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Das Buchmaultier von Córdoba von Wilfrid Lupano und Léonard Chemineau - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing





Das Buchmaultier von Córdoba 


von Wilfrid Lupano und Léonard Chemineau


Das Kalifat von Córdoba im Jahre 976: Unter den Herrschern al-Rahman III. und seinem Sohn al-Hakam II. erblühte das Reich im Zeichen von Frieden, Kultur und Wissenschaft auf den Zenit. Die Hauptstadt Córdoba gilt als unangefochtene Perle des Okzidents, als al-Hakam II. jung und ohne volljährigen Nachfolger verstirbt. Der Wesir Amir nutzt die Gunst der Stunde, um die Macht im Kalifat an sich zu reißen. Unterstützt wird er von religiösen Fundamentalisten, denen die Begeisterung der verflossenen Kalifen für fremde Kulturen, für Philosophie und Mathematik, ein Dorn im Auge gewesen ist. 





Der Preis für ihre Unterstützung ist hoch: Die 400.000 Bücher der Bibliothek von Córdoba sollen dafür auf dem Scheiterhaufen enden, und alle Bücher, die auffindbar sind. Amir willigt ein. Am Vorabend der größten Bücherverbrennung der Welt sind der Eunuch Tarid, der Bibliothekar, und seine Kopistin Lubna, panisch damit beschäftigt, so viele Bücher wie möglich einzusammeln und zu retten. Nur wie? Erstmal raus aus dem Fenster in den Garten. Da kommt der langfingrige ehemalige Schüler Marwarn mit seinem Maultier gerade recht, der ein damals entwendetes Buch reuemütig zurückbringen möchte. Zusammen begeben sie sich auf eine wagemutige Reise: Das heillos überladene, störrische Buchmaultier, von Berbersöldnern verfolgt, muss ganz Spanien durchqueren, um den unersetzlichen Wissensschatz zu retten. Diese köstliche historische Fabel aus der Feder von Wilfrid Lupano («Die alten Knacker») erzählt eine kraftvolle und hochaktuelle Geschichte über den Konflikt zwischen Machtgier und der Freiheit, die durch Wissen geschaffen wird.




Ein Roadmovie mit historischem Hintergrund vom Feinsten! Unterwegs mit dem «lausigsten Maultier seit Menschengedenken» und dem trotteligen Marwarn, ganz ohne Wasser, Nahrung, Geld, auch nicht in passender Reisebekleidung, versuchen die beiden Bibliothekare die Bücher zu retten. Tarid, der keine körperlichen Anstrengungen gewohnt ist, stolpert in seinen Pantoffeln dahin. Das Maultier ist völlig überladen; natürlich hat es keine Lust mehr … obwohl, Bücher schmecken sehr gut … Sie werden von Wölfen angegriffen, man lacht sie aus, denn niemand kann mit Bücherwürmern etwas anfangen und die Soldaten sitzen ihnen im Nacken. Ein Kopfgeld ist nun auf sie eingesetzt, das sich manch einer verdienen möchte. Abenteuerlich und beschwerlich, dank Marwan ziemlich witzig, eine Reise mit Rückblicken auf das Leben der drei Protagonist:innen, teils als Albträume dargestellt. Wird das Trio die Bücher retten? Léonard Chemineau zeichnet mit kräftigen Farben im typischen Comicstil diese liebenswerte Geschichte. Mit dem Ende der Grafic Novel ist nicht zu rechnen – spannend und amüsant. 




Heute wieder ein brandaktuelles Thema: Bücherverbrennung. Bücher sind gefährlich, denn sie enthalten Wissen und damit Aufklärung und Macht. Fanatiker, religiöse Fundamentalisten, Diktatoren – oft genug waren, bzw. sind Bücher oder bestimmte Bücher in manchen Ländern verboten, werden Autor:innen eingesperrt oder umgebracht. Gelungen ist auch der geschichtliche Ablauf der Bücherverbrennungen auf der Welt am Ende der Graphic Novel. Interessant auch die Geschichte des Kalifats von Córdoba am Ende, passend ganz vorn die Karte zum 10. Jahrhundert. Ein klasse Comic, den ich unbedingt empfehlen kann. Der Splitter-Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 14 Jahren. Absolut Allage, aber klar, ab 14 passt. Wer sich ein wenig in der Altstadt von Córdoba auskennt, wird eine Menge wiedererkennen, vortrefflich gezeichnet.





Der Comicautor Wilfrid Lupano wurde 1971 in der westfranzösischen Großstadt Nantes geboren. Nach einigen Umwegen hat es ihn zwischenzeitlich nach Paris verschlagen, wo er seit einigen Jahren lebt und arbeitet. Comics haben Wilfrid wie viele seiner Landsleute schon immer angezogen. Nach einem Philosophie- und Literaturstudium wagte er sich 2001 zusammen mit dem Zeichner Frédéric Campoy an seine erste Comic-Erzählung: die Western-Farce Little Big Joe. Seither hat er Szenarios für zahlreiche Comicreihen und Zeichner geschrieben. Auf Deutsch liegen von Wilfrid die Albenreihen Alim der Gerber und Der Mann der keine Schusswaffen mochte (beide Splitter-Verlag) vor. Wie in Der Affe von Hartlepool (2013) vermengt Wilfrid Lupano auch in seinen anderen Erzählungen Gesellschaftskritik und tagesaktuelle Diskurse mit phantastischen und abenteuerlichen Stoffen.

Léonard Chemineau wurde 1982 geboren und fiel beim Wettbewerb Jeunes Talents 2009 des Internationalen Comicfestivals von Angoulême auf. Er ist ausgebildeter Ingenieur und Spezialist für Umweltfragen und nachhaltige Entwicklung. Heute widmet er sich ausschließlich dem Zeichnen von Comic.


Wilfrid Lupano, Léonard Chemineau
Das Buchmaultier von Córdoba
Originaltitel: La bibliomule de Cordoue.
Aus dem Französischen übersetzt von Désirée Schneider
Comic, Graphic Novel, Bücherverbrennung, Córdoba, Kalifat von Córdoba, al-Rahman III., al-Hakam II., Jugendbuch
Hardcover, 264 Seiten, 27.6 x 19.9 cm
Splitter-Verlag, 2022
Altersempfehlung: Allage, ab 14 Jahren


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