Direkt zum Hauptbereich

Wie isst man ein Mammut von Uta Seeburg - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Wie isst man ein Mammut 


von Uta Seeburg

In 50 Gerichten durch die Geschichte der Menschheit


Zwei Dinge braucht es für eine Küche: eine Hitzequelle und Geräte, mit denen man zerkleinern und zubereiten kann.


Uta Seeburg erzählt chronologisch ab 11.000 vor CHR anhand von fünfzig exemplarischen Gerichten Überraschendes, Kurioses und Wissenswertes aus der Kulinarik. Vom gegrillten Mammut bis zur Ikone der Molekularküche berichtet sie aus den Küchen der Menschheit. Die Ägypter mumifizierten Rinderrippchen fürs Jenseits; die Römer ließen lebendige Vögel aus gebratenen Wildschweinen flattern; die Christen mussten im Mittelalter circa ein Drittel des Jahres fasten; die italienischen Futuristen wollten die Pasta abschaffen; der Proviant des Kosmonauten Gagarin bestand 1961 aus Schokoladensauce und püriertem Fleisch in Tuben. Geistreich, kenntnisreich und humorvoll, allerdings nicht immer sachkundig, zeigt sie, was die Menschen in unterschiedlichen Zeiten bewegte – und wie sich dies in ihren Speisen widerspiegelte.


Einmal querbeet


Da die mansaf ein Gericht ist, dessen Rezeptur hauptsächlich mündlich tradiert und in späteren Zeiten verändert und angepasst wird (heute kocht man das Lamm in einem fermentierten Ziegenjoghurt und verteilt es auf einem Bett aus Reis; in dieser Variante haben die Jordanier es zu ihrem Nationalgericht erklärt), ist manches aus ihrer frühen Zeit vergessen.


Das erste niedergeschriebene Rezept stammt aus Babylon. Bereits 850 vor CHR wurde die mansaf im syrischen Gebiet zubereitet. Früher wurde das in Wasser und Kamelbutter gekochte Ziegenfleisch auf Fladen serviert, heute auf Reis. Eine Tradition ist aber bis heute tief verankert in der arabischen Küche: die Gastfreundschaft und das Teilen. Man gruppiert sich um das Essen, das auf einem Tablett in der Mitte steht, isst mit der rechten Hand; und erst, wenn der Gast den Nachschlag erhalten hat, kommt der Gastgeber an den Tisch. Manche Erfindung erwies sich als historischer Schlüsselmoment. «1651 erscheint ein epochales Kochbuch: Le Cuisinier  françois. Geschrieben hat es François Pierre dit La Varenne.» Die Buttersoße setzt sich durch. Friedrich II. erklärt die Kartoffel als Wunder der Volksernährung, doch seine Untertanen verschmähen zunächst die Frucht «… und da wir vernommen, dass der Eigensinn des Gesindes, welche die Tartoffeln zu essen sich weigern, aus dem Grunde, weil ihre Vorfahren nicht gegessen, den Anbau derselben sehr zurücke setzet.» Doch sie werden sich gewöhnen. 1892 entstand der «Verein für naturgemäße Lebensweise» in Großbritannien und leitete das vegetarische Essen ein. Um 1950 endet die koloniale Zeit in Vietnam, doch die Franzosen haben ihre Spuren in der Küche hinterlassen. Das Bán mi, ein bagutteähnliches Fastfoodteil aus Reismehl ist erfunden. Und Uta Seeburg erklärt, warum Toast Hawaii symptomatisch für die Küche der Nachkriegszeit in Deutschland war. Um 1995 wird die Molekularküche in Spanien erfunden.


Leider immer wieder Fakenews!


Diese Menschen entwickeln sich zu extrem erfolgreichen Jägern, deren unbekümmerte carnophile Einstellung vermutlich dafür sorgte, dass die Spezies der Mammuts, Hirschelche und Riesenfaultiere aussterben.


Stimmt die Behauptung? Ich hatte mehrfach anderes gelesen und googelte nach. Eine These, die vermutlich unrealistisch ist, wenn man dem Mammutmuseum eher glauben mag, das meint: «Das scheint mit den damals vorhandenen einfachen Waffen unwahrscheinlich, da allein schon die dicke Haut und Fettschicht für Holzspeere und Steinklingen nur schwer zu durchdringen waren.» – Man vermutet: «Ein rascher Temperaturanstieg und vermehrte Niederschläge setzten die an das kalte Klima angepassten Eiszeitriesen unter Anpassungsstress und brachten deren Nahrungsgrundlage, die weiten Grassteppen, zum Verschwinden.»


Auch der Lektor hat hier geschlafen! 

Vorlieben und Essgewohnheiten der Menschen im Wandel der Zeit. Not oder Entbehrung macht erfinderisch und manches Dekadente bringt eine wohlhabende Zeit mit sich, zumindest für die Finanzkräftigen. Sitten und Gebräuche, neue Entdeckungen, Vermischung von Kulturen, die Speisekarten der Welt werden hier amüsant dargeboten in 50 kleinen Geschichten. Aber Achtung! Mit der Stimmigkeit der Storys wäre ich vorsichtig. Denn was mich anfänglich zu Kopfschütteln bringt, ist nicht die einzige Fakenews im Buch. Das sollte man wissen, wenn man gern kocht: Knochenmark enthält viel Fett, aber wenig Protein (deshalb sind Markklößchen so lecker, bzw. man kocht Markknochen für gute Brühen aus). Hier wird gesagt, die Steinzeitmenschen wären scharf auf das Knochenmark gewesen – das mag sein. Weiter wird behauptet, es sei «außergewöhnlich proteinhaltig» und ließe deshalb das Gehirn der Menschen wachsen. Da schlägt man sich zweimal vor den Kopf für solchen Blödsinn. Auch der Lektor hat hier geschlafen! Im Buddhismus ein absolutes Fleischverbot? Keinesfalls! Das Schächten dient dem Tierwohl, abmurksen auf sanfte Art? – Weil die anderen Religionen die Tiere mit Steinen usw. erschlugen oder ertränkten. Jöhh, woher bezieht Uta Seeburg diese Kuriosität? Das stimmt auf keinen Fall. Die Metzgerausbildung war ein ausgeklügeltes Gewerbe. Und ich bezweifle, dass ein Teig für Backfisch aus Milch und Eiern um 1860 in Großbritannien ein Armenessen war. Fish and Chips wird heute aus einem Bierteig gemacht, oder mit Wasser, dem lediglich Mehl und eine Prise Salz zugefügt wird. Früher mit Milch und Eiern? Das halte ich für unwahrscheinlich. Es gäbe so einiges in diesem Buch nachzurecherchieren, dass mir als Laie reichlich merkwürdig vorkommt. Es gäbe so einiges in diesem Buch nachzurecherchieren, dass mir als Laie reichlich merkwürdig vorkommt – wenn mir als normaler Leser so viel Ungereimtes auffällt, was mag dann noch alles falsch sein? Das nenne ich für ein Sachbuch recht unsachlich und für eine Journalistin unseriös, die sich Märchenstunden eigentlich nicht leisten darf. Immerhin das Buch ist unterhaltsam; für mich eher mehr in Richtung Brüder Grimm. Für ein Sachbuch nur 1* und für die Unterhaltung 4*. Amüsant ja, aber leider mit einigen Fakenews unterfüttert – was auch nicht unbedingt für das Lektorat eines Sachbuchverlags spricht.


Uta Seeburg arbeitete jahrelang als Redakteurin für die Zeitschrift ARCHITECTURAL DIGEST. Dort berichtete sie über Design und Reisen, verfasste zudem zahlreiche kulinarische Essays. Heute widmet sich die promovierte Literaturwissenschaftlerin und Autorin historischer Kriminalromane ganz dem Schreiben von Büchern. Auf ihrer interaktiven Webseite www.utaseeburg.de gibt sie Einblick in ihr Werk



Uta Seeburg
Wie isst man ein Mammut
In 50 Gerichten durch die Geschichte der Menschheit
Sachbuch, Kulinarisch, Historisches Sachbuch
Hardcover, mit Relieflack, farbigem Vorsatzpapier, Lesebändchen, 256 Seiten, 116 mm x 185 mm 
Dumont Verlag, 2023



Sachbücher

Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.
Sachbücher


Kulinarische Bücher 

Kochbücher, Backbücher und alles rund um Lebensmittel findet sich kompakt auf dieser Seite. Auch Genussromane, soweit ich welche lese. Schleckermäulchen also hierher klicken:

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Nur noch kurz ein kleiner Furz! von Jonny Leighton und Mike Byrne

Kinder lieben Pupsbücher! Wie ist das eigentlich mit den Tieren? Wie pupsen die? Auf einer urkomischen Reise durch das Reich der Flatulenz beobachten Elefant und Maus die unterschiedlichsten Fürze. Und so lernt die Maus, dass Pupsen die normalste Sache der Welt ist! Witzig gestaltet, den Text in Reimform gebracht, macht dieses Bilderbuch Spaß! Lustiges Bilderbuch ab 3 Jahren, Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Nur noch kurz ein kleiner Furz! von Jonny Leighton und Mike Byrne

Rezension - Chronisch gesund statt chronisch krank von Dr. med. Bernhard Dickreiter

Von der Schulmedizin bis heute ignoriert: Die wahren Ursachen der chronischen Zivilisationskrankheiten – und was man dagegen tun kann Noch nie hat es so viele chronisch Kranke gegeben wie heute: Arthrose, Diabetes, Alzheimer, Rückenleiden, Krebs, Burnout usw. Der Internist, Reha-Experte und Ganzheitsmediziner Dr. med. Bernhard Dickreiter ist überzeugt, dass diese Patienten selbst aktiv etwas dagegen unternehmen können. Sein Standpunkt: Wir müssen alles dafür tun, damit es den Zellen in unserem Organismus gut geht. Jede Zelle ist von einer organtypischen Umgebung eingeschlossen, in die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM). Dort zieht die Zelle ihre Nährstoffe, den Sauerstoff, und hier entsorgt sie ihre Abfallstoffe. Ist die Zellumgebung nicht gesund, werden wir krank. Die Schulmedizin bekämpft meist nur Symptome: Schmerzen – Schmerztablette. Die Ursachen werden oft nicht hinterfragt, bzw. operabel versucht zu beheben: neues Knie, neue Hüfte usw. Dickreiter geht ganzheitlich vor. ...

Abbruch - Alles Gute von Eva Rossmann

  Alles Gute von Eva Rossmann Abbruch! Wir beide kamen nicht zusammen. Der Anfang konnte mich nicht begeistern, ich fühlte mich eher wie in einem Kochbuch, nicht wie in einem Krimi. Peter Gruber hat Eine App gegen die Spaltung der Gesellschaft geschrieben, «LISA wünscht ALLES GUTE», die Millionen User hat und damit ist er reich geworden, aber er hat den größten Teil in eine Stiftung gesteckt und etwas für seine Nichte bereitgelegt. Weil er sich bedroht fühlt, verabredet er sich mit der Journalistin Mira Valensky. Gruber erscheint nicht, ist plötzlich spurlos verschwunden. Freiwillig untergetaucht – wenn ja warum? Oder was immer auch passiert ist … Ich habe versucht, zu verstehen, was das für eine App ist. Man kann damit Menschen per Strichmännchen «Alles Gute» wünschen? Und damit soll Gruber Millionen verdienen, weil die User dafür bezahlen? Peter Gruber, ein ehemaliger Lehrer, der vor heutigen politischen Tendenzen warnt, die an die 1930er Jahre erinnern, plädiert für mehr Freundl...

Rezension - #Erstkontakt von Bruno Duhamel

  Doug, ein ehemaliger Fotograf lebt von der Öffentlichkeit zurückgezogen in den schottischen Highlands. Niemand liked seine Fotos, er ist frustriert, darum hat er seit 17 Monaten nichts veröffentlicht. Doch dann fotografiert er durch Zufall am See vor seiner Haustür ein seltsames Wesen – und teilt den Schnappschuss im sozialen Netzwerk «Twister». Danach geht er duschen, kommt zurück, kann es nicht fassen: «150.237 Personen haben auf ihren Post reagiert; 348.069 mal geteilt». Sofort bereut er seinen Post. Er ahnt, was nun geschehen wird, er hat Büchse die Pandora geöffnet … Ein herrlicher Comic, Graphic Novel, fast ein Cartoon, nimmt mit schwarzem Humor Social Media und Aktivist:innen diverser Gruppen auf die Schippe. Weiter zur Rezension:    #Erstkontakt von Bruno Duhamel

Rezension - Entführung im Drachenwald von Barbara van den Speulhof und Kurzi Shortriver

Theos bester Freund ist der Drache Kokolo, aber das darf keiner wissen. Denn Drachen gibt es ja gar nicht. Mitten in der Nacht klopft Kokolo an Theos Fensterscheibe: Sie müssen schnell etwas unternehmen denn der fiese Adler Malo hat eins der Babys von Tante Xenna Drachen entführt!  Werden sie noch rechtzeitig kommen? Lesenlernen mit einem Comic, kurze Texte, für Leseanfänger konzipiert. Eine spannende Graphic Novel ab 6 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Entführung im Drachenwald von Barbara van den Speulhof und Kurzi Shortriver

Rezension - Italien: Food. People. Stories von Haya Molcho & Söhne

  Haya Molcho begibt sich mit ihren Söhnen auf eine italienische Reise von Triest bis nach Sizilien, wobei sie lokale Produzent:innen und Köch:innen besuchen, die über die unterschiedlichsten Facetten der italienischen Kochkunst erzählen und uns ihre liebsten Rezepte verraten. Im zweiten Teil der kulinarischen Reise gibt es italenische Rezepte der Familie, typisch Neni. Levantinische Küche trifft auf italienische Originalrezepte; dabei auch traditionelle italienische Gerichte im Original. Reiseliteratur, Kulinarisches mit vielen Rezepten, Italienische Küche, Levante-Küche – Empfehlung. Weiter zur Rezension:   Italien: Food. People. Stories von Haya Molcho & Söhne

Rezension - Mäc Mief und die stinkbesonderen Unterhosen von Carola Becker, Ina Krabbe

  Wer hat die Superschaf-Unterhose geklaut? Finn ist sauer! Jemand hat seine stinkbesonderen Unterhosen von der Leine gestohlen. Sein Freund Mäc Mief muss den Dieb aufspüren, denkt sich Finn. Das schottische Schaf Mäc Mief liebt nichts mehr, als auf seiner Weide zu stehen und in Ruhe saftiges Gras zu fressen. Aber für seinen Lieblingsmenschen Finn geht die Spürnase auf die Suche. Gemeinsam mit seiner Freundin, Hütehund Bonnie, versuchen sie a la Sherlock Holms und Watson der Unterhosenbande auf die Spur zu kommen.  Weiter zur Rezension:    Mäc Mief und die stinkbesonderen Unterhosen von Carola Becker, Ina Krabbe

Rezension - Demon Copperhead von Barbara Kingsolver

  Gesprochen von Fabian Busch Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 20 Std. und 39 Min. Ein Trailer in den Wäldern Virginias. Das Land der Tabakfarmer und Schwarzbrenner, der «Hillbilly-Cadillac»-Stoßstangenaufkleber an rostigen Pickups, aufgegeben von sämtlichen Superhelden und dem Rest der Nation. Hier kommt Demon Copperhead zur Welt. Seine Teenie-Mutter ist frisch auf Entzug, der Vater tot. Ein starker Charakter mit großer Klappe und einem zähen Überlebenswillen schlägt sich durch: Er lebt in Armut mit einer Junkie-Mutter, ein gewalttätiger Stiefvater kommt dazu, es folgen Pflegefamilien mit Gewalt, Missbrauch, Kinderarbeit. Aufwärts geht es mit Comiczeichnen, Football; weiter geht es mit Drogensucht durch Oxi und Meth, erste Liebe und unermesslicher Verlust. Ein Bildungsroman, der berührt, kraftvoll erzählt. Empfehlung. Weiter zur Rezension:  Demon Copperhead von Barbara Kingsolver 

Rezension - Romina Casagrande Feuer auf den Bergen

  Mächtig sind die Berge, hart ist das Leben der Landwirte an der Grenze zwischen Italien und Österreich. Luce lebt in den späten Siebzigern mit ihrem Vater und Bruder versteckt im Wald. Nachts riskieren die Männer auf alten Schmugglerpfaden ihr Leben, doch die Welt verändert sich schnell. – Der Junge mit dem Wolfshund, der sich Hase nennt, der mit dem Auto verunfallte, will nicht zurück nach Hause. Er glaubt, er kann im Wald überleben; bloß nicht in ein Heim gesteckt werden. Zunächst klappt das Überleben in einer Höhle, doch im Winter wird es schwierig; er bricht in eine alte Hütte ein. Luces Familie gehört dieses Haus. Sie greifen greift ihn auf – und er darf bei ihnen bleiben. Guter Heimatroman zum Thema Freiheitskampf für Tirol. Weiter zur Rezension:    Feuer auf den Bergen von Romina Casagrande