Direkt zum Hauptbereich

Die spanische Landküche von José Pizarro - Rezension

Rezepte

von Sabine Ibing





Die spanische Landküche: Rezepte & Geschichten aus meiner Heimat 


von José Pizarro


Gleich vorweg: Dies ist ein persönliches Kochbuch des Spaniers José Pizarro mit Familienrezepten, angereichert mit Familienfotos; im Original heißt es «Spanish Home Kitchen», das, was man zu Hause kocht – keine Landküche. Aufgewachsen in der Extremadura im kleinen 800-Seelen-Örtchen Talávan in der Provinz Cáceres haben die Pizarros nicht nur Rezepte aus der Region gesammelt, sondern stellen ganz allgemein typische Landesrezepte vor; denn in Spanien kocht man nicht ausschließlich regional, wie wohl überall heutzutage. Im Vorwort schreibt José Pizarro, er möchte die traditionellen Rezepte für die Nachwelt erhalten, sie aber auch gleichzeitig verbessern und zeitgemäß weiterentwickeln. Und genauso sind diese Rezepte aufgebaut und zeigen überraschend frische Weiterentwicklungen. 



Gazpacho mit Kirschen


Alles beginnt mit dem «Fotoalbum der Familie» und einer kurzen Beschreibung. Jedes Rezept bekommt eine Einführung, die oft sehr persönlich und emotional gehalten ist. Herrlich die Tomatensuppe mit Feigen, die serviert wird, indem man in den Teller zunächst eine Scheibe Landbrot gibt, das Dünne der Suppe fließt durch, die groben Stücke bleiben oben liegen – Einfach strukturiert mit hohem Geschmack. Die Tortilla wird hier mit dicken Bohnen zubereitet, das Gazpacho mit Kirschen – Rezepte nicht unbedingt modernisiert sind, sondern weniger Bekanntes wird vorgestellt, denn die Grundrezepte wurden schon immer in Varianten ausgelegt. Ein Rezept für selbstgemachten Frischkäse wird vorgestellt oder Pilze auf geröstetem Brot mit Torta-del-Casar-Käse, bei dem die «Torte» (kleine Käselaibe) im Backofen erhitzt wird, der Deckel abgeschnitten und das geschmolzene Innere über die Pilze gelöffelt wird. Ein Herbstrezept mit rohem Kürbis und kandierten Maronen; Cremige Röstknoblauchsuppe mit Manchego, hier gibt es viel Neues, was entdeckt werden möchte.



Pfifferlig-Walnusskern-Croquetas


Croquetas, Kroketten (im französischen Stil) findet man in jeder Tapas-Bar, in vielen Restaurants als Vorspeise. Meistens sind sie hausgemacht und manch kreativer Kopf lässt sich etwas einfallen. Typisch sind: Natural, mit Käse, Schinken, Bacalao, aber ich habe auch welche mit Gambas, Porree oder Blutwurst usw. auf dem Tisch gehabt. Hier Pfifferlig-Walnusskern-Croquetas oder Seehecht-Croquetas. Das Kapitel Fisch und Meeresfrüchte beginnt mit eingelegten Austern; Kabeljau mit pochiertem Ei; Krebsfleisch-Canelones in Béchamelsauce mit Olivenöl; Seeteufel-Muscheleintopf mit Romesco-Sauce; Gebratener Safran-Seeteufel; mit Fenchel; mit Zwiebeln geschmorter Kalmar; Miesmuscheln in Tomatensalsa; Makrele vom Grill, auch ganz typisch Reis mit Venusmuscheln oder Venusmuscheln in Tomatensoße. Typisch der Pulpo, gegrillte oder gebratene Tintenfischarme auf Kartoffelscheiben mit Pimentón de la Vera bestreut (geräuchertes Paprikapulver) – hier als Salat mit grünen Bohnen und Staudensellerie erweitert mit frischem Gemüse. Ebenso typisch, Ensalada Rusa – Russischer Salat – den es in jeder Tapasbar gibt, immer ein wenig anders, hausgemacht, versteht sich. Meine persönliche Latte, um zu testen, ob man in diesem Laden kochen kann. Der Salat ähnelt dem norddeutschen Kartoffelsalat, nur, dass er zusätzlich Thunfisch aus der Dose und Erbsen enthält. Die Billigversion: Kartoffeln, Erbse/Karotte aus Dose, wenig Thunfisch, billige Majo. Je edler, umso hochwertiger und reichhaltiger die Zutaten: Kartoffeln, TK-Erbsen, Gewürzgurke, Eier, Thunfisch (gern auch frischer), Majo als Grundzutaten – Oliven, Kapern, Paprika, Spargel sind oft als weitere Zutat vertreten. Das Rezept in diesem Buch ist die optimale moderne Version zu finden und eine Augenweide obendrauf.



Gebratener Safran-Seeteufel


Beim Fleisch wird es in Spanien deftig: Cuchifritos (Schweinebauch) mit Salsa aus eingelegter Zitrone; Zitrusfruchtsalat mit gebratener Chorizo; Lammschulter vom Grill mit Oliven-Kräuter-Kruste und Escalivada-Kartoffeln (Escalivada, ein traditionsreiches, sehr leckeres Gemüserezept aus Katalonien); Linseneintopf mit Patatera (auch als Morcilla bekannt, Wurstspezialität aus der Extremadura, wird aus dem Wangenfleisch des Iberico-Schweins, gekochten und gesalzenen Kartoffeln, Pimentón de la Vera, Knoblauch und Gewürzen hergestellt) und Kartoffeln; Perlhuhn in der Gemüse-Mandel-Sauce Pepitoria; Fleischbällchen mit Spinat und Pinienkernen und Minze-Safran-Joghurt. Man mag denken, eine Menge Rezepte zum iberischen Schwein zu finden. Das ist nicht traditionell, erklärt Pizarro, weil das Frischfleisch dieser Tiere früher nur kurz nach der Matanza del Cerdo, der herbstlichen Hausschlachtung, verfügbar war. Und ehrlich, die meisten Leute waren arm, konnten sich sowieso kaum Fleisch leisten und aßen, wenn überhaupt, Huhn, Kaninchen und Rebhuhn, auch mal ein Lamm. Und klar, Süßes am Ende ein Muss: Técula-Mécula mit Mandeln (Kuchen aus der Extremadura gefüllt mit Mandeln, Eigelb, Zucker, Blätterteigboden früher oft mit Eichelmehl); Kardamom-Orangen-Repápalos (kleine frittierte Klöße, die schwimmend in Milch serviert werden) oder eingelegte Kirschen in Aguardiente-Sirup mit Pistazien-Eis. Ein rundum gelungenes Buch, Kulinarisches auf hohem Niveau der Zutaten – einfache Rezepte, die man gut nachkochen kann. Es gibt natürlich die ein oder andere Zutat, die man außerhalb von Spanien nicht im hiesigen Supermarkt erhält, wie Käse- und Wurstsorten; aber das meiste schon. Vieles kennt man – aber nicht auf diese Art und Weise; und genau das ist sehr reizvoll. Angereichert mit einer Menge Fotos der Familie, Küchengeschichten zu den Lieblingsgerichten der spanischen Küche. Einfach bis mittelschwer in der Zubereitung, ist das Kochbuch auch für Anfänger geeignet. Das Register hätte etwas ausführlicher ausfallen können, hier wird nach Schlagworten sortiert, nicht zusätzlich nach Rezepttitel.



Ensalada Rusa – Russischer Salat



José Pizarro ist preisgekrönter Koch und Kochbuchautor. Er führt mittlerweile drei Restaurants in London, darunter die Tapas-Bar José und das Restaurant Pizarro. Regelmäßig tritt der sympathische Spanier bei BBC oder Channel 4 auf. Bei DK bereits von ihm erschienen: Andalusien.




José Pizarro
Die spanische Landküche: Rezepte & Geschichten aus meiner Heimat
Originaltitel: Spanish Home Kitchen
Über 70 köstliche Rezepte von traditionell bis modern
Aus dem Englischen übersetzt von Carla Gröppel-Wegener
Kochbuch, Lieblingsgerichte, Küchengeschichten, Rezepte, Kulinarisches, Sachbuch, Spanische Küche, Mediterrane Küche
Hardcover, 240 Seiten, 19.9 x 25.5 cm
Dorling Kindersley Verlag, 2024




Kulinarische Bücher 

Kochbücher, Backbücher und alles rund um Lebensmittel findet sich kompakt auf dieser Seite. Auch Genussromane, soweit ich welche lese. Schleckermäulchen also hierher klicken:





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

  Ein atmosphärisch dichter und spannender Schweden-Krimi von Hans Rosenfeldt, bekannter Krimiautor und Drehbuchautor (skandinavische TV-Serie «Die Brücke», britische Fernsehserie «Marcella» über Netflix) erwartet uns mit dem Auftakt einer neuen Serie. Die Erwartungen waren hoch. Rosenfeldt hat geliefert. Die Kleinstadt Haparanda, nahe der finnischen Grenze, wird zufällig zum Schauplatz eines Drogendeals. Wer hat die Drogen und das Geld, wer wird sie am Ende bekommen? Der einzige der durchblickt, ist der Leser – Dank Mehrperspektivität. Denn alle Protagonisten tappen im Dunkeln – wissen nichts voneinander. Ein komplexer und spannungsreicher Thriller! Weiter zur Rezension:    Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Die Grille in der Geige von Anna Haifisch

  Eines Sommers findet eine wandernde Grille im Wald eine alte Geige . «Wie praktisch!», ruft sie und zieht in das geräumige Instrument ein. Sie töpfert und zieht Nudeln und des Nachts zupft sie die Saiten, erfreut alle Insekten und Mäuse in der Umgebung mit ihrer Musik. Doch als ein bitterkalter Winter das Land überzieht, stürmen die Insekten das Heim der Grille , zerhacken es und zünden es an … Ein humorvolles Bilderbuch ab 4 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Grille in der Geige von Anna Haifisch 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck  

Rezension - Wenn das Wasser steigt von Dolores Redondo

  1983 , der Polizist Noah Scott ist besessen davon, den Serienmörder Bible John zu erwischen. Er steht im Verdacht, Frauen, die aus Diskotheken verschwanden, nie wieder auftauchten, ermordet zu haben. Seit Jahren ist Noah an dem Fall dran, und er glaubt, den Täter identifiziert zu haben. Er folgt John Clyde und es gelingt ihm, auf seinem persönlichen Friedhof die Handschellen anzulegen – doch dann krampft sich etwas in seiner Brust zusammen und es wird schwarz vor seinen Augen … Ein spanischer literarischer Thriller vom Feinsten! Weiter zur Rezension:    Wenn das Wasser steigt von Dolores Redondo