Direkt zum Hauptbereich

Cooper von Jens Eisel - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Cooper 

von Jens Eisel


In meinem Koffer befindet sich eine Bombe. Falls nötig, werde ich von ihr Gebrauch machen. Ich möchte, dass sie sich neben mich setzen. Das ist eine Entführung.


USA, 1971: Ein ganz normaler Flug nach Seattle, das Bordpersonal freut sich auf den Feierabend. Doch unter den Passagieren befindet sich ein Mann mit einem Aktenkoffer auf dem Schoß. Er wird als Dan Cooper in die Geschichte eingehen und gleichzeitig ein Unbekannter bleiben. Ruhig und gelassen sitzt er dort und teilt der Stewardess mit, in seinem Köfferchen befände sich eine Bombe. Er macht kein Aufhebens, verlangt lediglich 200.000 Dollar und vier Fallschirme bei Landung. Die Fahrgäste dürfen dann aussteigen, das Flugzeug soll auftanken und weiter geht es an einen Ort, den er bekanntgeben wird. 


Und er macht das, womit niemand rechnet


Obwohl sie die Sätze zweimal gelesen hatte, erinnerte sie sich nur an zwei Wörter: Entführung und Bombe.


Jens Eisel erzählt diese wahre Geschichte multiperspektiv. Ein Hijacker, der sehr nett mit den Stewardessen plaudert, die Passagiere haben am Ende rein gar nichts von der Aktion mitbekommen. Man nimmt an, dass er ein Vietnamveteran war, da er sich so gut mit dem Flugzeugtyp Boeing 727 auskannte, das im Vietnamkrieg eingesetzt wurde. Und er macht das, womit niemand rechnet – er springt mit dem Fallschirm und dem Lösegeld ab, während die Crew nichtsahnend im Cockpit sitzt – verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Geräusche und Warnlampen im Cockpit – was ist da hinten los? Die Instruktion des Hijackers: Sie dürfen die Pilotenkabine nicht verlassen; aber der Captain schaut nach. Jetzt verstehen sie, warum der Mann die Anweisung gab, nicht über 10.000 Meter zu fliegen; denn mit dieser Höhe würde der Sprit nicht bis Mexiko reichen und eine Zwischenlandung wäre unausweichlich gewesen. Klar, so weit wollte der Entführer gar nicht fliegen. Die Geschichte der rätselhaftesten Flugzeugentführung der USA!


Spannend figurbezogen


Menschen neigen dazu, nach Zusammenhängen zu suchen. Das liegt einfach in der Natur unserer Spezies.


Empathisch nimmt sich Jens Eisel diesen Fall vor, beleuchtet ihn von allen Seiten. Vier Figuren, Cooper, die Stewardess Kate und der Pilot schildern die Ereignisse, ein FBI-Mitarbeiter kommt kurz zu Wort. Wer war dieser Mann und was trieb ihn an? Was sind die Befürchtungen des Personals? Zu dieser Zeit wurden fast wöchentlich in den USA Flugzeuge entführt, und nicht immer ging die Sache gut aus. Die Ermittlungen zu diesem Fall wurden nach 45 Jahren eingestellt, ohne dass man die Identität des Entführers ermitteln konnte. Hatte er den Absprung überlebt? Auf jeden Fall konnte er nicht das gesamte Lösegeld retten, da Jahre später ein Teil in der Wildnis wiedergefunden wurde. Fiktiv schildert der Autor spannend die Geschichte – so hätte es gewesen sein können. Ein True Crime, der Spaß macht. Genauso unspektakulär, wie die gesamte Szenerie abläuft, schildert sie der Autor schnörkellos. Die Dialoge haben mir gefallen – hier kommt sogar ein wenig schwarzer Humor durch. Keine Effekthascherei oder Voyeurismus einer bluttriefenden Geschichte. Eisel interessiert sich für seine Figuren. Was geht in diesem Entführer vor, was ist das für ein Typ, der so eine verrückte Sache inszeniert? Wie gehen Stewardessen und Piloten mit der Situation um, welchem Druck sind sie von außen ausgesetzt? Immerhin steht das Leben der Fluggäste und der Crew auf dem Spiel. Ein guter literarischer Kriminalroman. Allerdings ist das Buch eine kleine Mogelpackung. Das hätte auch auf 120-150 Seiten bei diesem Format gepasst. Ehrlicher wäre es gewesen, ein kleines Format für das Buch zu wählen.  Eine große Schrift und dickes Papier blähen die 224 Seiten auf – Stoff für einen gemütlichen Abend.


Jens Eisel, geboren 1980 in Neunkirchen/Saar, lebt in Hamburg. Nach einer Schlosserausbildung arbeitete er unter anderem als Lagerarbeiter, Hausmeister und Pfleger. Er studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und war 2013 Finalist beim Literaturpreis Prenzlauer Berg. Mit seiner Story „Glück“ gewann er im selben Jahr den Open Mike.


Jens Eisel
Cooper
Kriminalroman, Hijacking, True Crime,  Kriminalliteratur, historischer Kriminalroman
Hardcover mit Lesebändchen, 224 Seiten
Piper Verlag, 2022






Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

Historische Romane und Sachbücher

Im Prinzip bin ich an aller historischer Literatur interessiert. Manche Leute behaupten ja, historisch seien Bücher erst ab Mittelalter.  Historisch - das Wort besagt es ja: alles ab gestern - aber nur was von historischem Wert ist. Was findet ihr bei mir nicht? Schmonzetten in mittelalterlichen Gewändern. Das mag ganz nett sein, hat für mich jedoch keine historische Relevanz.  Hier gibt es Romane und Sachbücher mit echtem historischen Hintergrund.
Historische Romane


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Zappenduster von Hubertus Becker

Wahres aus der Unterwelt Kurzgeschichten aus der Unterwelt: »Alle Autoren haben mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht.« 13 Geschichten von 6 verschiedenen Autor*innen. Diverse Schreibstile, vermischte Themen, aber das Zentralthema ist Kriminalität. Knastgeschichten, Strafvollzug, die Erzählungen haben mir unterschiedlich gut gefallen – zwei davon haben mich beeindruckt, die von Sabine Theißen und Ingo Flam. Weiter zur Rezension:  Zappenduster von Hubertus Becker 

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Rezension - Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli

  Eine witzige Geschichte über ein starkes Mädchen, das Verantwortung für ihre Umwelt übernimmt. Eines Tages kommt Juli aus dem Haus und der Baum ist weg. Wo mag er geblieben sein? Doch als Juli nach Hause kommt, liegt er in ihrem Bett: «Kein Bock mehr!» Den Baum hat es erwischt: Burnout. Kein Wunder, dass er so viel arbeiten muss, denn er ist der einzige Baum weit und breit. Aber wo soll die Amsel denn nun ihr Nest bauen? Und wo soll die Fledermaus schlafen? Kein Problem, meint Juli, der Baum brauchte sicher nur mal eine Pause. Und so lange kann sie ja für die Tiere da sein … Humorvolles Bilderbuch mit Tiefgang ab 3 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

  Kemi, Brittany-Rae und Muna: drei Frauen leben in Schweden – drei völlig unterschiedliche Lebenswelten; eins haben sie gemeinsam: Sie sind schwarz und nicht in Schweden geboren. Ihre Ausgangssituationen können kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem beginnen sich ihre Leben auf unerwartete Weise zu überschneiden – in Stockholm, einer als liberal geltenden Stadt. «In allen Spiegeln ist sie Schwarz» erzählt die schwierigen Themen Migration, Rassismus, Sexismus und Identität mit Leichtigkeit; obwohl nichts komplexer ist als dieser Themenbereich. Spannender zeitgenössischer Roman. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

Rezension - Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

  Aram Mattioli erzählt zum ersten Mal den langanhaltenden Widerstand der First Peoples in den USA - vom First Universal Races Congress (1911) über die Red Power-Ära und die Besetzung von Wounded Knee (1973) bis hin zu den Protesten gegen die Kolumbus-Feierlichkeiten (1992). Die American Indians waren dabei nie nur passive Opfer, sondern stellten sich dem übermächtigen Staat sowohl friedlich als auch militant entgegen.  Schwer verdaulich, wie die Native Americans noch im 20. Jahrhundert entrechtet und diskriminiert wurden. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

Rezension - Spanischer Totentanz von Catalina Ferrera

Der erste Barcelona-Krimi, »Spanische Delikatessen«, von Calina Ferrera hatte mir als Hörbuch gefallen: leichte Story mit Lokalkolorit, feiner Humor, spannende Geschichte. Leider konnte mich der zweite Band nicht überzeugen. Weder Spannung noch ein Gefühl für die Stadt kam auf. Touristische Beschreibungen und Restaurantbesuche lähmen eine durchschaubare Kriminalgeschichte, die die Mossos d’Esquadra auf den Cementiri de Montjuïc und die Zona Alta führt. Weiter zur Rezension:    Spanischer Totentanz von Calina Ferrera

Rezension - Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Dieses witzig-gruslige Jugendbuch, bzw., schlicht Comic, nimmt eine über 100 Jahre alten Geschichte von John Kendrick Bangs auf. Die Comic-Zeichnerin Barbara Yelini interpretiert die Story neu mit wundervollen Wasserbildern. Ein wundervoller Comic für Jugendliche, die nicht sehr lesebegeistert sind. Zur Rezension:    Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Kreativ - Kunst - Zeichnen - Lesen - Künstler - Was gibt es Neues?

Kreativ - Kunst - Zeichnen - Lesen - Künstler - Was gibt es Neues? Große Kunst wird gekauft und verkauft, sie kommt unter den Hammer und wird vorn und hinten versichert. Kleine Kunst ist kein Produkt. Sie ist eine Haltung. Eine Lebensform. Große Kunst wird von ausgebildeten Künstlern und Experten geschaffen. Kleine Kunst wird von Buchhaltern geschaffen, von Landwirten, Vollzeitmüttern am Cafétisch, auf dem Parkplatz in der Waschküche.  (Danny Gregory) Das Farbenbuch von Stefan Muntwyler, Juraj Lipscher und Hanspeter Schneider Als ich dieses Kraftpaket von Buch in den Händen hielt, war ich zunächst einmal platt. Wer dieses Sachbuch hat, benötigt keine Hanteln mehr! Aber Spaß beiseite, wer dieses Buch gelesen hat, hat auch keine Fragen mehr zum Thema Farben. Farben werden aus Pigmenten hergestellt, soweit bekannt. Die beiden Herausgeber sind der Kunstmaler Stefan Muntwyler und der Chemiker Juraj Lipscher, beide lebenslange Farbspezialisten, und dies ist ein Kompendium der P

Rezension - In der Ferne von Hernan Diaz

  Anfang der 1850er Jahre, Håkan Söderström lebt zu einer Zeit in Schweden, in der die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Auszuwandern ins gelobte Land Amerika scheint eine Chance. So schickt der Vater die ältesten Jungen los. Zusammen mit seinem großen Bruder Linus steigt Håkan auf das Schiff nach England. Von dort soll es nach Nujårk, New York, weitergehen, doch im Hafen von Portsmouth verlieren sich die Brüder. Håkan fragt sich durch: Amerika! Doch der Bruder erscheint nicht auf dem Schiff – denn Håkan sitzt auf dem nach Buenos Aires. Das kapiert er zu spät, steigt in San Francisco aus. New York ist sein Ziel. Fest entschlossen, den Bruder zu finden, macht er sich zu Fuß auf den Weg, entgegen dem Strom der Glückssucher und Banditen, die nach Westen drängen. Sprachlich ausgefeilt, eine spannender, berührender Anti-Western, ein Drama mit einem feinen Ende. Die Epoche der Besiedlung Amerikas, Kaliforniens, wird hautnah eingefangen. Empfehlung! Weiter zur Rezension:  In der Ferne v