Rezension
von Sabine Ibing
Der Wolf, die Ente & die Maus
von Mac Barnett und Jon Klassen
Gleich morgens hat der Wolf die Maus verschluckt. Ein Albtraum wird wahr, die Maus quiekt vor Angst. Aber halt! Wer quakt denn da, bittet um Ruhe? Im Bauch vom Wolf wohnt eine Ente. Sie hat sich hier hübsch eingerichtet, mit Kerzenleuchtern, Musik, reich gedecktem Tisch. Die Maus kommt ihr als Gesellschaft ganz gelegen. Mit Tricks kann man dem Wolf auch klarmachen, was er als Nächstes fressen soll. Im Bauch des Gefräßigen lebt es sich gut – denn die größte Angst, die damals im Wald im Nacken saß, war ja: Der Wolf könnte einen fressen. Das Leben könnte so schön sein! Doch der Förster liegt mit seinem Gewehr dem Wolf auf der Lauer. Mutig springen Ente und Maus aus dem Maul des Wolfes, verteidigen ihr Heim und vertreiben so den erschrockenen Jäger. Der Wolf bedankt sich artig, fragt, welchen Wunsch er erfüllen könne … na ratet mal …
Diese Parabel ist mit sehr viel Humor gestaltet. Eine gefühlsbetonte Fabel, die zeichnerisch die Emotionen unterstreicht, aber niemals verängstigt. Im Gegenteil, das Kinderbuch setzt beim Lesen eher ein breites Grinsen ins Gesicht. Eine spannende, wendereiche Geschichte. Wer ist wessen Feind? Gefressen und gefressen werden. Das Beste aus der schlechten Situation machen, Opportunismus. Freiheit gegen Sicherheit eintauschen? Angstfrei leben, allerdings im Dunkeln, ohne die Sonne zu sehen – mag das eine Lösung sein? Und draußen lauert ja weiter der Jäger. Eine Menge Subtext begleitet die Geschichte. Sicher sein kannst du nie. Aber du kannst deinem Feind auf Augenhöhe begegnen – auch wenn du viel kleiner bist.
Der Wolf, Inbegriff des Bösen in der Märchenwelt, kommt hier fast friedlich daher, auch wenn er andere Tiere verschluckt – nichts Aggressives entspringt seiner Körperhaltung oder Mimik. Eher bedauert man ihn, weil ihm ständig schlecht ist vom Partylärm in seinem Bauch. An manchen Tagen quälen ihn die Bauchschmerzen arg. Gäste sind eben nicht immer bequem. Wer hat Angst vorm bösen Wolf? Hier niemand. Und das ist auch gut so. Mit Gouache und Bleistift gezeichnet, ausgeschnitten, als Collage zusammengesetzt, in ruhigen, dunklen Naturtönungen – im Wald ist es dunkel, im Bauch des Wolfs ist es duster. Trotz der Dunkelheit sind die Zeichnungen sympathisch. Ein vielschichtiges Bilderbuch.
Mac Barnett geboren 1982, ist ein mehrfach preisgekrönter Kinderbuchautor. Er lebt in Berkeley, Kalifornien. »Sam und Dave graben ein Loch« ist seine zweite Zusammenarbeit mit Jon Klassen an einem Bilderbuch.
Jon Klassen stammt aus Ontario, Kanada. Sein Bilderbuch »Wo ist mein Hut« wurde bereits in siebzehn Sprachen übersetzt und gewann 2013 den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Bilderbuch. Mit dem Bilderbuch »Das ist nicht mein Hut« gewann Klassen ebenfalls in 2013 die Caldecott-Medal, die wichtigste Auszeichnung für Bilderbücher in den USA. Jon Klassen lebt in Los Angeles und tüftelt dort an seinen neuesten Geniestreichen.
Mac Barnett und Jon Klassen
Der WOLF, die ENTE & die MAUS
Original: The Wolf, the Duck & the Mouse
Aus dem kanadischen Englischen von Thomas Bodmer
Bilderbuch ab 5 Jahren
NordSüdVerlag, 2018, 42 Seiten
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