Direkt zum Hauptbereich

Wir gehen in eine Ausstellung von Miriam Elia und Ezra Elia - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Wir gehen in eine Ausstellung 

von Miriam Elia und Ezra Elia


Die heiteren farbigen Illustrationen ermöglichen Ihrem Kind, den lähmenden bürgerlichen Selbsthass, der in jedem Kunstwerk steckt, sanft zu verinnerlichen. Auf jeder Seite finden sich neue Wörter, die Ihrem Kind helfen, grundsätzliche Konzepte zu identifizieren, so dass sie diese bei Tischgesellschaften wiederholen und so die gebildeten Gäste beeindrucken können.

Das Buch im Pocketformat ist nicht nur für Eltern. Im ersten Augenblick dachte ich, upps, doch für Kinder, denn die großformatige Schrift, und die Fragen der Kinder, Antwort ..., sagt Mutti, lassen zunächst darauf schließen. Ebenso das Ende jeder Seite: Neue Wörter ... (Die man in Zusammenhang mit Kunst gelernt hat.)


Liest man in das Buch hinein, fängt man unwillkürlich an zu lachen. Schon die ersten zwei Seiten (Ausschnitt siehe oben) sind der Brüller. Zunächst habe ich mich beim Durchblättern an der Grafik gestört. Uff, dachte ich, was ist denn das für ein altbackenes Zeug, Retro aus den 50-Ern, Jackie Kennedy führt ihre Kinder ins Museum? Liest man dann aber die Texte, so passt alles zusammen und ist wieder gut!

Meine Güte! Die sind ja nackt!‹, sagt John.
›Ist es Zeit für ein Bad?‹, fragt Susan.
›Nein‹, sagt Mutti. ›Es ist Zeit für die Objektifizierung des Körpers.




Kunst soll nicht schön sein und sie soll nicht gefallen. Kunst soll aufmerksam machen, empören. Hin und wieder darf sie auch gefällig sein, nur leider macht man sich heute damit selten einen großen Namen. Die Kinder sehen ratlos vor manchen Objekten, fragen … Die Antwort der Mutter fällt sarkastisch – patzig aus. Eine Persiflage über die Moderne. Mein Kunstlehrer sagte immer, Kunst kommt von können. Ist das heute noch gültig? Ein leerer Raum, eine weiße Leinwand, in Müllsack in der Ecke. Müssen wir dafür studieren?

Ich könnte das malen‹, sagt John.
›Hast du aber nicht‹, sagt Mutti.

Ich möchte hier den berühmten Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi zitieren: »Die Professoren tun so, als sei dieses Handwerk rückständig, Kunst von gestern. Sie tun so, als wollten sie das nicht. In Wahrheit jedoch können sie es einfach nicht.«


Ich erinnere mich an meine Tochter, die im Kunstmuseum vor einer millionenschweren weißen Leinwand stand, die einen kleinen Riss hatte, behauptete, das könne sie auch. Aber es hat schon vor dir einer die Idee gehabt, war meine Antwort. Im Keller lagen eine Menge Pappkartons herum (Kunst) und die Tochter bemerkte, wenn wir schon Eintritt zahlen, können die Leute hier auch mal aufräumen. Und irgendwo hatte in der Ecke jemand seine Jacke (Kunst) liegenlassen. Ich finde, wir sollten ehrlich darüber reden und nicht alles gut finden, auch darüber mit den Kindern sprechen. Natürlich muss Kunst nicht immer schön sein und sie kann ansteckend protestierend sein, aufrütteln. Auch das müssen wir erwähnen.

»Das Mistkäfer -‹Neue Wörter‹ – Leseprogramm wir die Fähigkeit Ihres Kindes, lange Wörter und schwierige Konzepte zu erinnern, deutlich verbessern. … Wir empfehlen, die Wörter so oft wie möglich mit Ihrem Kind zu lesen.«

Kritisches Denken entwickeln, mal so richtig ablachen. Das Buch macht Spaß – es gibt sehr kluge Gedanken. Ein letztes Wort: In der schreibenden Zunft, wird gerüttelt und geschoben, ausgetauscht, gestrichen, bis jeder Satz, jedes Wort am richtigen Ort sitzt. Warum ist in der Kunst eigentlich alles erlaubt? Weil sie frei ist? Sind wir Schriftsteller also unfrei?

Miriam Elia ist eine bildende Künstlerin aus London, wo sie 1982 geboren wurde und am Royal College of Art studierte. Ihre vielfältigen Arbeiten umfassen Kurzfilme, Animationen, Zeichnungen, Collagen, Drucke, surreale Hörspiele und illustrierte Bücher.
Der Autor und Bruder von Miriam Elia, Ezra Elia, ist der Autor des Buchs. Er arbeitet seit 2008 an den unterschiedlichsten Projekten für Fernsehen, Radio und Theater.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Chronisch gesund statt chronisch krank von Dr. med. Bernhard Dickreiter

Von der Schulmedizin bis heute ignoriert: Die wahren Ursachen der chronischen Zivilisationskrankheiten – und was man dagegen tun kann Noch nie hat es so viele chronisch Kranke gegeben wie heute: Arthrose, Diabetes, Alzheimer, Rückenleiden, Krebs, Burnout usw. Der Internist, Reha-Experte und Ganzheitsmediziner Dr. med. Bernhard Dickreiter ist überzeugt, dass diese Patienten selbst aktiv etwas dagegen unternehmen können. Sein Standpunkt: Wir müssen alles dafür tun, damit es den Zellen in unserem Organismus gut geht. Jede Zelle ist von einer organtypischen Umgebung eingeschlossen, in die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM). Dort zieht die Zelle ihre Nährstoffe, den Sauerstoff, und hier entsorgt sie ihre Abfallstoffe. Ist die Zellumgebung nicht gesund, werden wir krank. Die Schulmedizin bekämpft meist nur Symptome: Schmerzen – Schmerztablette. Die Ursachen werden oft nicht hinterfragt, bzw. operabel versucht zu beheben: neues Knie, neue Hüfte usw. Dickreiter geht ganzheitlich vor. ...

Rezension - Entführung im Drachenwald von Barbara van den Speulhof und Kurzi Shortriver

Theos bester Freund ist der Drache Kokolo, aber das darf keiner wissen. Denn Drachen gibt es ja gar nicht. Mitten in der Nacht klopft Kokolo an Theos Fensterscheibe: Sie müssen schnell etwas unternehmen denn der fiese Adler Malo hat eins der Babys von Tante Xenna Drachen entführt!  Werden sie noch rechtzeitig kommen? Lesenlernen mit einem Comic, kurze Texte, für Leseanfänger konzipiert. Eine spannende Graphic Novel ab 6 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Entführung im Drachenwald von Barbara van den Speulhof und Kurzi Shortriver

Rezension - Nur noch kurz ein kleiner Furz! von Jonny Leighton und Mike Byrne

Kinder lieben Pupsbücher! Wie ist das eigentlich mit den Tieren? Wie pupsen die? Auf einer urkomischen Reise durch das Reich der Flatulenz beobachten Elefant und Maus die unterschiedlichsten Fürze. Und so lernt die Maus, dass Pupsen die normalste Sache der Welt ist! Witzig gestaltet, den Text in Reimform gebracht, macht dieses Bilderbuch Spaß! Lustiges Bilderbuch ab 3 Jahren, Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Nur noch kurz ein kleiner Furz! von Jonny Leighton und Mike Byrne

Abbruch - Alles Gute von Eva Rossmann

  Alles Gute von Eva Rossmann Abbruch! Wir beide kamen nicht zusammen. Der Anfang konnte mich nicht begeistern, ich fühlte mich eher wie in einem Kochbuch, nicht wie in einem Krimi. Peter Gruber hat Eine App gegen die Spaltung der Gesellschaft geschrieben, «LISA wünscht ALLES GUTE», die Millionen User hat und damit ist er reich geworden, aber er hat den größten Teil in eine Stiftung gesteckt und etwas für seine Nichte bereitgelegt. Weil er sich bedroht fühlt, verabredet er sich mit der Journalistin Mira Valensky. Gruber erscheint nicht, ist plötzlich spurlos verschwunden. Freiwillig untergetaucht – wenn ja warum? Oder was immer auch passiert ist … Ich habe versucht, zu verstehen, was das für eine App ist. Man kann damit Menschen per Strichmännchen «Alles Gute» wünschen? Und damit soll Gruber Millionen verdienen, weil die User dafür bezahlen? Peter Gruber, ein ehemaliger Lehrer, der vor heutigen politischen Tendenzen warnt, die an die 1930er Jahre erinnern, plädiert für mehr Freundl...

Rezension - #Erstkontakt von Bruno Duhamel

  Doug, ein ehemaliger Fotograf lebt von der Öffentlichkeit zurückgezogen in den schottischen Highlands. Niemand liked seine Fotos, er ist frustriert, darum hat er seit 17 Monaten nichts veröffentlicht. Doch dann fotografiert er durch Zufall am See vor seiner Haustür ein seltsames Wesen – und teilt den Schnappschuss im sozialen Netzwerk «Twister». Danach geht er duschen, kommt zurück, kann es nicht fassen: «150.237 Personen haben auf ihren Post reagiert; 348.069 mal geteilt». Sofort bereut er seinen Post. Er ahnt, was nun geschehen wird, er hat Büchse die Pandora geöffnet … Ein herrlicher Comic, Graphic Novel, fast ein Cartoon, nimmt mit schwarzem Humor Social Media und Aktivist:innen diverser Gruppen auf die Schippe. Weiter zur Rezension:    #Erstkontakt von Bruno Duhamel

Rezension - Italien: Food. People. Stories von Haya Molcho & Söhne

  Haya Molcho begibt sich mit ihren Söhnen auf eine italienische Reise von Triest bis nach Sizilien, wobei sie lokale Produzent:innen und Köch:innen besuchen, die über die unterschiedlichsten Facetten der italienischen Kochkunst erzählen und uns ihre liebsten Rezepte verraten. Im zweiten Teil der kulinarischen Reise gibt es italenische Rezepte der Familie, typisch Neni. Levantinische Küche trifft auf italienische Originalrezepte; dabei auch traditionelle italienische Gerichte im Original. Reiseliteratur, Kulinarisches mit vielen Rezepten, Italienische Küche, Levante-Küche – Empfehlung. Weiter zur Rezension:   Italien: Food. People. Stories von Haya Molcho & Söhne

Rezension - Mäc Mief und die stinkbesonderen Unterhosen von Carola Becker, Ina Krabbe

  Wer hat die Superschaf-Unterhose geklaut? Finn ist sauer! Jemand hat seine stinkbesonderen Unterhosen von der Leine gestohlen. Sein Freund Mäc Mief muss den Dieb aufspüren, denkt sich Finn. Das schottische Schaf Mäc Mief liebt nichts mehr, als auf seiner Weide zu stehen und in Ruhe saftiges Gras zu fressen. Aber für seinen Lieblingsmenschen Finn geht die Spürnase auf die Suche. Gemeinsam mit seiner Freundin, Hütehund Bonnie, versuchen sie a la Sherlock Holms und Watson der Unterhosenbande auf die Spur zu kommen.  Weiter zur Rezension:    Mäc Mief und die stinkbesonderen Unterhosen von Carola Becker, Ina Krabbe

Rezension - Unser Deutschlandmärchen von Dincer Gücyeter

  Eine türkische Familiengeschichte, die mit der Urgroßmutter und der Großmutter einleitend beginnt. Die nächste Generation wandert nach Deutschland aus – das gelobte Land, wo Milch und Honig fließt. Der Traum, den viele «Gastarbeiter» träumten: Arbeiten, viel Geld verdienen, nach Hause zurückkehren und ein Haus bauen. Und dann wurden aus den Gästen Einwohner. In Deutschland die Türken – in der Türkei die Deutschen – entwurzelt, nirgendwo wirklich zu Hause. Eine Familie, die sich bemüht hat, sich zu integrieren. Ein Zwiegespräch zwischen Sohn und Mutter – zwei völlig verschiedene Generationen, aber auch eine Abrechnung mit der deutschen Gesellschaft und eine mit dem Heimatland und dem Machismo, mit der Erniedrigung der Frauen. Ein hervorragender Gesellschaftsroman, ein Bildungsroman über Migration, Rassismus und Misogynie – meine Empfehlung! Weiter zur Rezension:     Unser Deutschlandmärchen von Dincer Gücyeter

Rezension - Demon Copperhead von Barbara Kingsolver

  Gesprochen von Fabian Busch Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 20 Std. und 39 Min. Ein Trailer in den Wäldern Virginias. Das Land der Tabakfarmer und Schwarzbrenner, der «Hillbilly-Cadillac»-Stoßstangenaufkleber an rostigen Pickups, aufgegeben von sämtlichen Superhelden und dem Rest der Nation. Hier kommt Demon Copperhead zur Welt. Seine Teenie-Mutter ist frisch auf Entzug, der Vater tot. Ein starker Charakter mit großer Klappe und einem zähen Überlebenswillen schlägt sich durch: Er lebt in Armut mit einer Junkie-Mutter, ein gewalttätiger Stiefvater kommt dazu, es folgen Pflegefamilien mit Gewalt, Missbrauch, Kinderarbeit. Aufwärts geht es mit Comiczeichnen, Football; weiter geht es mit Drogensucht durch Oxi und Meth, erste Liebe und unermesslicher Verlust. Ein Bildungsroman, der berührt, kraftvoll erzählt. Empfehlung. Weiter zur Rezension:  Demon Copperhead von Barbara Kingsolver