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Natürlich waschen von James Hamblin - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Natürlich waschen 


von James Hamblin

Was unsere Haut wirklich gesund hält


Ich dusche seit fünf Jahren nicht mehr.


James Hamblin hat Medizin studiert, sich dann aber entschlossen Journalist zu werden. Das Thema Hautgesundheit interessiert ihn. Er selbst duscht sich seit fünf Jahren nicht mehr. Er säubert mit einem Waschlappen die zentralen Stellen seines Körpers, den Intimbereich, die Füße und die Achselhöhlen. Duschen schadet der Haut, trocknet sie aus, Seife schadet der Haut noch mehr und Wasserverbrauch und die Herstellung von Seife und Kosmetika schadet der Umwelt. So viel zum großen Thema. 


Kosmetik als Konsumgut


Sämtliche Wirbeltiere befolgen offenbar Hygieneregeln.


Im Prinzip erzählt uns der Autor nichts Neues – doch trotzdem duschen die Menschen meist täglich, verbrauchen Unmengen von Körperpflegeprodukte. Häufiges Duschen, besonders Seifenprodukte, zerstören das Mikrobiom, unser natürlicher Hautschutzmantel wird zerstört. Wir entfetten die Haut, um ihr anschließend wieder Fett draufzuschmieren. Palmöl steckt in den meisten Seifenprodukten, aber auch in Cremes und Körperlotionen. Aber Palmöl trägt erheblich zur Abholzung der Regenwälder bei. Antimikrobielle Zusatzstoffe, Mikroplastik und Konservierungsmittel stecken fast in allen Kosmetikprodukten, die in den Wasserkreislauf gelangen, von Tieren aufgenommen wieder als Nahrung zurückkommen. Die meisten Hygiene- und Schönheitsgewohnheiten, die wir für selbstverständlich halten, sind das Produkt des Marketings des späten 19. und 20. Jahrhunderts; dazu gehört auch die Seife. Nebenbei bemerkt: Seife ist umweltfreundlicher als Flüssigseife. Soweit, so gut. James Hamblin recherchiert und kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen, etwas wild durcheinander. Er besucht Kosmetikhersteller und recherchiert über die Historie der Seife und Cremes, was übrigens sehr interessant war. Seife hat sich in den USA als Konsumgut, aus der Verwendung des Abfallstoffs der Fleischverpackungsindustrie, dem Tierfett, entwickelt. 


Einem dauerhaft geruchlosen Zustand stehen die wichtigen Rollen entgegen, die die geruchsproduzierenden Bakterien in unserem Leben spielen. Die Evolution wollte nicht, dass wir riechen, aber wir haben uns zusammen mit nützlichen Mikroben entwickelt, die unglücklicherweise manchmal schlechte Gerüche produzieren.


Gibt einiges über das öffentliche Gesundheitswesen der USA, über die Geschichte der FDA, was mich nicht so sehr interessierte und so einiges andere, weil der Autor querbeet alles Mögliche anreist. Er spricht mit Mikrobiologen, Allergologen, Genetikern, Ökologen, Kosmetikfachleuten, Seifenfans, Venture-Capital-Unternehmen, Historikern, Entwicklungshelfern, sogar mit ein paar waschechten Betrügern. Vieles wird oberflächlich angekratzt, nicht auserzählt. Es wird hin und her gesprungen, es gibt eine Menge Anekdoten und Humorvolles. Es wird über Schönheitsprodukte und Kollagen gesprochen – über Marketingmethoden. Einige Studien zur Gesundheit bezüglich Hautkrankheiten und Allergien werden vorgestellt, wie der Vergleich zwischen Amischen und den Stadtbewohnern. Hunde, die Krankheiten erschnüffeln, Toilettenhygiene und die Geschichte des Toilettenpapiers. Es gibt gute Kapitel, Denkanstöße, aber insgesamt war mir das zu oberflächlich und durcheinander. Das Geschäft mit gesunder, schöner Haut boomt: Gut 15 Milliarden Euro werden in Deutschland jährlich für Körperpflegeprodukte ausgegeben. Doch es herrscht kaum Einigkeit darüber, was unsere Haut wirklich pflegt, nährt und was ihr schadet. Fazit: Gesunde, schöne Haut bekommt am in der Regel dann, wenn man gar nichts mit ihr anstellt. Ein unterhaltsames Buch.


Mein Geheimnis: Wie für so vieles andere im Leben braucht man für eine höchst praktische Analhygiene nicht mehr als ein bisschen Wasser und ein Eckchen Toilettenpapier. Kurz unter Wasser halten und wischen. Das ist alles.


James Hamblin, ehem. Arzt, ist heute Autor, leitender Redakteur bei The Atlantic und Dozent an der Yale School of Public Health. Seine Artikel und Reportagen erscheinen u.a. auch in der New York Times und dem Politico-Magazin. Er ist bei NPR, BBC und The Colbert Report aufgetreten. 2015 erhielt er ein Poynter--Stipendium der Yale University für Journalismus, die Times nannte ihn eine der 140 Persönlichkeiten, denen man auf Twitter folgen sollte. Hamblin wohnt in Brooklyn, NY.


James Hamblin
NATÜRLICH WASCHEN!
Was unsere Haut wirklich gesund hält
Originaltitel: Clean: The New Science of Skin
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Christine Ammann
Sachbuch, Gesundheit, Kosmetik
Fester Einband, 288 Seiten
Kunstmann Verlag 2021


Sachbücher

Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.
Sachbücher

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