Direkt zum Hauptbereich

Leonard Cohen – Like a Bird on a Wire von Philippe Girard - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Leonard Cohen – Like a Bird on a Wire 


von Philippe Girard 

Eine Comic-Biografie


Like a bird on the wire
Like a drunk in a midnight choir
I have tried in my way to be free
Like a worm on a hook
Like a knight from some old fashioned book
I have saved all my ribbons for thee.

Leonard Cohen (1934-2016), eine musikalische Legende, Romancier und Songwriter; sein Leben mit wichtigen Stationen und Songs eingebettet in eine biografische Graphic Novel – ein Leckerbissen für Fans. Das Buch beginnt 2016 in Los Angeles, seine letzte Nacht: «Ich werde ganz allein hier sterben, wie ein Hund», sagt er, als sein Blick aus dem Fenster auf einen Vogel fällt, der auf einer Stromleitung sitzt. Ein Rückblick auf sein Leben: Höhen und Tiefen, Drogenexzesse, Depressionen, Tabletten, die Sucht nach Selbstzerstörung; viele Frauen streiften sein Leben, die in seinen Songs verewigt wurden; befreundete Musiker wie Lou Reed, Nico, Janis Joplin, und Joni Mitchell, Phil Spector kommen in diesem Comic vor. Cohen sagte einmal über sich selbst: «Mein akademisches Ziel: Wein, Frauen und Songs». 






Der junge Jude Cohen sollte später das Bekleidungsgeschäft seiner Eltern in Montreal weiterführen, aber er entschied sich, Poet zu werden, Schriftsteller. Als er mit fünfzehn Jahren Fotos aus einem Konzentrationslager zu sehen bekam, sei unversehens erwachsen geworden, sagte er. Ein vagabundierender spanischer Musiker brachte ihm in Montreal ein paar Griffe bei, bevor er sich kurz darauf erhängte. In McGill studierte Cohen Literatur und erlangte dort als Dichter erste Öffentlichkeit. Auf Künstlerpartys schlug er ein paar Akkorde auf der Gitarre zum Vortrag seiner Gedichte – und damit fing alles an. In New York City studierte er an der Columbia. Von dort aus zog es ihn nach Griechenland, auf die Insel Hydra, wo er Romane und den Zyklus «Flowers Of Hitler» schrieb. Hier kaufte er ein Haus, lernte die norwegische Touristin Marianne Ihlen kennen. Cohen lernte 1969 die 19-jährige Suzanne Elrod kennen, und aus dieser zehnjährigen Beziehung stammen Leonard Cohens Kinder Adam und Lorca – aber den Song Susan gab es bereits. Diese Susan gab es wirklich. Sie war die Frau von einem seiner Freunde. Sie hieß Suzanne Vaillancourt und war mit Armand Vaillancourt verheiratet. Die beschriebene Begegnung gab es, aber die beiden hatten niemals eine Affäre. Als ambulanter Truppenbetreuer gibt Cohen während des kompletten Jom-Kippur-Kriegs 1973 bis zu acht Konzerte täglich.






Die Biografie setzt sich auch den wichtigen Stationen zusammen, fragmental, «spielt» die großen Songs ein. Cohen zieht umher, Montreal, London, New York, die griechische Insel Hydras – ein depressiver, freiheitsliebender Mann auf der Suche nach sich selbst, nach dem Sinn des Lebens. «Ich bin in einem Anzug geboren», sagte er von sich selbst; klapperdünn mit Fedora-Hütchen und Krawatte, die Gitarre in der Hand; leise, literarisch – einer der immer ein wenig anders war, als die anderen Popgrößen seiner Zeit, einer, der Rockmusik nicht mochte. Sein größter Erfolg «Hallelujah» wurde von vielen Künstlern gecovert. Sein Plattenproduzent war Phil Spector, ein etwas durchgeknallter Typ, der bei der Aufnahme 1977 voll auf Koks eine Waffe auf Leonard Cohen richtete und sagte: «Ich liebe dich Leonard!». Worauf Cohen antwortete: «Ich hoffe, du liebst mich Phil!» In späteren Jahren landete Spector im Gefängnis, weil er die Schauspielerin Lana Clarkson ermordete. Hallelujah! Diese Aufnahme wird allerdings von der Plattenfirma abgelehnt, die sich von diesem Song keinen Erfolg versprach. So gelang es Jeff Buckley und Rufus Wainwright, mit ihrer Coverversion Erfolg zu haben. Um von den Drogen loszukommen wurde Cohen buddhistischer Mönch in einem kalifornischen Kloster, lebte dort eine Weile. Als er Ende der Neunziger wieder vom Berg herabstieg, war sein Konto leer, denn Kelley Lynch, seine Managerin, hatte das Geld veruntreut. Sie verjubelte die rund fünf Millionen Dollar Cohens, und so musste er nach 15 Jahren Pause mit 77 Jahren noch mal auf die Bühne klettern, erreichte ein Comeback: Klapperdünn mit Fedora-Hütchen und Krawatte, wie man ihn kannte, nun aber nüchtern. Viele seiner Liebschaften sind in Songs verewigt: Marianne Ihlen in «So Long, Marianne», «Hey, That’s No Way to Say Goodbye», «Like a Bird on a Wire»; Janis Joplin in «Chelsea Hotel»; Jennifer Warnes in «Famous Blue Raincoat» und Rebecca de Mornay in «The Future».

Der sterbenden Marianne Ihlen schrieb Cohen einen Brief nach Griechenland, der später veröffentlicht wurde: «Nun ist es schon so weit, dass unsere Körper auseinanderfallen. Und ich denke, ich werde dir bald folgen. Wisse, dass ich so dicht hinter dir bin, dass du meine Hand berühren kannst, wenn du deine Hand ausstreckst.»

Philippe Girard hat die Biografie in Fragmenten gestaltet, mit wichtigen Stationen aus dem Leben von Leonard Cohen und Songs. Die Grafiken sind in warmen, satten Farben gestaltet, der sterbende Cohen in schwarz-blauem Tönen. Eine Hommage an einen großen Künstler, ein Leckerbissen für die Fans.


Leonard Cohen «Bird on a Wire»: 



Leonard Cohen «Suzanne» 




Leonard Cohen - «First We Take Manhattan»: 





Philippe Girard 
Leonard Cohen – Like a Bird on a Wire 
Übersetzt aus dem Französischen von Helge Dascher und Karen Houle
Eine Comic-Biografie, Comic, Graphic Novel, Biografie, Sachbuch, Kanadische Literatur
Hardcover, 28 x 21 x 1,3 cm, 120 Seiten
Cross Cult Verlag, 2022



Graphic Novel, Comic, Grafisches  

Für die Fans von Comis / Graphic Novels und sonstigem Gezeichneten, wie Satire. Hier auf dieser Seite zusammengefasst.  Alle Altersgruppen. Graphic Novel, Comic, Grafisches

Sachbücher

Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.
Sachbücher





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Splendido. Primavera/Estate: Italienische Küche für Frühling und Sommer von Juri Gottschall und Mercedes Lauenstein

  Lauenstein und Gottschall laden wieder dazu ein, die Vielfalt und Hochwertigkeit der regionalen italienischen Küche zu entdecken. Eine Reise durch Italien mit Fotos von Landschaften und Menschen, von hervorragenden Rezepten. Die Frühjahrs-Sommerküche überzeugt durch die Qualität der Zutaten, denn das ist der Grundstock des Geschmacks. 70 Rezepte zu saisonalen Besonderheiten, Ursprüngen, Küchengeschichten, italienische Kultur und Feste – saisonale Schätze und Spezialitäten spielen zu bestimmten Anlässen eine große Rolle. Wieder ein sehr gutes Kochbuch, das Liebhaber der italienischen Küche im Regal stehen haben sollten. Weiter zur Rezension:    Splendido. Primavera/Estate: Italienische Küche für Frühling und Sommer von Juri Gottschall und Mercedes Lauenstein 

Rezension - Grazie Roma von Daniel Gottschlich, Sebastian Späth und Dimitrios Katsavaris

  Wie ich mein Sternerestaurant zurückließ, in Italien Inspiration für neue Gerichte fand und mich am Ende selbst überraschte Daniel Gottschlich erhielt als erster Koch das Stipendium an der Deutschen Akademie in Rom – die bedeutendste Auszeichnung für deutsche Künstler im Ausland. Ein Koch, als Künstler? Man argumentierte mit dem von Joseph Beuys geprägtem «erweiterten Kunstbegriff», der das Kreative mit dem Künstlerischen gleichsetzt. Tage des Austauschs und der Inspiration, Stunden voller kreativer Eindrücke und künstlerischer wie musischer Erlebnisse. Im Mittelpunkt aber stand: die ausgezeichnete italienische Küche. Neben dem Reisebericht und den Eindrücken gibt es 30 Rezepte. Das erzählende Sachbuch ist eine Mischung aus Reiseliteratur und Kochbuch. Inspirierte Italienische Küche, Kulinarisches der mediterranen Küche, Lieblingsrezepte, Weltküche. Ein gelungenes Buch! Empfehlung! Rezension:   Grazie Roma von Daniel Gottschlich, Sebastian Späth und Dimitrios Katsavaris...

Rezension - Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler

  Mischa und Nits sind beste Freunde. Mischa liebt die Poems von Nits. Und der bewundert Mischa, weil er schlau ist und ein wandelndes Lexikon über Tiere zu sein scheint. Lügen geht gar nicht, so Nits Überzeugung. Darum fragt er sich, warum Mischa dem Lehrer weismachen will, er hätte eine Chlorallergie, als der Schwimmunterricht beginnt – Nits erzählt er, die Badehose sei von Mäusen angefressen worden. Überhaupt scheint Mischa in Schwierigkeiten zu stecken – doch wohl eher sein Vater ... Nits betritt in dieser Familie plötzlich eine völlig andere Welt – die der Armut. Aber das ist ein Unterthema – Mischas Vater ist untergetaucht; Mischa und Nits werden ihn nicht im Stich lassen – aber das könnte gefährlich werden ... Spannung, Humor und ein wenig Tragik machen das Buch zu einem Leseerlebnis. Meine Empfehlung ab 11 Jahren für diesen exzellenten Kinderroman.  Weiter zur Rezension:    Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Übung in Gehorsam von Sarah Bernstein

  Eine junge Frau aus einer Anwaltskanzlei aus der Stadt und zieht auf die Bitte von ihrem Bruder, der von Frau und Kindern verlassen wurde, zu ihm in ein Land im hohen Norden; sie kann von dort ihren Job weiter erledigen. In dem abgelegenen Dorf in einem nördlichen Land lebten bereits die jüdischen Vorfahren der Familie; es ist ihnen dort nicht gut ergangen. Als jüngstes von zahlreichen Geschwistern scheint es der jungen Frau nichts auszumachen, sich als Haushälterin des Bruders aufzuopfern. Eine komplexe Geschichte, Sarah Bernstein ist eine feine Beobachterin, alles ist offen; ist diese Erzählerin zuverlässig? Das Gehirn des Lesenden ist in Arbeit, viel Interpretation ist an vielen Stellen offen. Klasse! Weiter zur Rezension:    Übung in Gehorsam von Sarah Bernstein

Rezension - Die Witwe von Helene Flood

  Gesprochen von Cornelia Tillmanns Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer 10 Std. und 41 Min. Eine gutbürgerliche Nachbarschaft in Oslo, Evy ruft ihrem Mann nach: «Fahr vorsichtig!» Wenige Minuten später erleidet Erling wieder einen Fahrradunfall und stirbt im Krankenhaus. Ein Herzinfarkt? Zurück bleiben Evy, mit der er seit fünfundvierzig Jahren verheiratet war und seine drei Kinder. Der Unfall lässt Fragen offen, denn wo sind die Herzmedikamente, sein Terminkalender, und wo ist sein Fahrrad? Die Polizei ermittelt, da Erling ohne diese Dinge aufgefunden wurde. Ein Testament schockiert die Familie: Erling hat kurz vor seinem Tod fast sämtliches Bargeld in Immobilien investiert. Evy ist die Alleinerbin. Sie erfährt von Erlings Freund, dass Erling der Meinung war, jemand wolle ihn umbringen – wahrscheinlich eins seiner geldgierigen Kinder. Und darum sei auch Evy in Gefahr. Ein Kriminalroman, der unaufgeregt bis zur letzten Seite dahinplätschert, sich mit den Inneneinsichten von Evy befasst...

Rezension - Irrfahrt von Toine Heijmans

  Donald, der Skipper befindet sich mit seiner sieben Jahre alte Tochter auf einen Segeltörn. In zwei Tagen wollen sie von Dänemark bis in die Niederlande segeln. Doch in der Nacht schlägt das Wetter um, es wird Sturm geben. Der Vater meint, die Tochter schliefe in der Kajüte. Doch dann ist sie nicht dort – sie kann nur über Bord gefallen sein. Weiter zur Rezension:    Irrfahrt von Toine Heijmans 

Rezension - Männer, die die Welt verbrennen von Christian Stöcker

  Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit  Profiteure der fossilen Brennstoffe versus erneuerbare Energien im Zeichen der Klimakatastrophe – wer ist dabei, unsere Welt zu verbrennen und warum? Die Welt steckt in der Endphase eines Kulturkampfs: Gier gegen Gerechtigkeit, Zerstörung gegen Nachhaltigkeit, Zynismus gegen Empathie. Nichts zeigt dies deutlicher als die Reaktionen auf die Klimakatastrophe: Hier jene, die versuchen, das Schlimmste zu verhindern, dort jene, die alles tun, um aus dem Verbrennen fossiler Stoffe Profit zu ziehen, die behaupten, es gäbe keinen Klimawandel, bzw. das sei alles nicht schlimm. Jahrzehntelang haben Ultrareiche mit ihren Unternehmen mit CO₂-Produktion gut verdienen, mit skrupelloser Desinformation Zweifel daran gesät, dass wir Menschen mit unserer Sucht nach fossilen Brennstoffen die Erde aufheizen.  Ich kann nur jedem raten, dieses Buch zu lesen, wenn er die Klimaerwärmung verstehen will. Denn Öl, Gas und Kohle sind die Haupt...

Rezension - Mister Morrisons gesammeltes Tierwissen von Margit Auer, Martin Verg und Jochen Windecke

Die Schule der magischen Tiere Mortimer Morrison ist Inhaber der magischen Zoohandlung. Er liebt Tiere und weiß eine Menge über ihr Verhalten, ihre Lebensräume und allerlei Besonderheiten. Außerdem hat er bei seinen Reisen um die Welt viele persönliche Gedanken und Beobachtungen gesammelt, die er nun mit allen Kindern teilen möchte. Von Biber bis Wolf: Ein spannendes Sachkinderbuch ab 6 Jahren für Tierfreunde, das ausgesuchte Tiere gut erklärt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Mister Morrisons gesammeltes Tierwissen von Margit Auer, Martin Verg und Jochen Windecke