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Rezepte aus der Brasserie von Tim und Katharina Raue - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing


Rezepte aus der Brasserie 


von Tim und Katharina Raue


Tim Raue ist ein Sternekoch und besitzt die «Brasserie Colette», die man in Konstanz, München und Berlin findet, die uns die Kochkultur Frankreichs präsentiert. «Neulich in Paris», beginnt Tim Raue sein Buch, erzählt uns, wie ihn die französische Küche beeinflusst hat, seine ersten Jahre in Frankreich, er erklärt uns das Entstehen der Colette-Idee, seine Liebe zur traditionellen Brasserie-Küche. 35 Seiten mit Tim Raue im Vordergrund per Wort und Foto – er stellt gleich klar, wer der Mittelpunkt in diesem Buch ist. Die Rezepte die nun folgen sind in der Anlage klassisch: Vorspeisen, Suppen, vegetarisch, Fisch, Fleisch, Dessert. Wir werden dieses Buch im Frühjahr mit in den mediterranen Bereich nehmen, Gerichte nachkochen, denn viele Dinge können wir hier auf dem Schweizer Land gar nicht bekommen, nicht mal in Zürich, und frisch sowieso nicht. Andere Dinge werden wir jetzt schon mal ausprobieren, vieles in Abwandlung. Wer sich für dieses Buch interessiert sollte a) kochen können; b) in der Lage sein, eigene Alternativen zu finden; oder c) Unmengen an verschiedenen Fonds, Brühen, Mayonnaisen, Dressings, Jus, Teige usw. anzulegen und dies gegebenenfalls einkochen oder einfrieren; d) bereit sein einige Zutaten über das Internet zu beziehen.


CRÊPE SUZETTE MAL ANDERS: CRÊPE COLETTE; © Joerg Lehmann / Callwey-Verlag


Viele Rezepte sind Klassiker, doch in eine neue Form gebracht. Frittierte Tintenfischringe in selbstgemachtem Tempurateig, Foie gras aus Geflügelleber und Entenleber (woher bekommen?), Zwiebelsuppe, die Pâté en croûte, Salat Colette, Bœuf Bourguignon, Vichyssoise, Bouillabaisse, Moules Frites, Kalbskopf, Tarte au Citron Tarte Tatin. Inspiration aus den traditionellen Rezepten, neu ausgelegt. Manche Rezepte lassen sich leicht nachkochen, wie gebeizter Lachs mit Kapern, Speck, Kräutern und Röstbrot, Vichyssoise, das Rinderfilet Wellington ist aufwendig, aber sicher wert, es auszuprobieren. Tarte Tomate, einfach und lecker, ebenso die pürierte Linsensuppe mit Ziegenkäse oder Ratatouille.


EIN GANZ BESONDERER HUMMERCOCKTAIL; © Joerg Lehmann / Callwey-Verlag



Das Bœuf Bourguignon braucht Fleischparüren, das ist hübscher formuliert als die Übersetzung: Abfälle, Abschnitte in der Gastronomie. Bei der Pâté muss ich das Fleisch wolfen - klar, Fleischwolf. Immer wieder Fachausdrücke googeln, das nervt! – Lieber Herr Raue, verlieren Sie Ihre Zielgruppe nicht! Und immer wieder Gewürze, die man sich im Internet bestellen müsste – das nenne ich nicht nachhaltig. Für «Garnelen Marocain» muss ich zunächst einen Tempurateig herstellen (Grundrezept, Rest aufheben - weil ich den auch so häufig brauche?), ich benötige Zitronenöl, Pistazienöl, das indische Gewürz Vadouvan. - Ein Riesenaufwand für ein paar Garnelen. Da gefällt mir der Hummercocktail schon besser, alle Zutaten sind zu haben, sogar die Sriracha-Sauce gibt es im Supermarkt – die man aber durch eine andere Hot Chili Sauce ersetzen kann. Auch die Jakobsmuscheln sind machbar. Seeigel mit Rührei gefüllt – ob man sie mag oder nicht – woher soll man sie nehmen? Himbeeressig hat man im Haus, aber obendrauf noch Champagneressig, Orangenöl … Piment d‘Espelette aus dem Baskenland, es gibt eine Menge Zutaten, die man sicher nicht alle kaufen wird – es wäre schön, wenn hier Alternativen genannt würden, wie in anderen Kochbüchern gehandhabt. 


COQ AU VIN; © Joerg Lehmann / Callwey-Verlag


Grundrezepte aus dem Vorrat werden in viele Rezepte eingearbeitet. Nehmen wir die banale Zwiebelsuppe. Die wird hier mit Entenfond (Grundrezept aus dem Vorrat) und Dashi-Fond, den ich erstmal googeln musste – eine spezielle japanische Brühe – aufgegossen. Dazu nicht das übliche Baguette, sondern Brioche (siehe Grundteig). Die Frage ist, braucht das eine banale Zwiebelsuppe, die ja eben auf Grund ihrer alltäglich Zutaten so lecker ist? Für die Bouillabaisse benötige ich 1,5 kg Hummercarcassen. Klar, so was liegt bei uns zu Hause herum … denn kaufen kann man Schalentierabfall nicht – oder was denkt sich ein Kochbuchautor bei solchen Angaben? Für den Pulpo mit Kalbskopf und Birne (Vorspeise) benötige ich für das Kalbskopfjus aus dem Vorrat: ein wenig Entenfond und ein wenig Kalbskopfterrine. Zusätzlich muss ich eine Béarnaise aufschlagen. An diesen Stellen frage ich mich, was sich Tim Raue bei der Auswahl der Rezepte gedacht hat? Das ist klar und deutlich auf den ersten 35 Seiten zu spüren: Tim Raue präsentiert sich – geht es hier wirklich ums Nachkochen? Aber für wen? Für andere Köche und Fans oder wirklich für den einfachen Hobbykoch? Letzterer ist am googeln und fragt sich, woher er die Zutaten bekommen soll – bzw. warum er sich so viel Vorräte an Fonds usw. zusammenkochen soll. Und eine Anmerkung noch, lieber Tim Raue: Kochen ist Ihre Stärke, das Schreiben nicht. Da dies ein Kochbuch ist, mag ich mich nicht weiter über Stilistik, Grammatik und Ausdruck aufregen – doch mein Tipp: Überlassen Sie das Schreiben  Sterneautoren. Fazit: Es gibt einige Rezepte, die sehr gut nachzukochen sind, andere geben Inspiration. Absolute Hobbyköche, die gern Fonds usw. auf Vorrat anlegen, sind gut bedient. Einige Rezepte liegen neben der Spur der Einkaufsmöglichkeiten. Hier ist nicht alles durchdacht, auch nicht das Vokabular, mit dem der Normalbürger klarkommen kann.


LE CROQUE HOMARD; © Joerg Lehmann / Callwey-Verlag

Tim Raue wurde in Berlin-Kreuzberg geboren und mit gerade 23 Jahren Küchenchef in einem der  besten Berliner Restaurants, dem damaligen Rosenbaum. Der Gault Millau kürte ihn 2007 zum Koch des Jahres, vom Guide Michelin erhielt er 2012 zwei Sterne für sein 2010 eröffnetes Restaurant Tim Raue. Heute zählt es zu den World’s 50 Best Restaurants und er zu einem der kreativsten und vielseitigsten Köche Deutschlands. 

Katharina Raue hat ihr Leben dem Genuss verschrieben, arbeitete jahrelang als Chefredakteurin des Fachmagazins ROLLING PIN. Als freie Kolumnistin, Texterin und Moderatorin lebt die Österreicherin heute mit ihrem Mann Tim Raue zusammen in Berlin. 

Joerg Lehmann ist einer der renommiertesten Fotografen Deutschlands. Über 20 Jahre lebte er in Paris, bevor er vor einigen Jahren wieder nach Deutschland zurückkehrte. Joerg Lehmann arbeitete während seiner Karriere mit vielen bekannten Köchen, großen Food-Magazinen und Verlagen in Frankreich, Spanien, Österreich und New York zusammen.


Tim Raue, Katharina Raue
Rezepte aus der Brasserie 
Kochbuch, gehobene Küche, französische Küche
Joerg Lehmann (Fotograf)
Gebundene Ausgabe, 208 Seiten, 25.4 x 2.2 x 28.7 cm
Callwey, 2020



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