Direkt zum Hauptbereich

Trio von Dacia Maraini - Rezension

Rezension 

von Sabine Ibing



Trio 


von Dacia Maraini


Ein in jüngster Zeit vertraut klingender Begriff, der vom italienischen quaranta, vierzig, stammt. Schiffe und ihre Besatzung werden vierzig Tage isoliert, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern.


Sizilien, 1743: Die Pest wütet auf Sizilien. Bereits damals war bekannt, dass man einer Seuche durch Quarantäne entgehen kann. Sich zu Hause einschließen und warten, bis es vorbei ist. Und wer es sich leisten konnte, floh in die Abgeschiedenheit aufs Land. Im Vorwort erzählt die Autorin, wie die Pest durch ein Schiff nach Sizilien kam und sich im höllischen Tempo über die gesamte Insel verbreitete. Ansammlungen von Menschen wurden verboten, man sollte sich in Quarantäne begeben. 


Ein dünner Briefroman

Erzähl mir mehr von Girolamo. Ich weiß, dass er mit dir glücklich ist, und ich sage mir, dass ich das möchte. Und doch schmerzt es mich und schnürt mir das Herz ab. Nicht aus Eifersucht, glaube mir. Wie könnte ich auf meine Herzensschwester eifersüchtig sein? Es ist das Gefühl des Verlusts und des Verlassenwerdens. Der Gedanke, dass ich nicht fähig war, dauerhafte und tiefe Liebe in seinem aufgewühlten Herzen zu wecken.


Es ist ein schmales, Buch von 105 Seiten, die in ziemlich großen Buchstaben gesetzt wurden – in einer Stunde ist man durch. Vielleicht habe ich etwas anderes erwartet, einen historischen Roman. Ich sage es ungern, aber das Vorwort, war für mich am spannendsten. Es ist ein Briefroman, bei dem zwei Frauen, die seit der Kindheit beste Freundinnen sind, miteinander korrespondieren: Agata aus Palermo und Anuzza aus Messina. Agata flieht mit der Familie nach Castagna in die Berge, nur die Schwiegermutter bleibt zurück, die die Geschäfte führt. Anuzza sperrt sich in Casteldaccia ein. Sie schreiben über ihre kargen Unterkünfte und das reduzierte Essen, über das Wenige, was sie von draußen hören über Langeweile und Trostlosigkeit. Und sie schreiben über einen Mann, über den großartigen, hübschen Girolamo, den alle Frauen lieben, der zwischen den beiden Frauen hin und her reist. Agata ist mit ihm verheiratet – eine Liebesheirat. Anuzza ist seine Geliebte. Die beiden wissen natürlich, wann diese Dreiecksbeziehung begann, aber der Leser erfährt darüber nichts, natürlich auch nichts über die jeweilige Zweierbeziehung – darüber schweigen sich die Frauen aus. Der Leser wird in die Beziehung hineinkatapultiert und fliegt am Ende heraus.


Ohne Tiefe der Geschichte, ohne Tiefe der Charaktere

Dacia Maraini ist eine großartige Schriftstellerin. Aber dieses Buch hat mir nicht gefallen, auch wenn sie gut u schreiben weiß. Ein paar Seiten dahingeschrieben, ohne Tiefe der Geschichte, ohne Tiefe der Charaktere. Der versprochene historische Hintergrund fehlt. Die Erzählung hätte auf jedem Flecken der Welt zu anderen Zeiten handeln können. Agata, die ihren Mann liebt, zeigt keine Eifersucht. Es ist wie es ist. Das hätte ich verstanden, wenn dies eine Heirat zum Zweck gewesen wäre, wie früher meist geschlossen. Sie ist großmütig, gönnt dem Mann die Geliebte – eine gute Wahl, die beste Freundin. So ist der Mann zufrieden, wenn er zu ihr zurückkehrt; besser als einen unzufriedenen Mann im Haus zu haben. Und diese Lappalie darf die Freundschaft der Frauen nicht zerstören. Und die Frauen stellen fest, zu solchem Großmut sind nur Frauen fähig, die Quintessenz der Story. Zwei schreibende Frauen, zwei gleiche Stile, ein langweiliges Geplauder in Briefform ohne Tiefe, eine oberflächliche Geschichte. Gern hätte man mehr über die Frauen, ihr Leben, ihre Intension erfahren. Für mich ist dies ein überflüssiges Buch, das im Mäntelchen von Pandemie und historischem Gewand mal schnell auf dem Markt geworfen wurde. Der Name Dacia Maraini zieht. Aber ob sie sich mit diesem dünnen, in großen Buchstaben gesetzten Briefroman (der sonst wohl nur 50 Seiten gehabt hätte) einen Gefallen getan hat, das bezweifele ich. Nächstes Mal wird man genauer hinsehen, bevor man liest.


Dacia Maraini Geboren 1936 in Fiesole. Aufgewachsen in Japan und Sizilien. Grande Dame der italienischen Literatur; enge Freundschaft mit Alberto Moravia und Pier Paolo Pasolini. Ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen, u. a. dem Premio Strega und dem Premio Campiello. Ihre Bücher sind in 25 Sprachen übersetzt.


Dacia Maraini
Trio
Originaltitel: Trio 
Aus dem Italienischen übersetzt von Ingrid Ickler
Roman, Briefroman, historischer Roman, italienische Literatur
Hardcover mit Schutzumschlag, 112 Seiten
Folio Verlag, 2021



Historische Romane und Sachbücher

Im Prinzip bin ich an aller historischer Literatur interessiert. Manche Leute behaupten ja, historisch seien Bücher erst ab Mittelalter.  Historisch - das Wort besagt es ja: alles ab gestern - aber nur was von historischem Wert ist. Was findet ihr bei mir nicht? Schmonzetten in mittelalterlichen Gewändern. Das mag ganz nett sein, hat für mich jedoch keine historische Relevanz.  Hier gibt es Romane und Sachbücher mit echtem historischen Hintergrund.
Historische Romane

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Drainting: Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger

  Als Drainting bezeichnet Felix Scheinberger die intuitive Kombination von Malen und Zeichnen. Damit hebt er die jahrhundertealte heute vollkommen unnötige Trennung zwischen Flächen malen und Linien zeichnen auf und verbindet das Beste aus beiden Welten. Früher machten wir einen Unterschied zwischen Zeichnen und Malen und damit fingen die Schwierigkeiten an. Wo es nämlich gar keine Umrisslinien gibt, gilt es, diese abstrakt zu (er)finden. Die intuitive Kombination aus Zeichnen (Drawing) und Malen (Painting) garantiert gute Ergebnisse und unendlichen Spaß! Eine gute Einführung erklärt das Knowhow und Grundsätzliches zum Malen und Zeichnen – gute Ideen, die man selbst umsetzen kann. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

  Gesprochen von Hans Jürgen Stockerl Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 7 Min. Wir schreiben das Jahr 1683. Der junge Engländer Obediah Chalon, Spekulant, Händler und Filou, hat sich in London gerade mit der Investition von Nelken verspekuliert und eine Menge Leute um ihr Geld gebracht, das mit gefälschten Wechseln. Conrad de Grebber, Direktoriumsmitglied der Vereinigten Ostindischen Compagnie bietet Obediah  die Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen: Er wird auf eine geheime Reise geschickt, um etwas zu stehlen: Kaffeepflanzen. Spannender Abenteuerroman rund um den Kaffee. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore

Rezension - Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis

  (Detektivbüro LasseMaja, Bd. 37)  Es gibt hochfliegende Pläne im Ort Valleby: Ein Astronaut macht mit seiner Raumkapsel in der Kleinstadt Station und will als Nächstes den Planeten Neptun ansteuern. Und laut tönt er, er suche Astronaut:innen, die ihn begleiten. Bewerber will er einem Astronauten-Test unterziehen, danach bestimmt er, wer mitfliegen darf! Natürlich benötigt er auch Spenden für sein Projekt. Die Detektiv:innen Lasse und Maja hören genau zu. Und bei dem, was der Mann so erzählt, kommt schnell der Verdacht, dass an der Geschichte etwas faul ist und der Typ ein Betrüger ist. Das teilen sie dem Dorfpolizisten mit – doch der hat gerade keine Zeit für sie. Ein Dieb geht um … Spannender, witziger Kinderkrimi ab 8 Jahren, Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis 

Rezension - Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt

Bendix, der Häuptling des Keltendorfs Taigh, ist außer sich: Jemand hat seinen Honigtopf gestohlen! Lindis, der Ziehsohn der Dorfdruidin Kundra und dessen Freunde Finn und Veda wollen der Sache auf den Grund gehen. War der Dieb hinter der wertvollen Amphore her oder hinter deren speziellem Inhalt? War es einer der fahrenden Händler? Und dann ist auch noch die kleine Tochter der Sklavin verschwunden! Unter dem Vorwand, fischen gehen zu wollen, machen sich die drei Jugendlichen heimlich auf die Suche nach den Händlern und kommen dabei einem Geheimnis auf die Spur … Weiter zur Rezension:    Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt 

Rezension - Osso – Geschichte einer Freundschaft von Michele Serra und Alessandro Sanna

  Ein alter Mann lebt in einem Haus am Waldrand, mit Blick auf die Stadt. Eines Tages kommt ein hungriger Hund zum Haus, der sich nicht herantraut. Der Mann stellt Futter hin und geht zurück ins Haus. Jeden Tag kommt der Hund am Morgen und am Abend, und weil er so knochendürr ist, nennt der Mann ihn Osso, schließt den Streuner ins Herz. Eine wunderschön erzählt und illustrierte Geschichte über die Beziehung Mensch und Hund. Allage, ab 10 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Osso – Geschichte einer Freundschaft von Michele Serra und Alessandro Sanna