Rezension
von Sabine Ibing
Madame le Commissaire und die tote Nonne
Rezension
von Sabine Ibing
von Pierre Martin
(Isabelle Bonnet 5)
Gesprochen von Gabriele BlumUngekürztes Hörbuch, Spieldauer: 9 Std. und 53 Min.
Der Anfang: Es hörte sich einfach an und war doch so schwer: Vivre le moment présent! Nicht an die Vergangenheit denken, auch nicht an die Zukunft, sich vielmehr ganz auf den Augenblick Besinnen. Isabelle, die mit geschlossenen Augen im Schatten einer Pinie saß, lächelte leise vor sich hin.
Vivre le moment présent
Ich dachte, für den Sommer probierst du einen Provence-Krimi von Spiegel-Bestsellerautor Pierre Martin. Es ist der fünfte Teil, doch man kann sofort einsteigen, ohne die anderen Bände zu kennen. Madame le Commissaire sitzt mit ihrer Freundin in den Gärten von Fragolin in der Provence. Es ist der Geburtsort der Kommissarin, in dem sie derzeit auch arbeitet. Von einer steil abfallenden Klippe der Gärten ist eine Nonne herabgestürzt, vermutlich beim Kräutersammeln. Oder wollte sie Selbstmord begehen? Für die örtliche Polizei ist der Fall klar: ein Unfall oder Suizid. Akte geschlossen, lediglich die Identität der Frau ist noch zu klären. Doch wer ist diese Nonne, welchem Orden gehört sie an, aus welchem Kloster kam sie angereist? Isabelle Bonnet ist nicht überzeugt, dass Fremdverschulden auszuschließen ist.Der Anfang gefiel mir, aber je länger dieses Buch fortschritt, um so weniger konnt ich mich mit dem Krimi anfreunden. Madame le Commissaire, Isabelle Bonnet ist eine »Madame Bond«. Super ausgebildet, kann sie und weiß sie immer mehr als alle anderen, ist allen Menschen hochüberlegen, behandelt ihren Assistenten wie einen netten Trottel. Sie selbst ist von sich mehr als überzeugt, und sie ist obendrein schön, alle Männer liegen ihr zu Füßen. Ihr Chef in Paris ist ein kranker Trottel, ihre beste Freundin ist auch nicht besonders schlau, ein Schmetterling, der von Mann zu Mann flattert. Madame selbst hat ungezwungen zwei Liebhaber.
Na, wie kommt er damit klar?«, fragte ihre Freundin. Sie wusste genau, worauf Jacqueline anspielte, stellte sich aber ahnungslos. »Womit?«
»Mit eurem Arrangement. Schließlich warst du noch vor zwei Wochen mit Rouven in der Karibik auf Saint-Barthélemy. Weiß Thierry davon?«
»Natürlich, aber wir reden nicht darüber. Jetzt bin ich ja wieder hier.«
Jacqueline lachte. »Du bist schon eine coole Socke. Hast zwei Männer gleichzeitig.
Hier sind alle Männer plump
Der eine ist Thierry, der Bürgermeister von Fragolin, der andere, Rouven, ein schwerreicher Adliger und supernetter Kunsthändler, der sogar Fahrrad fährt. Im nächsten Augenblick holt er Madame durch den Chauffeur mit dem Bentley ab und es geht mit der Jacht oder dem Flugzeug zu einer Veranstaltung. Als Isabel aber einen der Männer dabei erwischt (sie lässt polizeiintern nachforschen) einen anderen Hasen im Bett zu haben, wird sie stinksauer. Sie leitet eine Einheit, bestehend aus ihr und ihrem Assistent, werden aus Paris geleitet, für was auch immer, anscheinend gibt es nicht ernsthaft etwas zu tun, man lungert rum. Deswegen hat man Zeit für die Nonne. Ich liebe starke Frauenfiguren, aber die hier ist mir zu narzisstisch, und noch schlimmer: Sie ist Fantasy. Das ist Geschmacksache. Aber ich empfinde solche Romanfiguren schwach, unglaubwürdig, männlich wie weiblich. Nervig ist die Figur Apollinaire, der Assistent von Madame, der ergeben, gebetsmühlenartig seine Chefin lobpreist.Zur Story: Nachdem Madame auf eigene Faust im Fall der Nonne ermittelt, eine Spur verfolgt, bekommt sie den Fall übertragen, findet heraus, aus welchem Kloster sie stammt. Es gibt zwei weitere tote Nonnen. Madame macht, was sie will, scheinbar hat sie sonst keine Aufgaben, schönes Polizeileben, kommt und geht, wann sie will. Apollinair ist immer im Büro, ackert akribisch, während Madame sich ins Restaurant verflüchtigt. Sie ermittelt verdeckt im Kloster als Nonne, gibt sich ständig bei Zeugenbefragungen als jemand anderes aus (Schwester der Toten, Beauftragte des Klosters usw.), oder sie spielt die verführerische Femme fatale. Ab der Mitte sollte dem Leser klar sein, wer der Mörder der Nonnen ist. Das Buch wäre zu kurz, drum brauchen Madame le Commissaire und Apollinaire etwas länger, tapsen in die falsche Richtung, was jedoch nicht zu ihrer angeblichen Genialität passt.
Zu deiner Entscheidung, Paris adieu zu sagen, um fortan im Süden zu leben. Ich verstehe ich dich mit jeder Minute besser.«
Isabelle schmunzelte. »Oui, c’est pas mal. Man kann sich daran gewöhnen.«
»Du hast es verdient, nach allem, was geschehen ist.«
»Wenn du meinst. Santé!
Die Provence als Urlaubsziel
Die Provence wird nett beschrieben, macht Lust auf Urlaub, die Landschaft hat der Autor anschaulich dargestellt. Doch leider nervt auch hier etwas, verdirbt. Der Roman ist vollgespickt mit französischen Vokabeln. Es sind einfache Worte, Sätze, die man versteht (Ich beherrsche kein Französisch!), die sich aus dem Kontext ergeben. Eigentlich finde ich das sehr sympathisch. Leider wird es überzogen und so ziemlich jede einzelne Vokabel im nächsten Satz auf Deutsch erklärt, indem man im Nachsatz das Ganze wiederholt. Das nervt. Braucht der Krimi so viel Französisch? Eigentlich nicht, aber auf keinen Fall die Nachsatzübersetzungen. Es klingt, als wollte jemand mit dem Hammer französisches Flair reinknallen. Sprache jedoch macht nicht den Flair einer Region aus. Was eigentlich ganz nett anfing, hat mich am Ende nur noch genervt: Die Figuren, der Plot an sich, das Französisch und die Stimme der Sprecherin.Was Hörbücher betrifft, bin ich ein sehr verträglicher Hörer. Ganz, ganz selten gefällt mir der / die Sprecher*in nicht. Gabriele Blum hat mein Gehirn allerdings gereizt. Geschmacksache. Viele Passagen liest sie in einem Affentempo, gehetzt, als wäre der Teufel hinter ihr her (am Ende dann dieses tiefe Einatmen). Andere Stellen klingen gelangweilt. Und wenn sie die Stimme verstellt, klingt das Ganze nur noch schrecklich. Dem armen Apollinaire unterstreicht sie stimmlich seine Unterwürfigkeit und Dümmlichkeit (dumm ist er ja gar nicht, sogar ziemlich gebildet), was ihn noch nerviger macht. Dümmlich, weil er bunte Socken mit Muster trägt und überhaupt – er mag bunte Kleidung. Auch so eine komische Sache, dem Leser weismachen zu wollen, bunt beim Mann sei etwas, was lächerlich wirkt.
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