Direkt zum Hauptbereich

Das Lied des Achill von Madeline Miller - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing


Das Lied des Achill

 
von Madeline Miller

Gesprochen von: Sebastian Fischer
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 11 Std. und 17 Min.


Das Buch «Ich bin Circe» von Madeline Miller, in dem sie Circes Geschichte aus Homers Odyssee neu interpretiert, habe ich verschlungen. Ein Roman voller Witz und schwarzem Humor. Durch «Das Lied des Achill» habe ich mich durchgequält und das ein oder andere Mal kräftig weitergespult. Das liegt wohl eher an meinem Geschmack, denn Madeline Miller kann wahrhaftig erzählen. Hätte ich gewusst, dass es sich hier in der Hauptsache um einen Liebesroman gehandelt, hätte ich gleich die Finger davon gelassen. Sehr melancholisch und und ausgewalzt kommt diese Geschichte nur langsam voran. Historische Ereignisse und Spannung verschwinden hinter dem Liebesvorhang. Das war nicht meins. Ich will auch nicht zu viel über die romantisch-erotische Erzählform lästern, über den wunderschönen, anmutigen, starken Achill mit seidener Haut und nach Blumen duftenden Haaren, dem jeder zu Füßen liegt, der ihn anblickt; seine Küsse schmecken nach Honig – es ist nicht mein Genre.


Eine Liebesgeschichte, die in der Jugend beginnt

Es beginnt mit dem Erzähler Patroklos, Sohn des Menoitios und der Sthenele. Er ist neun Jahre alt, als er sich als einer der vielen Königssöhne aufmachen muss, um als Bräutigam um die schöne Helena zu werben. Natürlich macht er sich lächerlich unter den gestandenen Männern, die anreisten, dabei auch der «Sohn des Laertes» (Odysseus). Dieser unbeholfene Prinz stellt etwas an, das dazu führt, ihn aus seinem Heimatland zu verbannen, um den Namen seines Vaters reinzuhalten. Und in der neuen Heimat bei König Peleus in Thessalien trifft er auf den Halbgott Achill, der sich in genau diesen unscheinbaren Patroklos verliebt und ihn zum Gefährten nimmt. Achill, wird weisgesagt, dass er der bedeutendste Krieger seiner Generation werden wird. Thetis tauchte ihn nach seiner Geburt in den Unterweltsfluss-Styx. An der Stelle, wo Thetis ihn am Fuß packte, konnte der Zauber der Unverwundbarkeit nicht wirken. Die Jungen werden vom Kentauren Cheiron in Kriegskunst und den Künsten ausgebildet. Aber eigentlich ist Achill so etwas wie ein Pazifist, er will auf keinen Fall in den Krieg ziehen. Seine Mutter, die Göttin Nereide, versteckt Achill und Patroklos am abgelegenen Königshof des Lykomedes. Doch Odysseus spürt Achill auf und kann ihn merkwürdigerweise ruckzuck überreden, in den Feldzug gegen Troja mitzuziehen, die schöne Helena zu befreien. Aber bis sie in Troja anreisen passiert nicht allzu viel, es zieht sich wie Kaugummi bis zur Mitte des Romans. Klar, Götter mischen sich ein – aber hier war für mich an vielen Stellen Spulen angesagt.


Der Ruhm und das schnelle Ende des Achill

Alle Helden Griechenlands sind aufgerufen, gegen die Spartaner in den Kampf zu ziehen, um die griechische Königin zurückzuerobern. Griechenland? Griechische Königin? Griechenland gab es doch gar nicht! Na gut. Ab dem trojanischen Krieg wird es dann ein bisschen spannender – ein bisschen. Im zehnten Kriegsjahr schickt Apollon eine Seuche über die Krieger als Strafe für Agamemnon. Immerhin haben die anscheinend ein gutes Seuchenmanagement, denn die ist verschwunden, so wie sie kam. Achill ist stinkig und verlässt das Schlachtfeld: der «Zorn des Achill», in der Ilias besungen. Als aber Patroklos in der Rüstung des Achill dem Heer zur Seite steht, stirbt er in der Schlacht durch Hektor. Achill will er sich an Hektor rächen, dem stärksten Kämpfer der Troer. Er tötet ihn und aus Rache lenkt dann Apollon einen Pfeil des Paris auf Achills verwundbaren Ferse (die bekannte Achillesferse). Achill stirbt. Es ist und bleibt ein sentimentaler Liebesroman. Patroklos, der Erzähler, stirbt kurz vor seinem Liebsten, erzählt uns die Geschichte trotzdem weiter – kein Problem. Für mich eine gute Lösung. Für Liebesromanleser eine Empfehlung. Für die anderen: Nicht wirklich ein überzeugendes Werk zur griechischen Mythologie des Achilleus, Achill oder Achilles, auch Pelide, Aiakide oder Pyruus genannt.


Madeline Miller, 1978 in Boston geboren, wuchs in New York und Philadelphia auf, studierte Altphilologie und unterrichtete in Cambridge Latein und Griechisch. Für ihren Debütroman Das Lied des Achill wurde sie 2012 mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet; er wurde in 25 Sprachen übersetzt. In ihrem zweiten Roman Ich bin Circe erzählt sie Circes Geschichte aus Homers Odyssee noch einmal neu – als die einer weiblichen Selbstermächtigung. Madeline Miller lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in der Nähe von Philadelphia, Pennsylvania.


Madeline Miller 
Das Lied des Achill
Originaltitel: The Song of Achilles, 2011
Gesprochen von: Sebastian Fischer
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 11 Std. und 17 Min.
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michael Windgassen
Roman, griechische Mythologie, Liebesroman, amerikanische Literatur
Klappenbroschur 416 Seiten
Eisele Verlag, 2020


Ich bin Circe von Madeline Miller

Ein Roman über die Göttin Circe, oder auch Kirke genannt, Tochter des mächtigen Sonnengotts Helios und der Nymphe Perse – ein ungeliebtes Kind. Eine starke Frau, die ihren eigenen Weg geht, sich ihre Macht erkämpft, verbannt auf die Insel Aiaia, Geliebte des Odysseus, Mutter des Telegonos. Göttersagen vom Olymp, eine wundervolle Geschichte, Atmosphärisch dicht geschrieben, sehr lebendig und humorvoll, ist dieser Roman ein Genuss für alle Fans der griechischen Mythologie.

Weiter zur Rezension:   Ich bin Circe von Madeline Miller



Historische Romane und Sachbücher

Im Prinzip bin ich an aller historischer Literatur interessiert. Manche Leute behaupten ja, historisch seien Bücher erst ab Mittelalter.  Historisch - das Wort besagt es ja: alles ab gestern - aber nur was von historischem Wert ist. Was findet ihr bei mir nicht? Schmonzetten in mittelalterlichen Gewändern. Das mag ganz nett sein, hat für mich jedoch keine historische Relevanz.  Hier gibt es Romane und Sachbücher mit echtem historischen Hintergrund.
Historische Romane

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Ambivalenz von Amélie Nothomb

  Eben noch war Claude mit Reine im Bett. Beim Anziehen erklärt sie, sie würde ihn für den erfolgreicheren Jean-Louis verlassen; eiskalt sie offeriert ihm, der habe mehr zu bieten. Claude schwört, sich an Reine zu rächen. Claude heiratet Dominique; Frau und Tochter interessieren ihn nicht, er hat andere Pläne. In Zeitraffern und Extrakten teilt der Leser das Leben der Familie – hier geht es um Liebe, Rache und Vergeltung auf mehreren Ebenen, die radikale Bloßstellung menschlicher Ruchlosigkeit. Feiner kurzer Roman! Weiter zur Rezension:    Ambivalenz von Amélie Nothomb

Rezension - Comfort von Ottolenghi und Helen Goh

  Rezepte, die du lieben wirst Der Israeli Yotam Ottolenghi hat zusammen mit seinem dreiköpfigen Küchenteam das nächste Kochbuch entwickelt. Das Team widmet sich dem Comfort Food und liefert inspirierende Gerichte, die nach Zuhause und Geborgenheit schmecken. Aber auch nach Kindheitserinnerungen und Reiseeindrücken. Comfort Food bedeutet für jeden etwas anderes, auf jeden Fall etwas wie Geborgenheit und Wohlfühlgefühl: ein Gefühl von Nostalgie, aber auch Vertrautheit. So sind über 100 Rezepte entstanden, von der Bolognese (mit asiatischen Gewürzen) bis zu Eier-Gerichten, von der One-Pot-Pasta bis zum Apfelkuchen. Rezepte, die zugleich originell aber auch vertraut und bewährt sind. Und immer mit dem gewissen Ottolenghi-Twist. Weiter zur Rezension:    Comfort von Ottolenghi und Helen Goh

Rezension - O du schreckliche: Ein garstiger Weihnachtskanon

  Kurzgeschichten herausgegeben von Felix Jácob Felix Jácob liebt Weihnachten und fürchtet es zugleich. Im Kreis seiner großen Familie wird an den Feiertagen zelebriert, beschenkt – und lautstark gestritten. Als passionierter Leser, studierter Philologe und langjähriger Büchermacher in europäischen Verlagen sammelt er seit Jahren die schönsten und bösesten Geschichten zum Fest. Wer spricht davon, Weihnachten zu feiern? Überstehen ist alles! Garstige, schräge Weihnachtsgeschichten für Lesende, die schwarzen Humor lieben. Weiter zur Rezension:     O du schreckliche: Ein garstiger Weihnachtskanon

Rezension - Der Rückwärtsdieb - Mehr als nur ein Trick! von Ulrich Fasshauer von Ulla Mersmeyer

  Der Vater des 11-jährigen Nachwuchs-Zauberkünstler Lenny ist Antiquar. Die wertvollsten Bücher hält er im Tresor verschlossen. Das eine will er nun verkaufen, es ist ziemlich viel wert. Es sei ein uraltes, wertvolles Zauberbuch. Lenny glaubt, es können ihm weiterhelfen, berühmt zu werden; und so stibitzt er den Band, nur ausgeliehen! Was soll denn schon passieren? Doch dann wird Lenny selbst bestohlen! Wer könnte es auf das alte Buch abgesehen haben? Spannend, turbulent, witzige Dialoge. Lesespaß ab 10 Jahren.  Weiter zur Rezension:    Der Rückwärtsdieb - Mehr als nur ein Trick! von Ulrich Fasshauer von Ulla Mersmeyer

Rezension - Chronisch gesund statt chronisch krank von Dr. med. Bernhard Dickreiter

Von der Schulmedizin bis heute ignoriert: Die wahren Ursachen der chronischen Zivilisationskrankheiten – und was man dagegen tun kann Noch nie hat es so viele chronisch Kranke gegeben wie heute: Arthrose, Diabetes, Alzheimer, Rückenleiden, Krebs, Burnout usw. Der Internist, Reha-Experte und Ganzheitsmediziner Dr. med. Bernhard Dickreiter ist überzeugt, dass diese Patienten selbst aktiv etwas dagegen unternehmen können. Sein Standpunkt: Wir müssen alles dafür tun, damit es den Zellen in unserem Organismus gut geht. Jede Zelle ist von einer organtypischen Umgebung eingeschlossen, in die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM). Dort zieht die Zelle ihre Nährstoffe, den Sauerstoff, und hier entsorgt sie ihre Abfallstoffe. Ist die Zellumgebung nicht gesund, werden wir krank. Die Schulmedizin bekämpft meist nur Symptome: Schmerzen – Schmerztablette. Die Ursachen werden oft nicht hinterfragt, bzw. operabel versucht zu beheben: neues Knie, neue Hüfte usw. Dickreiter geht ganzheitlich vor. ...

Rezension - Die Schatzinsel von Sebastià Serra, nach Robert Louis Stevenson

In diesem hochwertigen Pappbilderbuch wird der Klassiker «Die Schatzinsel» in Reimform erzählt. Es ist die Geschichte einer abenteuerlichen Suche nach einem Piratenschatz, bei der der Junge Jim eine Hauptfigur ist; ebenso eine Schatzkarte. Ich war ja ehrlich gesagt skeptisch, ob man einen dicken, spannenden Roman in eine kurze Reimform bringen kann. Das ist gelungen. Spannendes Bilderbuch ab 3 bis 4 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Schatzinsel von Sebastià Serra, nach Robert Louis Stevenson

Rezension - Mittelmeer: Tauche ein in die mediterrane Welt von Katharina Vlcek

Dieses Sachkinderbuch bietet viel Hintergrundwissen zur Mittelmeerregion. Das Buch entführt uns zu Zeugnissen großer Kulturen, Geografie, Geschichte, die Geschichte ihrer Besiedlung und lädt uns ein, ein die Tiefe der Unterwasserwelt zu tauchen. Die mediterrane Region ist aber nicht nur ein Urlaubsort: Schon seit über 42 000 Jahren leben Menschen am und vom Mittelmeer, mit einer 46.000 Kilometer langen Küstenlinie und 521 Millionen Menschen, die in den 24 angrenzenden Staaten leben. Eine runde Information, grafisch hervorragend begleitet, ein Kinderbuch ab 9 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Mittelmeer: Tauche ein in die mediterrane Welt von Katharina Vlcek

Rezension - Franz – oder warum Antilopen nebeneinander laufen von Christoph Simon

Ein Schweizer Kultbuch von 2001, neuaufgelegt, ein Comming of age – Roman, schräg, amüsant, empathisch, spleenig. Franz ist einer, der weiß, dass er irgendwie die Schule überstehen muss, mit Abschluss, aber wozu das alles gut sein soll, hat er noch lange nicht kapiert. Schule ist irgendwie ein Stück Heimat, wenn nur der Unterricht nicht wäre. Ein typisches Jugendbuch, allerdings in einer Form, das auch Erwachsenen gefällt. Hier geht es zur Rezension:    Franz – oder warum Antilopen nebeneinander laufen von Christoph Simon

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - L’Osteria Grande Amore von L’Osteria und Diana Binder

  Die Geheimnisse unserer Küche L’Osteria Grande Amore – das erste Restaurant eröffnete 1999 in Nürnberg. Systemgastronomie – heute hat die Kette gut 200 Restaurants in neun Ländern mit rund 8.000 Beschäftigten. Seitdem hat sich das Ursprungskonzept mehr als bewährt: Frische italienische Küche, lässiges Ambiente, Pizze, die über den Tellerrand hinausragen und Systemgastronomie, die schmeckt. Im Buch sind in der Einführung einige Fotos zu den Lokalitäten enthalten. Und dann geht es los zu den Rezepten aus L’Osteria Grande. Neues Rezepte zu Pasta und Pizza! Empfehlung! Weiter zur Rezension:    L’Osteria Grande Amore von L’Osteria und Diana Binder