Rezension
von Sabine Ibing
Das Meer – eintauchen, abtauchen, entdecken
von Ricardo Henriques und Anderé Letria
Ist das Meer blau, weil der Himmel blau ist, oder ist der Himmel blau, weil das Meer blau ist? Leider ist das die falsche Frage. Das Wasser des Meeres ist durchsichtig und die Farbe kommt von der Sonne. Das Sonnenlicht scheint weiß zu sein, aber genau genommen enthält es sämtliche Farben des Regenbogens. Trifft das Licht auf das Meer, verschwinden mit zunehmender Tiefe Farben wie Rot, bis nur noch das Blau bleibt – die angebliche Farbe des Meeres.
Ein Buch rundherum um das Meer. Kompaktes Wissen auf verschiedenen Ebenen, unterhaltsame Anekdoten, Experimente zum Nachmachen, Tipps, sich weiter zu informieren. Inhaltlich ist dieses Kindersachbuch prall gefüllt. Ozeane und Meer, welche gibt es? Gischt, Wind, Dünen, Begriffe werden erklärt, Naturphänomene und wir erfahren den Unterschied zwischen Zoologie, Meereskunde, Malakologie, Seeohren. Und jetzt geht es erst mal ans Basteln: Qualle, Papierschiffchen, Memory, Kompass. Verschiedene Lebensformen der Meere und Ozeane werden erklärt, die Tiefsee, verschiedene Schiffsarten und alles rund ums Schiff. Bastelzeit: Düsenantrieb, mechanischer Antrieb, Periskop, Knoten usw. Was gilt auf See? Weiße Fahne, internationale Signalcods, Rangabzeichen der portugiesischen Marine, die Navigation auf dem Meer, eine Menge kann man hier erfahren. Und dann gehen wir an Bord und lernen etwas über das Fischen, über Bordbegriffe und Seemannsgarn, lernen wichtige Entdecker kennen. Es folgen Bastelanregungen und Experimente, etwas über Piraten, die Belastung der Meere und noch mehr Seemannsgarn. Gut finde ich die Mitmachseite, in denen Experimente vorgestellt werden. Allerdings kommt hier nichts, was nicht allgemein in allen Experimetier-Büchern vorkommt. Schön auch die blauen Infokästen, die das Kind auffordern, etwas zu tun oder sich zu informieren. Der Mensch und das Meer, seine Bedeutung für den Menschen, das alles ist erfasst, allerdings zu unkritisch und zu altväterisch.
Davon abgesehen, dass es mehrere Marinen gibt – wie die Handelsmarine und die Fischereimarine – ist mit dem Begriff Marine meist die Kriegsmarine gemeint. Sie ist ein Teil der Streitkräfte und zuständig für die Verteidigung eines Landes auf dem Meer, auf Flüssen und Seen. Sie ist aber ebenso zuständig für Such- und Rettungsaktionen auf offener See.Es gibt eine Menge Text, ein kleines Buchstabenformat ist für die vielen Infokästen gewählt (oben die Infos zur Marine. Nein, mehr ist es nicht). Auf keinen Fall darf man das Buch am Stück lesen, dann erschlagen die Informationen. Kompaktes Wissen aus allen Bereichen. Und hier ist der Knackpunkt. Alles ist angerissen: Die Belastung der Ozeane nimmt mal gerade zwei Seiten ein. Zur Überfischung der Meere kein Wort, nichts über Kreuzfahrtschiffe. Hier gibt es die Hinweisschilder: Informiere dich, wie du Müll vermeiden kannst, informiere dich nach Initiativen in deiner Umgebung, Plastik zu sammeln. Hier kommt mir zu wenig Information über den Plastik-Kreislauf und Mikroplastik. Infos über den Hafen sind auch sehr unzureichend. Über die Tierwelt im Meer gibt es auch nur sehr geringes Wissen, gerade mal sechs Seiten. Plötzlich wird über die Marine geredet. Ein kurzer Absatz, zu kurz. Und dann folgen die Rangabzeichen der portugiesischen Marine, mit dem Hinweis, die deutschen sehen anders aus. Na prima. Gut, dieses Sachbuch stammt aus Portugal und wurde übersetzt. Aber mal ehrlich, ist es für einen Achtjährigen überhaupt wissenswert zu wissen, wie die Abzeichen von Korvettenkapitän, Fregattenkapitän, Flottillenadmiral oder Konteradmiral aussehen? Wir haben hier das Flaggenalphabet, wissenswerter wären die Bojen gewesen, die Bedeutung von Farben, Leuchten und ihre interaktiven Tätigkeiten zu Satelliten heutzutage und deren Wichtigkeit zu Wetter, Strömungen, Wassertemperatur, Wassersauberkeit, Fischfang. Hier wird lapidar behauptet, es seien lediglich Schwimmkörper, die zur Orientierung ausgelegt werden. Davon gibt es auch noch ein paar, aber das ist lange vorbei. Insgesamt finde ich die gesamte Aufmachung recht hausbacken und veraltet. Segelschiffe wie Galeere, Galeone, Karavellen und das gute Dampfschiff werden vorgestellt – ein modernes Schiff habe ich nicht gefunden, wie Kreuzfahrt, Containerschiff, Wasserpolizei, Eisbrecher usw.. Auch finde nichts über Fischfangmethoden, wissenschaftliche Meeresuntersuchungen. Es gibt viel Wissen aus dem Buch zu ziehen, aber vieles, das ich persönlich für unwichtig, bzw. veraltet halte, anderes, Zeitgemäßes fehlt mir.
Kommen wir zur Illustration, hier scheiden sich die Geschmäcker und ich kann nur für meinen Sprechen. Für mich ist das Buch zu farblos. Das Sachbuch ist Weiß-Blau-Schwarz illustriert. Weißer Grund, darauf schwarz-blaue Grafiken, meist in Drucktechnik. Die Experimentierseiten sind blau hinterlegt. Das ewige Blau ermüdet die Augen und ein wenig mehr Farbe und Detailgenauigkeit in der Grafik hätte dem Buch sicher gutgetan. Wie gesagt, das ist alles Geschmack, bis auf das Titelbild sind mir die Grafiken zu lieblos. Das Buch ist bei mir als Gesamtpaket nicht so richtig bei mir angekommen. Der Knesebeck Verlag gibt ein Alter von 8-10 Jahre an, her schließe ich mich an.
Ricardo Henriques ist als freiberuflicher Werbetexter und Autor tätig. Das Meer ist sein erstes Kinderbuch. André Letria wurde in Lissabon, Portugal, geboren und ist ein mehrfach ausgezeichneter Illustrator. Er hat außerdem Animationsfilme und Bühnenbilder geschaffen. 2010 gründete er seinen eigenen Verlag Pato Lógico, in dem dieses Buch erschienen ist.
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