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Tod am Everest von Odd Harald Hauge - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Tod am Everest 


von Odd Harald Hauge


Ein Abenteuerroman, der die Besteigung des Mount Everest beschreibt, ein Höllenritt, ein Trip, aus dem nicht jeder zurückkehren wird. Die Story ist zwar erfunden; aber so könnte es gewesen sein … Oder ist vielleicht etwas Wahres enthalten? Zumindest die Erfahrung … Denn Odd Harald Hauge ist genauso wie sein Protagonist Martin Moltza Extremabenteurer und er wurde sicher dafür von Firmen gesponsort, wie der Protagonist und beide waren am Süd- und Nordpol und auf dem Everest – bzw. wir begleiten hier Martin auf dieser Tour am gefährlichen Nordhang bei schlechtem Wetter. 





Ich kann ja kurz am Mount Everest vorbeischauen und dort die Konzernflagge schwenken.

Martin Moltza ist Extremsportler und lässt sich seine Abenteuer und seinen Lebensunterhalt von einem deutschen Automobilhersteller finanzieren. Er ist an die Pole gereist, durch den Dschungel gezogen und so einiges mehr; mit Bergsteigen hat er nichts am Hut. Als man beim Treffen mit seinem Sponsoringteam seine Äquatortour als zu unaufgeregt abtut, witzelt er mit dem Everest. Das ist die Idee!, rufen sie; aus der Nummer kommt er nun nicht mehr heraus! So ein Mist! 

Der Mount Everest, 8850 Meter über dem Meer. Lawinengefahr, Todeszone, messerscharfe Bergkämme, schwindelerregende Abgründe. All die Dinge, vor denen er sich bisher immer erfolgreich gedrückt hatte. Was für ein Mist!

Er schließt sich der Expedition von Sir Richard an, der bereits einmal oben war, und mit dabei ist Mark, ein Wallstreet-Banker der Goldman Sachs, Melanie eine italienische Meteorologin, die in Italien für das TV das Wetter moderiert und Celine, eine Schweizer Bergführerin und Bloggerin. Letztere ist die Einzige, die Bergerfahrung mit sich bringt. Begleitet werden sie von einem Trupp Sherpas, die für die Abenteurer die Ausrüstung tragen und die Seile im Berghang vorbereiten. Bereits die Fahrt durch die Berge und die sogenannten Hotels in Kathmandu weisen sich als Zufahrt in die Hölle aus. Martin hat mit der Höhenluft zu kämpfen – aber seine Erfahrung von den Polen kommt ihm zugute.


Langsam begriffen sie, was die Situation bedeutete. Ohne die Sherpas hatten sie nicht die geringste Chance. Ihre Expedition war in keiner Weise dazu aufgestellt, auf eigene Faust zurechtzukommen, das hätte mehrere absolute Top-Bergsteiger erfordert.

Der Leiter der Sharper warnt davor, zu schnell den Aufstieg zu wagen, der Lamakalender sagt – in 11 Tagen wäre eine gute Zeit … doch leider hatte Sir Richard bei den Chinesen aus Kostengründen das Kommunikationsequipment nicht angemeldet, für die man eine Genehmigung benötigt. Das chinesische Militär ist erbost, als sie bei der Zeltdurchsuchung die Geräte finden und nun muss die Gruppe mit Ausweisung rechnen. Bloß weg hier! Für jeden der Teilnehmer steht zu viel auf dem Spiel! Wer jetzt abbricht, hat viel zu verlieren. Sie wagen trotz aller Risiken den Aufstieg und hoffen, dass weiter oben das Wetter besser ist … 


Innerhalb von einer Minute eineinhalb Meter nach oben zu steigen, erschien ihm kein allzugroßes Problem darzustellen. Wie um sein Rechenergebnis zu bestätigen, machte er einige lange Schritte und zog sich am Seil empor. Mindestens drei Meter in wenigen Sekunden. Sofort begann es in seinen Schläfen zu pochen, sein Puls raste, er schnappte nach Luft. Übelkeit stieg in ihm auf.
‹Du Idiot», schimpfte er sich selbst.
Klüger durch den Schaden setzte er den weiteren Aufstieg im Schneckentempo fort.


Massentourismus am Mount Everest – jeder meint, da mal hochsteigen zu können. Allerdings läuft hier nichts ohne die Sharper! Und das hebt der Roman mit in den Vordergrund. Männer, die die Ausrüstung schleppen, die Zelte aufbauen, Tee kochen, Essen kochen – und sie weisen den Weg, befestigen die Seile und Ösen in die Felswand. Unzählige Seile verrotten hier jährlich. Müll liegt in der Landschaft. Nebenbei lernt man eine Menge über Grundlegendes von solchen Expeditionen, die Wichtigkeit von Dingen, bzw. Unwichtigkeit. Denn die Rucksäcke müssen auf dieser Tour von Lager zu Lager leichter werden. Gut beschreibt der Autor die körperliche Auswirkung von Höhen, den Sauerstoffmangel. Schöne Schilderungen der Landschaft und Wetterumschwünge sind eingewoben. Auch die Toten, die man am Wegesrand finden kann. Dies ist nicht, wie vom Verlag ausgewiesen, ein Thriller, doch spannend ist der Roman auf jeden Fall! Ein authentischer Abenteuerroman über eine Expedition, die nicht gefährlicher sein kann. Wichtige Aspekte fließen ein, Umweltprobleme durch Massentourismus, politische Randerscheinungen; Sponsorenverträge mit Extremsportlern. Das alles macht das Buch interessant und spannend. Angemerkt sei, für die Charakterbildung hat der Autor kein Händchen, das glitt ziemlich ins Klischee ab. Auch literarisch ist es kein Kunstwerk. Muss ja auch nicht sein in diesem Fall – denn das ist feine Unterhaltungsliteratur mit realem Hintergrund. Interessant auch für die Nicht-Krimi-Fraktion.


… hier befindet ihr euch auf über 8500 Metern, bei minus vierzig Grad, alles ist voller Schnee und Eis, und auf drei Seiten geht es dreitausend Meter in die Tiefe. Falls ihr vergessen solltet, dass ihr euch in einer Umgebung befindet, in der kein Mensch überleben kann, braucht ihr nur einen Blick auf die Leichen zu werfen, an denen wir vorbeikommen werden.


Odd Harald Hauge, geboren 1956, ist Autor, Journalist und Extremabenteurer und lebt in Norwegen. 2007 hat er den Mount Everest bestiegen und kennt die Gefahren am höchsten Berg der Erde nur zu gut. Hauge hat bereits einige Sachbücher veröffentlicht, u.a. über seine Expeditionen durch Grönland, zum Mount Everest und zum Südpol.




Odd Harald Hauge
Tod am Everest 
Aus dem Norwegischen übersetzt von Justus Carl  
Abenteuerroman, Extremsport, Mount Everest, Bergsteigen, Norwegische Literatur
Klappenbroschur, 400 Seiten
Benevento Verlag, 2022




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