Direkt zum Hauptbereich

The Shards von Bret Easton Ellis - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing





The Shards 


von Bret Easton Ellis



Der Anfang: 
VOR VIELEN JAHREN WURDE MIR KLAR: Ein Buch, ein Roman ist ein Traum, der auf die gleiche Weise niedergeschrieben werden will, wie wir uns in jemanden verlieben – der Traum wird unwiderstehlich, du kannst nichts dagegen tun, irgendwann gibst du auf und beugst dich, selbst wenn dir dein Instinkt zur Flucht rät, weil es letztlich ein gefährliches Spiel sein könnte – jemand wird verletzt  werden. … dachte ich zuletzt vor fast zwanzig Jahren nach; damals dachte ich, ich hätte das Zeug zu  enthüllen, was mir und einigen Freunden zu Beginn unseres Abschlussjahrs 1981 auf der Buckley School widerfahren war.

Dieses Buch ist mächtig! Mächtig gut geschrieben auf der einen Seite und mit 736 Seiten mächtig aufgebläht. Der Icherzähler Bret Easton erzählt eine traumatische Geschichte aus seiner Highschoolzeit: Während seiner Schulzeit trieb ein Serienmörder in Los Angeles sein Unwesen. Das Setting ist eine Schule der Reichsten der Superreichen in LA 1989. Sex and Drugs and Rocken Roll. Bret wohnt alleine in der riesigen Villa seiner Eltern am berühmten Mulholland Drive; das mexikanische Dienstmädchen putzt und bestückt täglich den Kühlschrank. Die Eltern weilen in Europa. Diese Jugendlichen fahren Mercedes, BMW, Camaro, Jaguar oder Porsche, tragen Edelmarken und Sneakers für 300 Dollar. Sie knallen sich den ganzen Tag lang voll mit Marihuana, Quaaludes, Koks, Speed-Pillen, Alkohol oder Valium, am besten durchmischt, langweilen sich bei Poolpartys und ausgiebigem Sex; Hollywoodstars gehen in den Elternhäusern ein und aus. «Sorgloser Sonnenbrand, endlose Softeis-Versorgung in der Cafeteria, während aus Kassettenrekordern und Transistorradios Elton John und Rod Stewart tönten.» Der siebzehnjährige Bret ist in der letzten Klasse der Oberstufe der exklusiven Buckley Prep School als ein neuer Schüler auftaucht. Robert Mallory ist intelligent, gutaussehend und charismatisch, zieht Bret magisch an. Bret ist sich aber bald sicher, dass Robert ein düsteres Geheimnis trägt, und will ihn von seinen Freunden fernhalten. Der Trawler, ein Serienmörder, hat bereits zwei Mädchen erwischt, als nun der Freund von Bret tot aufgefunden wird, mit dem er eine homosexuelle Beziehung pflegt. Bret glaubt nicht an einen Unfall, hält Robert für den Mörder und er kann nicht verhindern, dass der smarte Typ in seine Freundesclique eindringt.


Sex and Drugs and Rocken Roll


An jenem ersten Schultag wussten wir nichts darüber, wie seine Mutter wirklich gestorben war, oder über die Vergewaltigung seiner Stiefschwester, den Selbstmordversuch oder darüber, dass Robert Mallory die zweite Hälfte des elften Schuljahres in einer psychiatrischen Anstalt in der Nähe von Jacksonville in Texas verbracht hatte.


Ich mag dicke Romane und auch feine Beschreibungen. Hier gibt es atmosphärische Passagen, die fantastisch sind. Andererseits nerven ausufernde Schilderungen von Räumen, Orten oder man liest seitenlang, wohin Bret geht, fährt, was er dabei wahrnimmt; seitenlang was er gerade macht: liest, welche Drogen er einschmeißt, was er raucht, trinkt, isst, welche Musik er hört. Das zieht sich wie Kaugummi und manchmal musste ich schlicht blättern, weil ich ansonsten vor Langeweile eingeschlafen wäre. Sex ist ein dickes Thema in diesem Buch. Eigentlich ist Bret schwul und steht auf seinen besten Freund. Aber der ist hetero und mit Susan zusammen. Darum hat Bret eine heimliche Beziehung zu Matt – zu dieser Zeit war schwul zu sein ein Makel. Und Bret ist offiziell mit Debbie liiert, die Tochter des Filmmagnaten Terry Schaffer, der wiederum Bret verspricht, sein Manuskript umzusetzen, wenn der Jugendliche ihm zu Diensten ist. Das typische Konzept von Terry: sich Jungen gefügig zu machen, in dem er mit der Eintrittskarte von Hollywood wedelt. 


Stilistisch exzellent, aber eben auch ausufernd


Doch für Robert war es die erste Party bei Terry Schaffer, und er blickte sich langsam im Wohnzimmer um, als könnte er es nicht fassen: Paul Newman unterhielt sich mit Dudley Moore, während Susan Anton über ihm aufragte. Jane Fonda erklärte Terry irgendetwas … Walter Hill hielt ein Tumberglas in der Hand und beugte sich zu Mel Gibson. … Tony Richardson, Franco Zefferelli, Herbert Ross, John Schlesinger und James Bridges, der sich mit John Travolta unterhielt.


Verstörende dysfunktionale Familien der High Society mit ihren gelangweilten Jugendlichen im Wohlstandspark werden hier exakt beschrieben. Bret, der eine Angst vor Robert entwickelt, beschattet ihn, verstrickt sich in Paranoia, getrieben von seiner Angst. Herrliche Passagen, spannend, dann wieder seitenlange Beschreibungen – eigentlich passiert ewig nichts. Lange Sexszenen, ehrlich, so ins Detail hinein wollte ich es gar nicht wissen. Der unzuverlässige Erzähler schält sich heraus. Ich hoffte, dass das Ende nicht mit dem abgedroschen … endet. Schade, tut es doch. Stilistisch exzellent, aber eben auch ausufernd. Mir hätte der Roman gekürzt auf 200-300 Seiten besser gefallen. In der Länge geht für mich die Spannung verloren, die eigentlich erst im letzten Viertel anzieht. Autofiktion – Bret Easton Ellis wurde 1964 in Los Angeles geboren und er besuchte die private Buckley School, somit sind in dem Buch sicherlich autobiografische Elemente enthalten. Den Killer hat es allerdings nicht gegeben. 


Bret Easton Ellis wurde 1964 in Los Angeles geboren. Er besuchte die private Buckley School und begann 1986 ein Musikstudium am Bennington College in Vermont. Schon während seiner Highschool-Zeit bis in die Anfänge der 80er-Jahre spielte Ellis Keyboard in diversen New-Wave-Bands und wollte ursprünglich Musiker werden. Im Laufe des Studiums zog es ihn jedoch immer mehr zum Schreiben. Mit 21 Jahren veröffentlichte Ellis das Debüt »Unter Null« und zog zwei Jahre später nach New York City. 1991 erschien »American Psycho«, der Roman machte ihn endgültig zum Kultautor. Seit 2006 lebt er wieder in Los Angeles, in der Nähe von Beverly Hills.


Trailer: 




The Shards
von Bret Easton Ellis
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Stephan Kleiner
Thriller, Amerikanische Literatur
Hardcover mit Schutzumschlag, 736 Seiten 
Kiepenheuer & Witsch Verlag, 2023







Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Drainting: Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger

  Als Drainting bezeichnet Felix Scheinberger die intuitive Kombination von Malen und Zeichnen. Damit hebt er die jahrhundertealte heute vollkommen unnötige Trennung zwischen Flächen malen und Linien zeichnen auf und verbindet das Beste aus beiden Welten. Früher machten wir einen Unterschied zwischen Zeichnen und Malen und damit fingen die Schwierigkeiten an. Wo es nämlich gar keine Umrisslinien gibt, gilt es, diese abstrakt zu (er)finden. Die intuitive Kombination aus Zeichnen (Drawing) und Malen (Painting) garantiert gute Ergebnisse und unendlichen Spaß! Eine gute Einführung erklärt das Knowhow und Grundsätzliches zum Malen und Zeichnen – gute Ideen, die man selbst umsetzen kann. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger 

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Helisee - Der Ruf der Feenkönigin von Andreas Sommer

  Im 10. Jahrhundert gehört der westliche Teil der heutigen Schweiz zum Königreich Birgunt, erzählt uns diese Geschichte. Es ist eine wilde Gegend voller Wälder und Sümpfe, wo viele Menschen noch im Glauben an die alten Götter und Geister leben. Die Mauren greifen das Land an. Die Königin Bertha schützt das Land tapfer gegen räuberische Einfälle der mediterranen Mauren. Als der Hirtenjunge Ernestus, den die Leute im Dorf Erni nennen, einer ausgerissenen Ziege in den Wald folgt, überschreitet er unabsichtlich die Grenze des verrufenen Landstriches Nuithônia, dem Land der Feen. Seit Menschengedenken ist es verboten, dieses Gebiet am Fuß der Alpen zu betreten. Und er findet dort einen besonderen weißen Kiesel … Ein epischer Roman der High Fantasy, ein wenig Schweizer Sagenwelt, gut zu lesen. Weiter zur Rezension:    Der Ruf der Feenkönigin von Andreas Sommer

Rezension - Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt

Bendix, der Häuptling des Keltendorfs Taigh, ist außer sich: Jemand hat seinen Honigtopf gestohlen! Lindis, der Ziehsohn der Dorfdruidin Kundra und dessen Freunde Finn und Veda wollen der Sache auf den Grund gehen. War der Dieb hinter der wertvollen Amphore her oder hinter deren speziellem Inhalt? War es einer der fahrenden Händler? Und dann ist auch noch die kleine Tochter der Sklavin verschwunden! Unter dem Vorwand, fischen gehen zu wollen, machen sich die drei Jugendlichen heimlich auf die Suche nach den Händlern und kommen dabei einem Geheimnis auf die Spur … Weiter zur Rezension:    Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt 

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore

Rezension - Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz Karnauchow und Petra Thees

  Alter könnte so schön sein. Doch ältere Menschen werden in unserer Gesellschaft diskriminiert. Schlimmer noch, sie denken sich alt und grenzen sich selbst aus, sagen die Autor:innen. Das hat Folgen: Krankheit und Gebrechlichkeit im Alter gelten als normal. Altenpflege folgt daher dem Prinzip «satt, sauber, trocken». Und genau dieses Prinzip kritisieren Dr. Petra Thees und Lutz Karnauchow und gehen mit ihrem Ansatz neue Wege. Dieses Buch stellt einen neuen Blick auf das Alter vor - und ein radikal anderes Instrument in der Altenpflege. «Coaching statt Pflege» lautet die Formel für mehr Lebensglück im Alter. Ältere Menschen werden nicht nur versorgt, sondern systematisch gefördert. Das Ziel: ein selbstbestimmtes Leben. Bewegung, Physiotherapie und Sport statt herumsitzen! Ein interessantes Sachbuch, logisch in der Erklärung, ein mittlerweile erfolgreiches, erprobtes Konzept. Weiter zur Rezension:    Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz...

Rezension - Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

  Gesprochen von Hans Jürgen Stockerl Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 7 Min. Wir schreiben das Jahr 1683. Der junge Engländer Obediah Chalon, Spekulant, Händler und Filou, hat sich in London gerade mit der Investition von Nelken verspekuliert und eine Menge Leute um ihr Geld gebracht, das mit gefälschten Wechseln. Conrad de Grebber, Direktoriumsmitglied der Vereinigten Ostindischen Compagnie bietet Obediah  die Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen: Er wird auf eine geheime Reise geschickt, um etwas zu stehlen: Kaffeepflanzen. Spannender Abenteuerroman rund um den Kaffee. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read