Rezension
von Sabine Ibing
Spanische Delikatessen
von Catalina Ferrera
Sprecher: Joachim Schönfeld
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 9 Std. und 35 Min.
Der Anfang: Die Glocken der großen Kirche schlugen acht Uhr morgens, und es war bereits jetzt schon wieder entsetzlich heiß. Kein Wunder, im Hochsommer kühlte Barcelona nicht einmal nachts richtig ab. Vielmehr begleitete die Hitze der Sonnenstunden Nachtschwärmer und Frühaufsteher wie eine eifersüchtige Glucke auf ihren Wegen nach Hause oder zur Arbeit und legte sich als feuchter Film auf die Haut der Schlafenden.
Jamón Ibérico, eine Delikatesse
Karl Lindberg von der Berliner Mordkommission hat sich beurlauben lassen. Seine Frau, die ihm zuliebe ein paar Jahre im kalten Berlin ausharrte, hat nun die Apotheke ihrer Eltern in Barcelona übernommen. Die Familie ist umgezogen, Karl genießt das dulce-floreciente, aber ein bisschen langweilig ist das Nichtstun schon. Schwager Alex Diaz, ein junger Mann, dem es an Arbeitseifer fehlt, hat gerade einen Posten bei der katalanischen Polizei, Mossos d`Esquadra, erhalten, ist zum Sergent für Kapitalverbrechen aufgestiegen, das auch noch über Beziehungen. Karl ist mit dem Partylöwen noch nicht ganz warmgeworden. Und als Alex anruft, ihn um Rat bittet, siegt eher die Langeweile als die Sympathie. Señora Dolores Ortega, die Besitzerin von Barcelonas traditionsreichstem Delikatessengeschäft, »Especialidades Molina«, hat Alex angerufen, ist völlig aus dem Häuschen. Jeden Morgen schraubt Dolores einen neuen Schinken in das Brett zum Aufschneiden. Doch heute Morgen ist alles anders: Diesem Jamón Ibérico fehlt der Schweinefuß und er hat einen besonderen Prägestempel, anstatt »Teruel, Beher« liest sie: »100 % carne humana«. Kann das ernsthaft Menschenfleisch sein? Ist das ein Scherz? Karl, hinzugezogen, rät, das lieber kriminaltechnisch untersuchen zu lassen. Alex will von den neuen Kollegen nicht ausgelacht werden, informiert erst mal nicht die Cap (die Chefin), will abwarten, was die Untersuchung ergibt.
Carne humana?
Es ist Menschenfleisch! Eine Ungeheuerlichkeit. Señora Dolores Ortega kommt ein Verdacht auf. Ihr Ehemann ist seit fünf Jahren verschwunden. Jeder dachte bisher, er hätte sich mit einer jüngeren Frau abgesetzt. Die Analyse ergibt, dieser Schinken, Oberschenkel, gehört zum Delikatessenhändler Molina. Alex bekommt seinen ersten Mordfall und Karl darf ihm als Praktikant zur Seite stehen. Wer könnte Molina das angetan haben und wer hatte die Möglichkeit einen Schinken herzustellen? Dolores oder der verhuschte Sohn der beiden oder wer noch? Besonders beliebt scheint Molina nicht gewesen zu sein.
Liebe zu Barcelona, die Liebe zu den Menschen
Die Ermittlung geht ruhig an, es gibt keine frischen Spuren, man muss in der Vergangenheit forschen. Eins steht fest, es handelt sich nicht um ein Zufallsdelikt, sondern um eine Beziehungstat mit ausgeprägtem Hassanteil. Spanische Tranquillität und deutsche Ordnung, Gründlichkeit prallen aufeinander, ergänzen sich auch. Der Fall ist delikat. Während die beiden Männer im Fall ermitteln, lernt man Barcelona kennen, die Barrios, ihre Verschiedenheit und die Entwicklung der Stadt. Tourismus ist das Zauberwort. Der Tourismus hat im Laufe der Jahre die Altstadt verändert. Manchmal zum Vorteil, manchmal zum Nachteil und heute zu einer Plage. Es scheint einem, als wenn die Heuschrecken über die Stadt einfallen (dazu gehören nicht nur die Touristen). Man spürt bei Catalina Ferrera die Liebe zu Barcelona, die Liebe zu den Menschen, zum Essen. Wer Krimis mag und Barcelona, sollte sich dieses Buch vor dem nächsten Besuch zu Gemüte führen, feine kulinarische Tipps sind zu finden.
Endlich mal wieder ein angenehmer Regiokrimi
Eine gute Urlaubslektüre, ein logischer Plot, einiges an Hintergrundwissen, sozial, sozialpolitisch, politisch, kulinarisch, garniert mit einer Prise Humor in der Sommerhitze. Sprachlich gut gelungen, mit richtigem Einschlag an spanischen Vokabeln, eben das, was jeder kennt und nicht erklärt werden muss, eben das, was im Original besser klingt. Endlich mal wieder ein angenehmer Regiokrimi.
Catalina Ferrera ist das Pseudonym von Eva Siegmund, in Bad Soden geboren. Sie arbeitete als Kirchenmalerin, Juristin und Verlagsmitarbeiterin, entschloss sich dann aber, sich nur noch dem Schreiben zu widmen. Für ihre Kurzgeschichten hat sie bereits zahlreiche Preise gewonnen. Eva Siegmund lebt in Barcelona und Berlin. Sie sagt selbst über sich:
Nach dem Abitur bekam mein Lebenslauf einige Kurven. Ich habe in der Hausmeisterei eines Schlosses gearbeitet, einen Dachstuhl gebaut, eine Ausbildung zur Kirchenmalerin im tiefsten Bayern absolviert, Jura studiert, Nudeln und Schulranzen verkauft und zu guter Letzt Hörbücher gemacht. Verwirrenderweise habe ich nie gekellnert.
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