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Die Inselsammlerin von Fenna Williams - Rezension



Rezension

von Sabine Ibing



Die Inselsammlerin

von Fenna Williams


… zeigte zu einem Holztisch hinüber, auf dem eine weiße Plastikdose stand und an dem ein selbstgemaltes Schild verkündete: Tea on the Beach. In der Plastikdose fand sich ein Walkie-Talkie und die Anweisung, wie es zu bedienen sei. Auf meinen vorsichtigen Versuch hin, eine Verbindung herzustellen, meldete sich schnarrend und knisternd eine Frauenstimme … Minuten später trat Rotkäppchen aus dem Wald, mit einem Henkelkorb voll selbstgebackener Köstlichkeiten …

Reiseliteratur, wenn sie gut geschrieben ist, kann ein Genuss sein. Und wenn hier irgendjemand TUI-Format vermutet, dann liegt er völlig falsch. Fenna Williams ist reisesüchtig -  individuell, mit Wanderstiefeln an den Füßen, erkundet sie Ecken auf der ganzen Welt, insbesondere Inseln, die den meisten Menschen unbekannt sind – zumindest haben sie noch nie einen Fuß dorthin gesetzt. Klar, wer kennt nicht St. Helena, dort wo Napoleon von der Grand Nation zum Ende seines Lebens ausgesetzt wurde, nie wieder nach Frankreich zurückkehren durfte, oder Robben Island, die Gefängnisinsel, auf der Nelson Mandela jahrelang inhaftiert war, Jura, die schottische Insel, auf der George Orwell am Ende seines Lebens wohnte, seinen Roman »1984« schrieb. Aber wer war schon dort? Selbst wenn die Autorin Capri besucht, liegt sich nicht am Strand und besucht lediglich die blaue Grotte – sie erwandert die schöne Einsamkeit der Insel. Allein, einsame Wanderungen – nein, sie ist garantiert keine Einzelgängerin. Individualistisch – aber dicht bei den Menschen, meist mietet sie sich bei Einheimischen ein. Und genau das macht das Buch so reizvoll: Der enge Kontakt zu den jeweiligen Insulanern ist Fenna Williams ganz wichtig.

Ich wagte einen Abstieg in Richtung des Hackens und Schlagens und traf auf vier Männer, die einen undurchdringlichen Wald aus mehr als mannhohem Neuseeland-Flachs zu lichten versuchten. Ich erfuhr, dass sie nicht ernteten, sondern dabei waren, die Pflanze mit Stumpf und Stiel auszurotten, weil sie die Entwicklung der natürlichen Vegetation unterdrückte.

Individuelles Reisen

Dort, wo die Massen nicht anreisen, ist man offen für Besucher, wird herzlich empfangen und herumgeführt, denn individuelles Reisen bedeutet meist auch individuelles Wohnen. Das Buch beginnt in Europa, mit Magna Carta Island, eine kleine Insel in der Themse oberhalb des Bell Weir Lock, klein, aber ziemlich geschichtsträchtig, wie der Name schon besagt. Hier hat »John Ohneland« 1215 die Magna Carta besiegelt. Ein wichtiges Ziel der Autorin, allerdings jahrelang schwer erreichbar. Heute kann man die Insel als Feriendomizil mieten. Als Tipps dazu Cream Tea mit Scones, Marmelade und Clotted Cream oder ein Pimms No. 1. Auf Capri zeigt sie uns Ecken unter Limonen, die ein Kreuzschifftourist sicher nicht zu sehen bekommt. Danke, auf meiner Reiseliste notiert. Auch die nächste Insel, Jura, kann mich begeistern. Auf in die schottische Herzlichkeit zur Orwell-Insel, Gänsehautfahrt durch den Corryvreckan, zur Aufwärmung einen guten Whisky, dazu frischen Lachs.

… Rodrigues ist zwar klein, aber es hat Größe. Wenig mehr als 100 Quadratkilometer werden von einer doppelt so großen Lagune umschlossen. Vom Flugzeug aus gesehen schimmert die Insel wie eine vielfarbige Perle inmitten einer grünlich-braunen Auster auf dem dunkelblauen Samt des Ozeans.

Gefängnisinseln

Spannend wird es auch in Afrika, Rodrigues gehört zu Mauritius und hat einen besonderen Charme, hell, bunt, sonnig und voller Seggae, einer Reggae-Art – eine Insel mit Lebensart. Und dann geht es weiter in den Südatlantik nach St. Helena. Was die Bewohner nicht selbst anbauen, beziehen sie über das Schiff, das nicht allzu häufig anlegt und nur das wirklich Notwendige liefert. Eine Insel mit vielfältiger Landschaft und Charme, was Napoleon, hier ausgesetzt und bewacht bis zu seinem Tod, wohl ziemlich egal war. Auch hier kommt Fenna Williams sofort mit der Bevölkerung in Kontakt und hat eine amüsante Kaninchen-Geschichte auf Lager.

Ich wartete, bis alle anderen weitergegangen waren, bevor ich mir Zelle 9 des Häftlings 466 / 64, Nelson Mandela, genauer ansah.

Wo liegt Batavia?

Inseln regten früher die Menschen dazu an, sie als Gefängnis zu nutzen, so auch Robben Island in Südafrika, die die Autorin mit ihrer Geschichte eindrucksvoll beschreibt. Wir reisen mit ihr nach Amerika weiter, auf eine kleine Insel vor Seattle, Vashon Island ein wenig chillen mit dem Kaffeebecher in der Hand. Und weiter geht es nach Nicaragua auf die Insel Solentiname, die für ihre Holzschnitzereien bekannt ist. Beeindruckend ist auch die Insel Danpaati im Regenwald, voller Lebensfreude und Offenheit. Sir Bani Yas im persischen Golf beherbergt Heerscharen von Vögeln und ein Scheich hat »das letzte Einhorn« gerettet … eine wundervolle Geschichte. Ein Traum der Autorin war schon immer Batavia! Aber wo liegt das denn? Man wird es im Atlas nicht finden, denn es heißt heute Jakarta. Da Fenna Williams aber Inseln liebt, zog es sie auf die Kummudus Inseln, 15 Kilometer vor Jakartas Küste, nach Kepulavan Seribu. Die Geschichte ist ziemlich amüsant, insbesondere, was die Haustiere in ihrem Zimmer betrifft. Marzipan ist nicht nur beliebt bei Brieffreunden. Das Buch endet in Australien, auf Phillip Island mit dem Besuch der Elfenpinguine. Schade, dann war ich am Ende angelangt.

Individuelles Reisen verbindet

Das Buch hat mich durch unsere schillernde Welt getragen, amüsant, interessant, es hat  mich an manchen Stellen nachdenklich und staunend zurückgelassen, einige Orte sind berührend. Ich bin der Autorin dankbar, durch ihre Augen ein paar Inseln kennengelernt zu haben, die ich nicht besuchen werde – dazu bin ich schlicht zu bequem und nicht reisewütig genug. Aber andere Orte reizen mich, die nun auf meiner Reisewunschliste stehen. Auf jeden Fall hat mir dieses Buch wieder gezeigt, was mir meine eigene Erfahrung widerspiegelt: Individuelles Reisen verbindet. Abseits des Massentourismus lernt man eine Menge mehr kennen, Menschen, Orte, etwas was bleibt, das man nicht auf der Liste »hab ich auch schon besichtigt« abharkt. Man findet in diesem Buch wundervolle Tipps, am Ende jeder Geschichte gibt es ein Resümee für den Erinnerungskoffer, geschmackvolle Erinnerungen, Souvenirs und Tipps zu Literatur, um sich gedanklich auf die Reise einzulesen. Noch schöner wäre das Buch bebildert …

Schreiben und reisen

Fenna Williams ist ein Pseudonym eine Autorin, die als freie Autorin und Studienreise- und
Seminarleiterin arbeitet. Weitere Krimi-Pseudonyme sind Auerbach & Auerbach und Auerbach & Keller und die Autorin ie schreibt neben Romanen und Kurzgeschichten auch Filmscripts und Drehbücher. Sie studierte Amerikanistik/Anglistik, Lateinamerikanistik, Niederlandistik und Südafrikakunde – Schwerpunkt: Linguistik und Literatur. Über Stipendien erhielt sie Auslandsaufenthalte in Kanada, Belgien, Brasilien, USA (hier, um über und bei Mennoniten, Amish und Hutterern zu forschen). Ihr Studium finanzierte sie als Studien-Reiseleiterin, ein Job, der genau auf ihre Interessen zugeschnitten war. Und um ihre Reisen zu finanzieren war ihr kein Job zu schade: Hundefängerin in Kanada, Airport-Agent in Houston und Lyon und Assistentin im Brass Rubbing Centre von Westminster Abbey, London. Große Leidenschaften sind neben dem Reisen und dem Schreiben, Shakespeare und ein gutes Glas Single Malt Whisky. Wer wissen will, wer real hinter den Pseudonymen steckt, findet alles auf ihrer Webpage.

Hier geht es zum Interview mit Fenna Williams: Interview mit Fenna Williams, Frau Auerbach und UteMügge-Lauterbach  

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