte, Gebiete. So bekommt man durch den Blick in das Mikroskop Aufschluss über den Täter, den Tatort, Ablageorte, Jahreszeiten.
Empathie ist nicht Sache der Autorin
Dass Haar eine so großartige Quelle für Pollen und Sporen ist, hatte ich nach dem Trial-and- Error-Prinzip entdeckt. Ich war verblüfft gewesen, mit welcher Kraft es mikroskopisch kleine Teilchen anziehen kann.
Sachlich-inhaltlich ein interessantes Buch. Die Ausführung ist allerdings eine große Enttäuschung. Die Sachbuchautorin versucht sich in Natur Writing – und das macht sie schlecht. Innerhalb eines Sachverhaltes schweift sie gefühlt hundert Mal ab, teilweise uninteressant, bis sie endlich wieder bei der Sache ist, um das nächste Mal in einen anderen Fall abzuschweifen. Das nervt. Und sie wiederholt sich oft, schweift auch gern in ihr Leben ab. Ich fragte mich manchmal, ist das hier ein Sachbuch oder eine Autobiografie. Die Dame ist grandios – der Liebling der Oma, der Lehrer, des Schwiegervaters und von wem nicht noch alles. Nur die Eltern werden nicht erwähnt, was tief blicken lässt. Und weil Patricia Wiltshire der intelligenteste und aufmerksamste Mensch auf Erden ist, sind alle andern dumm, ungebildet, ignorant usw. Wie gut, dass Patricia im Team ist – sonst würden wahrscheinlich keine Morde in Großbritannien aufgeklärt werden. Das ist hartes Brot für den Lesenden. Wo war hier das Lektorat? Die haben wahrscheinlich unter dem Sofa gelegen, weil die Autorin sie mit Kartoffeln beschmissen hat, als sie ihre Ratschläge offerierten. Lustig ist, dass die Autorin behauptet, sie käme meist mit den Rechtsmedizinern nicht klar, weil die sich als Götter in Weiss aufführen. Auf jeden Fall versteht man, dass ihr Blickwinkel voll auf sich fokussiert ist, sie kein Verständnis für andere Berufsgruppen aufbringen kann und polizeiliche Ermittlung nicht ganz verstanden hat. Es ist manchmal ärgerlich, wenn biologische Spuren vernichtet wurden, weil eine andere wichtige polizeiliche Arbeit Priorität hatte. Aber es sind halt dumme Menschen, die nicht verstehen, dass die biologischen Spuren Priorität haben … Empathie ist nicht Sache der Autorin, was enorm auffällt und manchmal zu Schnappatmung führt. Ich habe bis zum Ende durchgehalten, wenn auch mit vielen Unterbrechungen. Das Thema ist interessant und lesenswert – wenn man in diesem Fall ein wenig querliest.
Professor Patricia Wiltshire ist Biologin und Forensikerin und hat an über 250 Kriminalfällen im Vereinigten Königreich gearbeitet, darunter einige der bekanntesten Fälle der letzten 25 Jahre. Sie lebt mit ihrem Mann David und ihrer Katze Maudie in Surrey, Großbritannien.
Die Spurenleserin
Originaltitel: The Memoir of a Forensic Scientist and Criminal Investigator
Aus dem Englischen übersetzt von Ralf Pannowitsch, Christiane Wagler
Die spektakulärsten Kriminalfälle einer biologischen Forensikerin
Sachbuch, Forensik, biologische Forensik, True-Crime-Reportage, Biologie
Klappenbroschur, 320 Seite
Knesebeckverlag, 2023
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