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Der Frauenausborger von Joesi Prokopetz - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Der Frauenausborger 


von Joesi Prokopetz



‹Du schreibst? Was schreibst du denn?›
‹Ja›, sage ich ganz ernst, um die Pointe noch zwingender zu machen, ‹ich bin augenblicklich dabei, meine Autobiografie so umzuarbeiten, sodass ich selbst darin vorkomme.›
‹Ach so …›, antwortete Waltraud, und ihr Gesicht zeigte keinen Landeplatz für den Anflug eines Lächelns.

Rainer Caofal war zeit seines Lebens kein Kind von Traurigkeit. Die Damenwelt hatte es ihm angetan – freilich nur für kurze Affären. Längere Beziehungen mied der «Frauenausborger» wie der Teufel das Weihwasser. Stattdessen «lieh» er sich bevorzugt die Partnerinnen und Ehefrauen seiner Freunde und Bekannten «aus». Nun ist er tot, der Wiener Casanova, gestorben in der Seniorenresidenz «Juventus». War es Mord, wurde er hinterrücks mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen, oder war es schlicht ein Unfall? 


Nicht mein Humor


Zapletal (derb): ‹Na Prinzessin, wie wär’s mit uns beiden?›
Hermine (kolloquial): ‹Was mich betrifft, sicher nicht! Wie ekelhaft!›
Auch Herr Romsdorfer, der Sexualprotz, hat, solange er noch am Leben war, Hermine immer wieder belästigt, ja begrabbelt.
Romsdorfer (an Hermines Bluse zupfend): ‹Was sagen Sie zu einer Nacht voller Seligkeit? Mit Orgasmus-Garantie?›
Hermine: ‹Nehmen Sie Ihre Finger weg, Sie Produkt einer Tanzpause.›


Protagonist Rainer Caofal ist soeben verstorben. War es Mord? Die Liste der Verdächtigen ist lang – vom gehörnten Ehemann bis zur Kurzzeit-Geliebten, die sich mehr erhofft hatte. Aus dem Jenseits lässt er sein Leben Revue passieren, möchte herausfinden, wie er zu Tode kam und berichtet dem Lesenden aus seinem Leben, berichtet von seinen vielen Affären. Das nun als Krimi zu bezeichnen – ein Marketingtrick? Denn Krimis verkaufen sich gut. Hier dümpelt ein Aufreißer vor sich hin, erklärt uns, wie er die Frauen aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis abgeschleppt hat. Mit Humor geschrieben, so der Klappentext. Nicht mal ein Grinsen kam mir über die Lippen, mein «Gesicht zeigte keinen Landeplatz für den Anflug eines Lächelns». Nicht mein Humor – andere Lesende mögen das sicherlich lustig finden. Hier erzählt jemand seine Affären herunter – mein Interesse sank von Seite zu Seite. Weder Spannung und Satire, von Tiefe will ich gar nicht reden. Oberflächliche Protagonist:innen. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Der Roman und ich passten nicht zusammen.


Joesi Prokopetz, geb. 1952 in Wien, ist Liedermacher, Autor und Kabarettist. Als Liedtexter von Hits wie »Da Hofa«, »Es lebe der Zentralfriedhof« und vielen mehr prägte er den Austro-Pop wie kaum ein anderer. Sein Alpendrama »Der Watzmann ruft«, für das Prokopetz alle Texte schrieb, erreichte Kultstatuts. Darüber hinaus ist er als Solo-Kabarettist und Schauspieler erfolgreich.




Joesi Prokopetz
Der Frauenausborger
Zeitgenössische Literatur
Taschenbuch, 224 Seiten
Servus Verlag





Zeitgenössische Literatur

Hier verbirgt sich manche Perle der Literatur. Ich lese auch mal einen Bestseller, natürlich, aber mein Blick ruht  immer auf den kleinen Verlagen, auf den freien Verlagen. Sie trauen sich was - und diese Werke sind in der Regel besser als der Mainstream der meistgekauften Bücher …
Zeitgenössische Roman

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