Direkt zum Hauptbereich

Pablo von J.B. Birman und C. Oubrerie - Rezension


Rezension

von Sabine Ibing






Pablo 

von J.B. Birman und C. Oubrerie




Picasso als Teenie, als junger Maler in Paris, noch unbekannt, unverstanden. 1900 ist Picasso 19 Jahre alt. Er besucht Paris zur Weltausstellung, ist von dem Kunsthändler Pere Mañach eingeladen, lernt die Galeristin Berthe Weill kennen, die sich um den vielversprechenden jungen Künstler bemüht. Wenig später kehrt er noch einmal zurück, um in Paris zu verbleiben. Er zieht in eine heruntergekommene Bude, die auch sein Atelier ist, ins versiffte, verlotterte Armenviertel Montmartre. Hie wohnen fast alle Künstler. Picasso widmete 1901 seinem Freund Casagemas das Bild »Evokation« das Begräbnis Casagemas, das erste Werk der blauen Phase. Er war erschüttert, als sich sein Freund Casa vor aller Augen wegen einer Frau erschoss. Das Buch spiegelt die junge Zeit des noch von der Kunstwelt verschmähten jungen Pablo Picasso wieder. Die Geschichte wird von Fernad Olivier erzählt, seiner ersten Muse und Lebenspartnerin. Picasso bildete Fernande in zahlreichen Werken seiner kubistischen Periode zwischen 1904 und 1909 ab, eine aufblühende Epoche im armen Paris.


Das Buch ist in vier Kapitel unterteilt, es ist ein Sammelband. Die Grundlage für die Kapitel sind die Einzelbücher: Max Jacob, Apollinaire, Matisse, Picasso. Am Anfang erzählt uns Fernande von ihrem bisherigen Leben, von ihrer Unsterblichkeit, denn sie hat zahlreichen Malern Modell gesessen und ist auf vielen Gemälden auf der ganzen Welt zu finden. Sie wächst bei einer strengen Tante auf und hier bin ich etwas verwirrt. Sie berichtet in diesem Band von Paul Percheron, der sie verführt, und von der Tante erwischt, muss sie ihn heiraten. Sie wird schwanger, der Mann ist ein brutaler Wüstling. Sie verliert das Kind und haut ab nach Paris. – In der offiziellen Biografie allerdings heißt es, sie heiraten, als Fernande im fünften Monat ist und Paul verschwindet irgendwann mit dem Sohn, taucht nie wieder auf. Das hat mich ein wenig verwirrt. Somit ist Fernande hier für mich eine unzuverlässige Erzählerin. Sie trifft auf Picasso in Paris, hat bereits bei anderen Künstlern gewohnt, verdient ein einträgliches Gehalt als Modell. Picasso verliebt sich unsterblich in die hübsche Frau. Sie ist zunächst ein wenig misstrauisch. Doch sie ist fasziniert von seinen Augen, dieser tiefen Blick zieht sie an und sie zieht bei ihm ein, versorgt mit ihrem Gehalt den armen Maler.



Zwar hat Picasso einen Agenten, aber wenn dieser mal ein Bild verkauft, kassiert er den meisten Lohn als Provision. Berthe Weill stellt Picassos Werke der Blauen und Rosa Periode aus. An seinen folgenden kubistischen Werken ist sie nicht interessiert. Picasso malt wie besessen. Immer wieder entzweien sich Fernande und Pablo – Dreck, Unordnung und Alkohol machen ihr den Garaus. Kunstsammler Leo Stein, der Bruder der Dichterin und Kunstsammlerin Gertrude Stein, entdeckt den jungen Maler, kauft ihm Bilder ab, auch Gertrude ist interessiert, führt Pablo in die intellektuelle Gesellschaft ein. In ihrem Salon lernt er Henri Matisse kennen, eine lange Freundschaft entsteht. Der Galerist Vollard kauft Picasso seine Bilder für 2000 Franc ab. Er hat es geschafft! Gertrude Stein sitzt zigmal Modell, aber das Bild wird nie fertig. Und dann entdeckt Picasso in Spanien jahrhundertalte Masken, eine neue Idee kreativ zu werden. Er beendet das Portrait von Gertrude Stein, wobei er ihre Gesichtszüge auf die Schlichtheit iberischer Masken reduziert.



Die Grafik Novell umfasst nicht nur das Leben des jungen Picasso, sondern die ausschweifende Zeit um 1900 in Paris in der Künstlerszene. Wein, Weib und Gesang, Exzesse, ein Leben in verdreckten Wohngemeinschaften, tragische Momente und Erfolge, all dies nehmen die Autoren feinfühlig auf. Pablo Picasso selbst, der Mensch, sein Inneres, bleibt zurückgesteckt. Es sind eher die Ereignisse wiedergegeben. Das Auf und Ab der Beziehung steht mehr im Mittelpunkt, Fernad steht in der Geschichte gleichberechtigt neben Pablo. Es ist ein feiner Comic. Ein wenig mehr Einblick in dem Menschen Pablo Picasso hätte ich mir gewünscht, denn es geht doch um ihn. Doch der bleibt ein wenig an der Oberfläche, schade. Gut, es ist Fernads Erzählung. Von ihr als Person erfahren wir eine Menge. Ein Kleinod oder ein dicker, schwerer Band? Beides, denn allein die Zeichnungen sind es wert, das Buch in die Hand zu nehmen. Eine locker zu lesende Novelle.



Julie Birmant arbeitet als studierte Regisseurin für Funk und Fernsehen und ist zudem als
Theaterdramaturgin tätig. Ein erstes Comicszenario schuf die Französin 2010 mit „Drôles de Femmes“, einer Porträtsammlung illustrer Künstlerinnen. Clément Oubrerie hat in Frankreich mittlerweile über 40 Kinderbücher als Zeichner publiziert und ist Mitbegründer des 3D-Animationsstudios Station OMD.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Das Nest von Sophie Morton-Thomas

  Ein Küstenort in Großbritannien, wo das Marschland auf den Ozean trifft, wo Vögel die bessere Gesellschaft sind, lebt Fran eine ereignislose Routine. Sich um den Campingplatz kümmern, der mit Mobilheimen ausgestattet ist, ihren Sohn von der Schule abholen, Abendessen kochen. Mit Dom, ihrem Mann, läuft es nicht mehr so, ihre Schwester lebt mit ihrer Familie in einem Wagen, zahlt keine Miete, dem Schwager hatte sie den Entzug finanziert und jetzt trinkt er wieder, hat keine Arbeit. Freude findet Fran nur an den verschiedenen Vogelarten, die sie am Strand beobachten kann; sie hat auch ein Häuschen zur Beobachtung finanziert. Und nun entdeckt sie ein Nest mit einer seltenen Vogelart, hofft, dass die Jungen ausschlüpfen werden. Und verschwindet die Lehrerin … Ein leiser Thriller. Weiter zur Rezension:    Das Nest von Sophie Morton-Thomashttps

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Rezension - Rath von Volker Kutscher

  Gelesen von David Nathan Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 21 Std. und 49 Min. Gereon und Charlotte Rath warten im Herbst 1938 nur noch auf den richtigen Moment, Deutschland zu verlassen, um nach Amerika zu gehen. Sie treffen sich heimlich in Hannover , denn Charly lebt immer noch in Berlin und Gereon, der als verstorben gilt, wohnt inkognito in Rhöndorf am Rhein , weil er seinen im Sterben liegenden Vater nicht im Stich lassen will. Charly sucht ihren ehemaligen Pflegesohn Fritze, der ausgerissen ist und unter Mordverdacht steht. Als sich die Lage zuspitzt, muss Gereon sein Versteck verlassen und Charly zu Hilfe kommen, nach Berlin reisen. Der 10. und letzte Band der Gereon Rath-Reihe - wie immer hochspannend, historisch gut recherchiert. Noirliteratur , ein feiner literarischer Krimi ! Empfehlung!  Weiter zur Rezension:    Rath von Volker Kutscher

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Rezension - Der Freund von Tiffany Tavernier

  Mit dem Haus im Grünen hat sich Thierry einen Traum erfüllt. Zusammen mit Élisabeth genießt er die Ruhe und Abgeschiedenheit des Wohnens nahe einem Wald. Die einzigen Nachbarn weit und breit, gleich nebenan, Guy und Chantal. Eins Tages im Morgengrauen stürmt die Polizei das Gelände. Die Nachbarn und gute Freunde, werden in Handschellen abgeführt. Was haben sie getan? Journalisten belagern das Gelände. Ein psychologischer Kriminalroman , der sich mit den Folgen der «Opfer» befasst, denn letztendlich sind die schockierten Freunde auch Opfer des Massenmörders. Weiter zur Rezension:    Der Freund von Tiffany Tavernier

Rezension - Hase Hollywood und das Geheimnis des Drachenlandes von Stefan Rasch, Simon Rasch und Anja Abicht

  Ein mächtiges Kinderbuch! Schwer an Gewicht, eine lange witzige, fantasievolle Geschichte. Der Hase Hollywood und seine Freunde betreiben ein Gasthaus in einer einsamen Bucht am Ende der Welt. Eines Tages taucht ein gefürchteter Piratenkapitän bei ihnen auf und vergisst doch glatt seinen Seesack unter dem Tisch. Darin befindet sich alte Schatzkarte und ein geheimnisvoller rosa Glitzerball. Der Ball entpuppt sich als Ei, aus dem ein kleiner Drachen schlüpft. Und damit beginnt eine abenteuerliche Reise zur Schatzinsel, denn auf der Karte sind auch die Drachen verzeichnet, den das Hasen-Team zu seinen Eltern bringen möchte. Sehr feine Illustrationen, grundsätzlich eine gute Geschichte, aber grobe handwerkliche Fehler für den Kinderroman. Weiter zur Rezension:     Hase Hollywood und das Geheimnis des Drachenlandes von Stefan Rasch, Simon Rasch und Anja Abicht 

Rezension - Yrsa von Alexandra Bröhm

  Journey of Fate (Yrsa. Eine Wikingerin 1)  Yrsa ist eine junge Wikingerin , die sich nach dem Tod der alleinerziehenden Mutter seit vier Jahren allein um ihrem Bruder Sjalfi kümmert. Als sie eines Tages von der Jagd nach Hause kommt, ist Sjalfi verschwunden. Verzweifelt macht sie sich auf die Suche und den gefährlichen Weg nach Haithabu . Denn es heißt, es würden Kinder entführt und versklavt. Unterwegs lernt sie Krieger kennen. Ihr Traum war immer schon, eine Kämpferin zu werden. Der Krieger Avidh hat es ihr besonders angetan. Ich würde den Roman ins Genre Young Adult einordnen. Wer softe Literatur, einen Liebesroman zur Entspannung mag, liegt hier richtig.  Weiter zur Rezension:    Yrsa von Alexandra Bröhm

Rezension - Cane Warriors: Niemand ist frei, bis alle frei sind von Alex Wheatle

  Jamaika, 1760 (Britische Kolonie): Die Easter Rebellion war der größte Sklavenaufstand in der Geschichte der karibischen Insel, angeführt von dem charismatischen Tacky und seinen Zuckerrohrkriegern. Ihr Motto: Niemand ist frei, bis alle frei sind. Dieses historische Ereignis wird aus der Perspektive des vierzehnjährigen Moa geschildert, der auf der Frontier-Zuckerrohrplantage aufwächst. Die Arbeit unter der brennenden Sonne ist hart, die Körper der Sklaven werden bis an die Grenzen und darüber hinaus, belastet. Sie leben in Angst vor den brutalen Peitschenhieben der Sklaventreiber, an denen so mancher verstirbt. Diese kurze, aber eindrucksvolle Erzählung beleuchtet den Aufstand der jamaikanischen Sklaven, Jugendroman ab 14 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Cane Warriors: Niemand ist frei, bis alle frei sind von Alex Wheatle