Direkt zum Hauptbereich

Totenweg von Romy Fölck - Rezension

Rezension 


von Sabine Ibing






Totenweg
von Romy Fölck


Der Anfang: Er blickte auf das Nokia, das in seiner Hand vibrierte, steckte es ein, zog es wieder heraus und nahm den Anruf an. Nickte, während die Krankenschwestern mit hektischen Schritten einen Bogen um ihn schlagen mussten, weil er ihnen im Weg stand.

Frida, seit ein paar Jahren Polizistin, derzeit auf der Polizeischule, in der Ausbildung zur Kommissarin, kehrt zurück in die Elbmarsch. Ihr Vater liegt im Koma, er wurde spät abends hinterrücks auf den Kopf gehauen. Sie kehrt nach 18 Jahren in die Heimat zurück. Damals wurde ihre beste Freundin ermordet, der Täter wurde nie gefasst. Ihre Eltern hatten Frieda aufs Internat nach Bayern geschickt, sie war nie wieder zurückgekehrt. Der damals ermittelnde Kommissar kommt auf den Hof, stellt Fragen zu dem versuchten Mord am Vater, und er will von Frida wissen, was sie ihm damals verheimlicht hat. Er ist sicher, sie hat damals nicht alles erzählt. Die Apfelernte ist im vollen Gang, Frida muss der Mutter helfen, die Ernte zu organisieren. Wo ist der Vorarbeiter, fragt sich Frieda? Er wohnte mit seinem Sohn seit ewigen Zeiten auf dem Hof. Mit dem Vater zerstritten, rausgeschmissen, mehr weiß die Mutter auch nicht. Die polnischen Erntehelfer weigern sich zu arbeiten, weil noch Lohn offensteht. Frida nimmt sich Urlaub. Der Hof ist überschuldet, das Haus ist runtergekommen, die Maschinen sind veraltet. Wie soll sie nur den Hof retten?

Nun würde es sich zeigen, ob sie ihre tägliche Dosis einnahm. Wenn sie die Tabletten nicht schluckte, sondern heimlich entsorgte, würde er es auch nicht bemerken.

Frida hetzt durch die Geschichte

Die Kriminalgeschichte, der versuchte Mord am Vater, ist hier Nebensache. Dafür ist der Kommissar zuständig und sehr emsig ist er in diesem Fall nicht. Es will immer noch den Täter von damals schnappen, recherchiert lieber in diese Richtung. Auf dem Hof passiert nun sehr viel. Es gibt einige Tote, nicht nur die, die während des Geschehens ums Leben kommen, es werden Vermisstenfälle geklärt, Unfälle. Frida hetzt durch die Geschichte, hat kaum Zeit zu schlafen, fast minütlich ergeben sich neue Problem, unglaubliche Dinge passieren und das eine hat nicht unbedingt etwas mit dem anderen zu tun. Auch der Leser bekommt kaum Luft, denn irgendwann reicht es mit noch mehr Klamauk und Zufällen. Als Leser verliert man die Lust bei so vielen Handlungssträngen und Nebenbaustellen. Ein Kriminalroman ist das nur im weitesten Sinn, Spannungsliteratur auf jeden Fall. Frida ermittelt nicht, sie wird getrieben von Ereignissen, ist mit dem Hof beschäftigt. Kommissar Haverkorn bekommt kaum Raum in diesem Buch, entwickelt sich zur Nebenfigur, bzw. die ganzen Ereignisse wären auch zu viel für einen einzigen Ermittler. Haverkorns Frau ist depressiv. Er merkt an ihrem Verhalten, dass sie ihre Tabletten nicht nimmt, bringt sie zum Arzt. Und dann sagt er, er würde es sowieso nicht bemerken, ob sie die Tabletten nun nimmt oder nicht … Alles etwas wirr. Auf dem Hof von Friedas Eltern, in diesem Dorf, gibt es verdammt viel kriminelle Energie. Und irgendwie ist das am Ende alles so in Ordnung, man kann das alles verstehen, menschlich gesehen. Irgendwann hört für mich allerdings das Verständnis als Leser auf! Ich will nicht in Einzelheiten gehen, herumspoilern.

Nur einem Menschen habe ich davon erzählt. Dem Pfarrer bei der Beichte … hat ihn abgehört. Er hat mir das kleine Tonband vorgespielt.

Zuviel Tamtam, psychologisch nicht stimmig 

Mit fehlte der rote Faden. Die ganze Zeit fragte ich mich, welches Ziel hat dieses Buch, welche Message? Leider bin ich bis zum Ende nicht fündig geworden. Was ist das Ziel? Viele Tote zu fabrizieren, viele Straftaten, mit viel, viel Action? Am Ende versucht die Autorin die Fäden zusammenzuknoten, ein paar sind unterwegs verlorengegangen, und alles klingt so verdammt unglaubwürdig und konstruiert, dass man das Buch in die Ecke knallt. Die Unglaubwürdigkeiten ziehen von Anfang an durch das Buch. Frida kommt nach 18 Jahren auf den Hof zurück. Der Hofhund erkennt sie. Vielleicht experimentierten die Eltern mit Anti-Aging-Pillen? Fridas Pferd erkennt sie auch, kann man gerade so durchgehen lassen. Eine Freundin aus dem Internat schenkt Frida 15.000 €, weil sie ihr einen Gefallen schuldig ist. Einfach so. Und ein Bauer schenkt ihr 50.000 €, weil er sich dem Vater gegenüber schlecht benommen hat, und weil er wegen einer ganz anderen Sache ein schlechtes Gewissen hat. Der pensionierte Lehrer scheint noch sämtliche Notizbücher von allen Klassen zu besitzen, die er jemals unterrichtet hat, alle Schulhefte der Kinder. Alle Menschen helfen Frida, mit Personal und Maschinen, mit Geld. Ach, ist die Welt in der Elbmasch in Ordnung … wenn da nicht die anderen Sachen wären. Da ist man nicht so zimperlich. Straftaten, Morde, Vertuschungen, Offenbarungen, alles Schlag auf Schlag, und noch einen drauf. Sämtliche Figuren sind hier klischeehaft und überzogen und in ihrer Psychologie so gar nicht schlüssig. Holsteiner Urgestein, ehrenhafte Bauern, die für Recht und Ordnung stehen, die machen … Glaube ich nicht. Der Fiesling ist klar: Ein Fremder, zugezogen, der Höfe aufkauft und mit modernen Maschinen arbeitet, der das Dorf leerkaufen will. Und der hängt im Beichtstuhl ein Abhörgerät auf, um Bauern mit seinem Wissen zu erpressen. Mich verwundert, dass er Erfolg hat, denn Schleswig Holstein hat nur rund 5 % Katholiken. Nebenbei, das ist einer der Fäden, die im Sand verlaufen. Die Polizisten nehmen es zur Kenntnis. Ende. Ich will nicht weiter spoilern, aber ich könnte jede einzelne Figur zerpflücken, weil sie psychologisch nicht stimmig ist. Am Ende hält man das Buch in der Hand und fragt sich, was hier eigentlich los war, und welchen Sinn es ergeben soll. Mit der Hälfte der Ereignisse wären der Plot glaubwürdiger gewesen, Figurentiefe und ruhiges Fahrwasser hätten dem Roman gutgetan, ein roter Faden und Bilder, die den Leser in die Szenen führen.

Sprachlich hat mich der Krimi am Anfang etwas genervt. Es wimmelt von Ausdrucksfehlern, schlechte Stilistik machte es mir nicht leicht. Dazu die unlogischen Begebenheiten. Die Sprache wird im weiteren Verlauf besser. Allerdings gibt es in dieser Geschichte keine Ruhepause für den Leser, nicht nur sprachlich gesehen. Es entstehen keine Bilder, so bleibt alles farblos. Da holpert so einiges im Affentempo über das Kopfsteinpflaster. An dieser Stelle frage ich mich, warum das Lektorat so unaufmerksam gearbeitet hat? Ich will die Autorin nicht in Schutz nehmen, es waren mir aber schlicht zu viele Mängel. Aber wer macht ein solches Lektorat? Ich bin raus aus der Serie, Band 1 hat genügt.





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz Karnauchow und Petra Thees

  Alter könnte so schön sein. Doch ältere Menschen werden in unserer Gesellschaft diskriminiert. Schlimmer noch, sie denken sich alt und grenzen sich selbst aus, sagen die Autor:innen. Das hat Folgen: Krankheit und Gebrechlichkeit im Alter gelten als normal. Altenpflege folgt daher dem Prinzip «satt, sauber, trocken». Und genau dieses Prinzip kritisieren Dr. Petra Thees und Lutz Karnauchow und gehen mit ihrem Ansatz neue Wege. Dieses Buch stellt einen neuen Blick auf das Alter vor - und ein radikal anderes Instrument in der Altenpflege. «Coaching statt Pflege» lautet die Formel für mehr Lebensglück im Alter. Ältere Menschen werden nicht nur versorgt, sondern systematisch gefördert. Das Ziel: ein selbstbestimmtes Leben. Bewegung, Physiotherapie und Sport statt herumsitzen! Ein interessantes Sachbuch, logisch in der Erklärung, ein mittlerweile erfolgreiches, erprobtes Konzept. Weiter zur Rezension:    Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz...

Interview - Viola Eigenbrodt von Sabine Ibing

                                                                                                                                          © Viola Eigenbrodt Viola Eigenbrodt, freie Journalistin aus dem Kulturbereich, ihr Genre ist der Cosy-Krimi, Geschichten, die im Alpenraum angesiedelt sind, phantastische Geschichten und Entwicklungsromane. Und neuerdings ist Viola Eigenbrodt in die Kinder- und Jugendliteratur eingestiegen. Hier das Interview mit ihr:     Interview...

Rezension - Le Sud: Geschichten und Rezepte aus Südfrankreich - Provence - Alpes - Cote d’Azur von Rebekah Peppler und Joann Pai

  Das Savoir-vivre Südfrankreichs in 80 köstlichen Rezepten und stimmungsvoller Fotografie: Von erfrischenden Cocktails und kleinen Snacks über Vorspeisen, Hauptgerichte und Beilagen, bis hin zu Käse und Desserts, alles, was Südfrankreichs Küche zu bieten hat. Die Provence-Alpes-Côte d’Azur und ihre vielfältigen Koch- und Esstraditionen mit saisonalen Zutaten ausgerichtet. Frankreichs Sommerküche aus dem Süden gekonnt präsentiert. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Le Sud-Geschichten und Rezepte aus Südfrankreich von Rebekah Peppler und Joann Pai 

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Rezension - Glutspur von Katrine Engberg

  Liv Jensen, ehemalige Polizistin, hat sich als Privatdetektivin in Kopenhagen selbstständig gemacht. Sie bekommt seitens der Polizei den Auftrag, Gemeinsamkeiten zwischen drei Todesfällen zu finden. Der Suizid eines Häftlings auf Freigang, der Tod einer Museumsangestellten und ein dreieinhalb Jahre zurückliegender Mord an einem Journalisten – diese Fälle können doch keine Gemeinsamkeit haben. Oder doch? Unterstützung erhält Liv dabei von Hannah Leon, einer Krisenpsychologin, die gerade selbst einen Schicksalsschlag erlitten hat, und Nima Ansari, einem iranischen Automechaniker, der selbst unter Mordverdacht gerät. Gemeinsam stoßen sie auf eine dunkle Vergangenheit, die jemand unbedingt geheim halten will. Mit allen Mitteln … Solider Krimi für ausdauernde Leser. Weiter zur Rezension:    Glutspur von Katrine Engberg 

Rezension - Skin City von Johannes Groschupf

  Gesprochen von Florian Schmidtke Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer 6 Std. und 37 Min. Der Dienst im Außenbezirk sollte Ruhe in das Leben der Kriminalpolizistin Romina Winter bringen. Doch georgische Einbrecher sind täglich in den Stadtvillen in Dahlem und Lichterfelde unterwegs, und die Bewohner sind in der Folge verängstigt. Die Polizei muss wachsamer sein! Und dann verschwindet auch noch Rominas kleine Schwester. Jacques Lippold nimmt den Berliner Geldadel ganz legal aus, denn er arbeitet als Kunstberater. Berliner Szenen aus verschiedenen Sichtweisen, die sich irgendwann kreuzen werden. Gut aufgebaute Charaktere und atmosphärisches Berlin-Milieu-Feeling heben den Krimi ab, der gut geschrieben eine Empfehlung ist! Weiter zur Rezension:    Skin City von Johannes Groschupf