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Abbruch - Tod am Taj Mahal von Manuel Vermeer


Ich wollte dem Buch eine Chance geben, obwohl die Sprache mir von der ersten Seite an nicht gefiel - aber bei Seite 102 war Schluss. Mich hatte das Thema interessiert, das große Geschäft mit Sand, denn die vielen Betonbauten schlucken Sand, der auf der Welt immer rarer wird. Sandmafia – ein gutes Thema, so freute ich mich. Sprachlich nicht ansprechend, und obendrauf konnte ich inhaltlich dem Ganzen leider nicht mehr folgen.

Die deutsche Hydroingenieurin Cora Remy ist beruflich in Indien und will bei der Gelegenheit ihren Freund Ganesh besuchen, der derzeit neben dem Taj Mahal arbeitet. Vom Flughafen wird sie allerdings nicht von ihm abgeholt, lediglich von dessen Freund Anshu, der erzählt, er sei eigentlich nur der Chauffeur, weil Ganesh kein Auto besitze. Schon am letzten Abend sei er mit dem Freund verabredet gewesen, der nicht zu erreichen sei. Ganesh habe etwas herausgefunden über illegalen Sandhandel, sei bedroht worden, mehr wisse er auch nicht. Cora will ihn sofort suchen gehen. Anshu will abwarten und bringt Cora in einen Club, wo sie ihr Zimmer bezieht. Am nächsten Morgen will er sie abholen, gemeinsam mit ihr nach dem Freund suchen. Sie solle nicht alleine losziehen, das sei als Frau in Indien gefährlich. Worauf Cora sagt:

Ich bin nicht aus Zucker und muss auch nicht ins Bett! Hat Ganesh Ihnen nicht von den Sprengungen in Tibet erzählt? Von meinem Kampf mit den chinesischen Soldaten? Ich werde Ganesh suchen, ich werde ihn jetzt nicht im Stich lassen! Vielleicht ist er schwer verletzt oder er wird irgendwo gefangengehalten!

Ich war etwas verwirrt. Kaum dem Flugzeug entstiegen, ohne Kenntnis der Sachlage solche Schlüsse zu ziehen ... mein lieber Scholli … Und Kampf mit chinesischen Soldaten … hätte Anshu davon Kenntnis haben müssen? Kung Fu fighting? Um fünf Uhr morgens verlässt Cora den Club völlig verändert. Die blonden langen Locken hat sie sich von einem Friseur in eine Kurzhaarfrisur umwandeln lassen, geglättet und schwarz gefärbt, damit sie nicht auffällt. Und sie trägt einen indischen Salwar Kameez. Am Taxistand fällt ihr ein junger Mann auf, der ihr erklärt, die anderen Taxifahrer wollen sie übers Ohr hauen, er bietet einen guten Preis. Warum vertraut sie Anshu nicht, aber dem auffälligen Taxifahrer? Auf dem Weg zum Taj Mahal, es ist nicht weit, lädt er sie in einem teuren Hotel nahe dem Denkmal ab, wartet. Am Flughafen hatte Cora eine zerknitterte alte Ledertasche von der Gepäckausgabe abgeholt, nun trägt sie einen Rucksack. Sofort muss sie duschen, den Salwar Kameez wechseln, wegen des vielen Staubs auf der kurzen Fahrt. Von der Indischen Frauenbekleidung, weites Oberteil und Pluderhose, hat sie gleich mehrere im Rucksack stecken, die sie vorsichtshalber in Dehli eingekauft hatte. Ich komme schon hier nicht mehr mit. Klar, der Freund ist nicht aufgetaucht, das ist besorgniserregend – doch diese Agentennummer? Und der Rucksack muss ja riesig sein … – Der Leser weiß durch kleine Kapitel, dass  Ganesh gefangengehalten wird.

Am liebsten wäre Cora noch einmal in den Taj Mahal zurückgekehrt, um den Treppen zu folgen, die unter die Plattform führten, aber das gesamte Areal war nachts natürlich geschlossen. Als sie ihm das sagte, wiegte er bedächtig den Kopf. »No Problem Miss. I have good friend. Ha give boat. But dangerous. If police find us, we jail.‹

Der nette Taxifahrer bringt Cora zum Taj Mahal, eine Touristentour auf dem Gelände folgt, und sie entdeckt Treppen, die nach unten führen, abgesperrt. Genau dort will sie hin! Als sie zum Taxi zurückkommt, sieht sie, wie der Fahrer bedroht wird, geschlagen, es geht um eine weiße Frau – sie! Cora schleicht sich von dannen, trifft später den Fahrer, der ihr erklärt, er habe den Männern ein falsches Hotel genannt, in dem sie wohnen würde. Die Männer wollten wissen, was sie am Taj Mahal wolle. Man fragt sich als Leser, wie die verkleidete Cora erkannt wurde, von wem und weshalb man überhaupt an ihr interessiert ist. Und der Taxifahrer ist sofort bereit, mit ihr auf das Gelände einzusteigen! Als sie dort detektivisch herumschleichen, schlängelt eine Cobra aus einem Deckenloch, die hier nicht hingehört. Sofort reißt Cora die Lehm-Strohdecke ein wenig auf, lässt sich vom Taxifahrer per Räuberleiter nach oben helfen. Der Leser weiß ja, wer dort sitzt … Ich habe den Thriller zugeklappt, weil ich solch Fantasygebilde nicht lesen mag. Spannung kommt auch nicht auf, weil unsere Heldin wie ein Durchlauferhitzer auf das Ziel zusteuert, niemand sie daran hindert: Sofort weiß sie was zu tun ist, vermutet sofort richtig, dass ihr Freund gefangengehalten wird, verkleidet sich zur Tarnung agentenlike, Helfer stehen sofort zur Stelle, und gleich hat sie den richtigen Riecher, wo der Freund wohl steckt. Mann, Mann …

Endlich stand Cora vor der Abflughalle des Flughafens von Kathmandu. Ein irgendwie unbefriedigender Tag lag hinter ihr; die Fahrt zum Staudamm, die ergebnislos geblieben war; die Rückfahrt, der traurige Anblick der Ruinen Kathmandu … sie freute sich darauf, bald Ganesh zu sehen. Wie würde das Wiedersehen werden? Ob er sich sehr verändert hatte? 

Wie hieß er überhaupt? Hätte sie das fragen sollen? Immerhin hatte sie ihm ihr Leben anvertraut auf dieser mörderischen Autofahrt. Oder tat man das nicht? Ganesh würde ihr sicher – sie stockte in Gedanken. Ganesh? Wo er wohl war? Ob es ihm gut ging? (Und noch eine Reihe von Fragesätzen folgen.)

Die Sprache ist hölzern, statisch folgt oft Satz für Satz gleichklingend ohne Rhythmus über Seiten. Das hat mir bereits die erste Seite verleidet. Sätze im Telegrammstil, abgehackt oder vergurkte Schachtelsätze, die am Ende erst die Information bringen. Es gibt laufend eine Menge Fragesätze, einer nach dem anderen folgend. Und mancher Satz wiederum ist aufgepolstert mit störenden Füllworten; Wiederholungen von Aussagen direkt hintereinander nerven. Der Autor möchte uns Indien erklären. Das kann ich verstehen. Aber dadurch gibt es jede Menge handwerkliche Fehler. Die Protagonisten werden unglaubwürdig, wenn der Autor über sie am laufenden Band Leserinformation ausspuckt, selbst in ganz banalen Sätzen: »Nun, dachte die promovierte Ingeneurin ...«. Ganz davon ab, dass die Charaktere platt sind, sie besitzen keine Persönlichkeit, handeln ziemlich obskur. Trotz der vielen Erklärungen zu Land und Leuten, touristischen Attraktionen, fehlt dem Text Atmosphäre. Nicht ein Satz zieht mich hinein, es gibt keine stimmungsvollen Absätze, Beschreibungen besitzen Sachbuchcharakter, Protagonisten bleiben auf ihre Handlungen und Fragestellungen reduziert. Es soll ein Tempo-Thriller sein, aber die gewählte Zeitform in Kombination mit dem Schreibstil bremst enorm, und der Winkel der Perspektive hält den Leser auf zu viel Distanz.

Wie gesagt, ich habe lediglich etwas über ein Viertel gelesen, nur darüber kann ich meinen Unwillen
weiterzulesen ausschütten. Laut Klappentext reist Cora nun nach Mumbai, legt sich mit dem mächtigen Sandlord an. Klar doch – wer schon gegen chinesische Soldaten antritt … Das ist keine Rezension, lediglich der Eindruck zum ersten Viertel.


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